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NEWS
LAUDATIO von Nina Horaczek
Der Ehrenpreis der Bruno Kreisky Stiftung für Verdienste um die Menschenrechte wird seit 2007 für ganz besonderes Engagement und nachhaltige Verdienste zur Durchsetzung, Förderung und Weiterentwicklung der Menschenrechte verliehen.
LAUDATIO von Nina Horaczek (23. Juni 2022)
Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrte Jury und vor allem auch: Liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der asylkoordination, die alten wie die neuen: Es ist mir eine mindestens so große Freude wie Ehre, euch heute hier loben zu dürfen.
Die asylkoordination ist seit ihrer Gründung für die Menschen da, die auf ihrer Flucht in Österreich gelandet sind. Für deren Rechte kämpft sie – für das Recht auf ein faires Asylverfahren, für das Recht auf eine menschenwürdige Unterbringung und Behandlung während des Asylverfahrens.
Dass dieses Engagement jetzt mit dem Bruno Kreisky-Preis für Menschenrechte ausgezeichnet wird, ist eine tolle Sache.
Auch mir haben die Expertinnen und Experten der asylkoordination viele, viele Male geholfen, die unzähligen Gesetzesnovellen, die es in meinen mehr als zwanzig Jahren als Journalistin gab, zu verstehen. Bei der asylkoordination konnte ich immer anrufen und sagen, „Du, erklär mir das bitte schnell.“
Und ja, es gab viele solche Anrufe von mir. Zu meiner Ehrenrettung muss ich aber auch sagen: Ich habe im Jahr 2000 als Journalistin zu arbeiten begonnen und seitdem wurden – zumindest gefühlt – fast jedes Jahr die Asylgesetze verschärft. Wenn die Politik den Menschen in Österreich über Jahrzehnte ständig suggeriert, man müsse die Asylgesetze verschärfen, dann braucht man sich am Ende nicht zu wundern wieso so viele Menschen in Österreich sich vor Geflüchteten fürchten.
Gegen diese Diskriminierung anzukämpfen, und zwar mit einer fundierten Recherche- und Informationsarbeit kombiniert mit Aktivismus, das ein wesentliches Element der Arbeit der asylkoordination.
Hier sind Menschen, die haben einen Auftrag, die stehen klar auf der Seite der Geflüchteten. Die sind parteiisch. Sie kritisieren aber nicht nur, sondern ihre Kritik hat auch eine wissenschaftlich und rechtlich fundierte Basis.
Das ist wohl Grund dafür, wieso so mancher und manche im Kabinett der diversen Innenminister der vergangenen Jahre beim Wort „asylkoordination“ nervös zuckten. Weil inhaltlich fundierte Kritik immer viel stärker weh tut.
Die asylkoordination kritisiert aber nicht nur. Sie deckt auch auf. Im Jahr 1998 erschien: Die Situation von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen in Österreich, verfasst von Heinz Fronek. In dieser Studie zeigte die asylkoordination damals auf, wie minderjährige Flüchtlinge, speziell aus afrikanischen Ländern, in Österreich leben müssen: Zum Teil als Obdachlose, ohne gesundheitliche Versorgung, damals noch zu Dutzenden heimlich von der Erzieherin Ute Bock wie Bettgeher in einem Matratzenlager untergebracht, damit sie nicht auf der Straße schlafen müssen.
„Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge“ ist übrigens ein derart hässlich-technokratischer Ausdruck für Kinder, die ganz alleine ohne eine Mama oder einen Papa vor den Bomben und dem Kugelhagel davonrennen müssen, dass ich froh bin, dass NGOs wie die asylkoordination sich dafür einsetzen, diesen Technokratenbegriff durch „Fluchtwaisen“ zu ersetzen. Denn genau das sind sie: Kinder und Jugendliche, die Krieg und Verfolgung zu Elternlosen in einem fremden Land gemacht haben.
Aber ich schweife ab: Damals, als kaum jemandem in Österreich bewusst war, unter welchen Bedingungen diese Jugendlichen hier leben müssen, machte die asylkoordination dieses Unrecht zum Thema. Und Unrecht benennen, das tut sie bis heute, etwa aktuell wenn es um die schwierige Situation der nach Österreich geflüchteten Menschen aus der Ukraine geht.
Aufklärung war und ist ein wichtiger Teil der Arbeit, für den die asylkoordination heute ausgezeichnet wird. Schon in den 1990er Jahren fuhren die (damals noch sehr wenigen) Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit einem Infobus auf „Miteinander leben“-Tour durch das Land.
Es war ein umgebauter Linienbus mit Wanderausstellung, Sitzecke und kleiner Bibliothek, der, gelenkt von einem rumänischen Asylwerber, an öffentlichen Orten, aber auch an Schulen über die Situation von Geflüchteten aufklären und Vorurteile abbauen sollte.
Genauso wie später Projekte wie die Schule ohne Rassismus und auch Trainings gegen Stammtischparolen, beides für mich seit vielen, vielen Jahren ganz eng verbunden mit Herbert Langthaler.
Mit Anny Knapp zählen Herbert und einige andere zur Gründerinnen- und Gründergeneration der asylkoordination.
Machen wir vielleicht kurz einen gemeinsamen Abstecher in die späten 1980er Jahre. Damals kamen immer mehr Menschen aus ferneren Ländern nach Österreich, Kurdinnen zum Beispiel, aus der Türkei, aber auch Menschen, die im Widerstand gegen die damalige türkische Militärregierung waren. Aber auch Geflüchtete aus dem Irak oder auch Tamilen aus Sri Lanka.
In dieser Zeit ändert sich auch die Stimmung in diesem Land gegenüber Menschen auf der Flucht. In Kärnten setzt ein gewisser Jörg Haider zum Aufstieg in die Bundespolitik an. Und es dauert nicht lange, bis die Ausländerinnen und Ausländer, die Migrantinnen und Migranten und natürlich auch die Menschen, die zu uns fliehen, das Wahlkampfthema Nummer 1 sind. Und leider spielen andere politische Kräfte dieses schäbige Spiel mit.
Schon ganz früh, im Jahr 1988, machte sich damals eine kleine Gruppe auf den Weg, um nachzuschauen, wie es zugeht in den neuralgischen Punkten des österreichischen Asylwesens. Sie fuhren in die Lager Traiskirchen, Thalham, besuchten die Fremdenpolizei in Wien und Vorarlberg. Und sie fuhren auch zu den Grenzstellen in Spielfeld und an der Grenze zu Liechtenstein und zur Schubhaftstelle in Bludenz.
Es war eine richtige Fact Finding-Mission, die von diesen Pionierinnen und Pionieren der Asylbewegung veranstaltet wurde. Die asylkoordination, die damals noch gar nicht so hieß, aber personell schon im Entstehen war, leuchtete damit zum ersten Mal dunkle Flecken im österreichischen Rechtsstaat aus.
Diese Reise brachte engagierte Menschen aus unterschiedlichen Bundesländern zusammen. Darunter Organisationen wie Zebra, die bis heute enger Partner der asylkoordination sind, aber auch viele andere. Da war Gertrude Hennefeld, die damals den Flüchtlingsdienst der Diakonie aufbaute. Oder Markus Himmelbauer, der sich damals in der Pfarr-Caritas engagierte und dann der erste Angestellte der asylkoordination war. Und natürlich war damals auch schon Michael Genner mit dabei, auch ein langjähriger Mitstreiter im Umfeld der asylkoordination, und ein – wie wir alle wissen – durchaus streitbarer.
Ein Jahr später, im September 1991, wurde die asylkoordination dann offiziell gegründet. Als eine Dachorganisation, die die verschiedenen Initiativen und auch die zahlreichen engagierten Einzelkämpferinnen und Einzelkämpfer im Asylbereich vernetzt. Als Pressure Group, die Druck erzeugt, damit sich die Dinge zum Besseren verändern.
Die asylkoordination ist nämlich nie Frontalopposition, sondern hat immer einen Zug zur Veränderung, macht Vorschläge, wie es besser ginge.
Und wenn von der Politik nichts kommt, dann fängt sie eben selbst damit an.
Ich kann mich noch gut erinnern, wie ich im Oktober des Jahres 2000 zum ersten Mal in dem kleinen Büro in der Schottengasse stand, das sich die asylkoordination damals noch mit anderen Gruppen teilte. Weil Kinderflüchtlinge zu wenig Unterstützung bekommen, startet die asylkoordination ein neues Projekt: connecting people. Patinnen und Paten für geflüchtete Jugendliche.
„Wie soll das funktionieren?“, dachte ich mir damals. Aber connecting people funktioniert bis heute und hat mittlerweile hunderten jungen Menschen geholfen, in Österreich anzukommen. Hat Geflüchtete zu Familienmitgliedern gemacht.
Mit diesem Artikel über das connecting People, der damals im Falter erschien, lockte mich Heinz Fronek vor zwanzig Jahren in die Asylberichterstattung und ich bin ihm bis heute sehr dankbar dafür. Denn vieles Schlimmes, worüber ich in den vergangenen Jahrzehnten berichtete, wäre ohne die Arbeit der asylkoordination nie aufgedeckt worden.
Seien es die miserablen Bedingungen in den Flüchtlingsunterkünften, rechtswidrige Asylbescheide, das Vermessen von Jugendlichen inklusive des Zählens der Schamhaare zur Altersfeststellung oder auch zuletzt die illegalen Push-Backs an Österreichs Grenzen. Davon wissen wir nur dank der asylkoordination.
Eine traurige Geschichte ist mir in all diesen Jahren ganz besonders in Erinnerung geblieben. Und die möchte ich Ihnen kurz erzählen.
Am 4. Juni 2010 hat sich Reza Haidari im Polizeianhaltezentrum Hernals am Wiener Gürtel am Fenster seiner Gefängniszelle erhängt. Reza war ein 16jähriger Bursche aus Afghanistan, der es ganz alleine bis nach Österreich geschafft hatte. Er hatte zuvor in Schweden um Asyl angesucht. Dort war er aber in einer Flüchtlingsunterkunft für Erwachsene untergebracht worden und von einem Mann vergewaltigt worden.
So etwas passiert, wenn der Staat Minderjährige auf der Flucht nicht schützt.
In seiner Einvernahme in Traiskirchen berichtete er dem Beamten von diesem Verbrechen. Und auch, wie sehr er sich davor fürchte, nach Schweden zurück geschickt zu werden.
Wörtlich sagte Reza: „Ich habe meine Ehre und mein Gesicht verloren, bevor noch mehr Schande über mich kommt, ist es besser, in die Heimat abgeschoben zu werden.“ Aber nicht einmal darauf ging der Asylbeamte ein. Stattdessen stempelte er „Schubhaft“ auf den Akt.
Der schwer traumatisierte Teenager landete im Polizeigefängnis.
Als die Polizisten Reza in der Nacht vom 4. Juni fanden, war er noch am Leben, aber nicht mehr ansprechbar. Die Rettung brachte ihn ins AKH, die Ärzte dort versuchten noch, sein Leben zu retten. Aber die Gehirnschäden waren zu groß. Wenige Wochen später, am 19. Juli, stirbt der Bub in einem niederösterreichischen Pflegeheim.
Das Innenministerium wollte den Fall damals unter den Tisch kehren. Es ist der asylkoordination zu verdanken, dass es gelang öffentlich zu machen, wie furchtbar die Republik Österreich mit diesem jungen Menschen umgegangen war. So furchtbar, dass er nur mehr diesen einen Ausweg sah.
Auch dafür steht die asylkoordination und in dieser Funktion ist sich selbst immer sehr treu geblieben. Auch wenn es nicht immer einfach war. Denn, wie es ein früherer Mitarbeiter mir gegenüber formulierte, bei der asylkoordination zu arbeiten, das muss man sich leisten können. Von der Gründung bis heute gibt es hier einen Einheitslohn. Und der ist nicht hoch.
Das Gute daran: Die Menschen, die diese Arbeit machen, wollen das wirklich. Sonst wären sie schon längst weg. Denn hochqualifiziert sind sie alle. Von Lukas Gahleitner abwärts, der Sprecher der asylkoordination ist und der zuvor in einer der angesehensten Rechtsanwaltskanzleien für Medienrecht als Jurist und dann bei Amnesty International tätig war.
Aber so viel Kompetenz versammelt über Jahrzehnte in einem Büro, das ist wohl auch ein Indiz dafür, dass ihnen die Arbeit Freude macht.
Schließlich kann man hier etwas erleben. Denn auch der Aktivismus kommt bei der asylkoordination von Anfang an nicht zu kurz.
Im Jahr 1990, da marschierten wieder Soldaten an Österreichs Grenze zum Osten auf. Und was tat die asylkoordination? Sie lud zu einem „Grenzspaziergang“. Was der burgenländischen Polizei gar nicht gefiel.
Die Aktivistinnen und Aktivisten der asylkoordination wurden in einen Bus gesetzt, der stellvertretende Bezirkshauptmann von Neusiedl sprach ein Betretungsverbot für das Burgenland aus und die Polizei eskortierte den Bus bis zur Wiener Landesgrenze.
Natürlich bekämpfte die asylkoordination dieses Vorgehen der Polizei bis zum Höchstgericht. Das Ergebnis: Dass sie in den Bus gesetzt wurden, war rechtens, die Polizeieskorte nach Wien aber nicht. Aber immerhin: Wer außer die Leute von der asylkoordination kann schon erzählen, vom Burgenland nach Wien abgeschoben worden zu sein?
Aber auch finanziell waren diese dreißig Jahre nicht immer einfach. Denn im Gegensatz zu anderen NGOs hat die asylkoordination keine traurigen Kinderaugen, die sie auf Plakate knallen kann. So wichtig ihre Arbeit ist, die Vernetzung, die Kampagnen, die Recherche- und Aufklärungsarbeit, so schwierig ist es oft, dafür auch ausreichend Spenden zu bekommen.
Und leider waren es zuletzt auch immer öfter Kranzspenden, weil, wenn man als Organisation älter wird, da verabschieden sich auch immer mehr Freundinnen und Freunde. Der Jurist und Grünen-Politiker Sepp Brugger aus Tirol, verstorben vergangenen April, war so ein Freund.
Aber auch der Willi Resetarits wäre heute wohl hier, wenn er es noch könnte, auch er zählte zu den Freunden der ersten Stunde der asylkoordination.
Und wenn ich jetzt noch am Schluss ganz kurz zurückschaue: Löschnak, Einem, Schlögl, Strasser, Platter, Prokop, Fekter, Mikl-Leitner, Sobotka, Kickl, Peschorn, Nehammer, Karner – es ist schon eine ziemliche Ahnengalerie, die ihr überlebt habt. Darauf könnt ihr stolz sein,
liebe Menschen von der asylkoordination. Ich verneige mich vor eurer Arbeit und wünsche gutes Feiern.
LAUDATIO von Nina Horaczek (23. Juni 2022)
Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrte Jury und vor allem auch: Liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der asylkoordination, die alten wie die neuen: Es ist mir eine mindestens so große Freude wie Ehre, euch heute hier loben zu dürfen.
Die asylkoordination ist seit ihrer Gründung für die Menschen da, die auf ihrer Flucht in Österreich gelandet sind. Für deren Rechte kämpft sie – für das Recht auf ein faires Asylverfahren, für das Recht auf eine menschenwürdige Unterbringung und Behandlung während des Asylverfahrens.
Dass dieses Engagement jetzt mit dem Bruno Kreisky-Preis für Menschenrechte ausgezeichnet wird, ist eine tolle Sache.
Auch mir haben die Expertinnen und Experten der asylkoordination viele, viele Male geholfen, die unzähligen Gesetzesnovellen, die es in meinen mehr als zwanzig Jahren als Journalistin gab, zu verstehen. Bei der asylkoordination konnte ich immer anrufen und sagen, „Du, erklär mir das bitte schnell.“
Und ja, es gab viele solche Anrufe von mir. Zu meiner Ehrenrettung muss ich aber auch sagen: Ich habe im Jahr 2000 als Journalistin zu arbeiten begonnen und seitdem wurden – zumindest gefühlt – fast jedes Jahr die Asylgesetze verschärft. Wenn die Politik den Menschen in Österreich über Jahrzehnte ständig suggeriert, man müsse die Asylgesetze verschärfen, dann braucht man sich am Ende nicht zu wundern wieso so viele Menschen in Österreich sich vor Geflüchteten fürchten.
Gegen diese Diskriminierung anzukämpfen, und zwar mit einer fundierten Recherche- und Informationsarbeit kombiniert mit Aktivismus, das ein wesentliches Element der Arbeit der asylkoordination.
Hier sind Menschen, die haben einen Auftrag, die stehen klar auf der Seite der Geflüchteten. Die sind parteiisch. Sie kritisieren aber nicht nur, sondern ihre Kritik hat auch eine wissenschaftlich und rechtlich fundierte Basis.
Das ist wohl Grund dafür, wieso so mancher und manche im Kabinett der diversen Innenminister der vergangenen Jahre beim Wort „asylkoordination“ nervös zuckten. Weil inhaltlich fundierte Kritik immer viel stärker weh tut.
Die asylkoordination kritisiert aber nicht nur. Sie deckt auch auf. Im Jahr 1998 erschien: Die Situation von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen in Österreich, verfasst von Heinz Fronek. In dieser Studie zeigte die asylkoordination damals auf, wie minderjährige Flüchtlinge, speziell aus afrikanischen Ländern, in Österreich leben müssen: Zum Teil als Obdachlose, ohne gesundheitliche Versorgung, damals noch zu Dutzenden heimlich von der Erzieherin Ute Bock wie Bettgeher in einem Matratzenlager untergebracht, damit sie nicht auf der Straße schlafen müssen.
„Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge“ ist übrigens ein derart hässlich-technokratischer Ausdruck für Kinder, die ganz alleine ohne eine Mama oder einen Papa vor den Bomben und dem Kugelhagel davonrennen müssen, dass ich froh bin, dass NGOs wie die asylkoordination sich dafür einsetzen, diesen Technokratenbegriff durch „Fluchtwaisen“ zu ersetzen. Denn genau das sind sie: Kinder und Jugendliche, die Krieg und Verfolgung zu Elternlosen in einem fremden Land gemacht haben.
Aber ich schweife ab: Damals, als kaum jemandem in Österreich bewusst war, unter welchen Bedingungen diese Jugendlichen hier leben müssen, machte die asylkoordination dieses Unrecht zum Thema. Und Unrecht benennen, das tut sie bis heute, etwa aktuell wenn es um die schwierige Situation der nach Österreich geflüchteten Menschen aus der Ukraine geht.
Aufklärung war und ist ein wichtiger Teil der Arbeit, für den die asylkoordination heute ausgezeichnet wird. Schon in den 1990er Jahren fuhren die (damals noch sehr wenigen) Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit einem Infobus auf „Miteinander leben“-Tour durch das Land.
Es war ein umgebauter Linienbus mit Wanderausstellung, Sitzecke und kleiner Bibliothek, der, gelenkt von einem rumänischen Asylwerber, an öffentlichen Orten, aber auch an Schulen über die Situation von Geflüchteten aufklären und Vorurteile abbauen sollte.
Genauso wie später Projekte wie die Schule ohne Rassismus und auch Trainings gegen Stammtischparolen, beides für mich seit vielen, vielen Jahren ganz eng verbunden mit Herbert Langthaler.
Mit Anny Knapp zählen Herbert und einige andere zur Gründerinnen- und Gründergeneration der asylkoordination.
Machen wir vielleicht kurz einen gemeinsamen Abstecher in die späten 1980er Jahre. Damals kamen immer mehr Menschen aus ferneren Ländern nach Österreich, Kurdinnen zum Beispiel, aus der Türkei, aber auch Menschen, die im Widerstand gegen die damalige türkische Militärregierung waren. Aber auch Geflüchtete aus dem Irak oder auch Tamilen aus Sri Lanka.
In dieser Zeit ändert sich auch die Stimmung in diesem Land gegenüber Menschen auf der Flucht. In Kärnten setzt ein gewisser Jörg Haider zum Aufstieg in die Bundespolitik an. Und es dauert nicht lange, bis die Ausländerinnen und Ausländer, die Migrantinnen und Migranten und natürlich auch die Menschen, die zu uns fliehen, das Wahlkampfthema Nummer 1 sind. Und leider spielen andere politische Kräfte dieses schäbige Spiel mit.
Schon ganz früh, im Jahr 1988, machte sich damals eine kleine Gruppe auf den Weg, um nachzuschauen, wie es zugeht in den neuralgischen Punkten des österreichischen Asylwesens. Sie fuhren in die Lager Traiskirchen, Thalham, besuchten die Fremdenpolizei in Wien und Vorarlberg. Und sie fuhren auch zu den Grenzstellen in Spielfeld und an der Grenze zu Liechtenstein und zur Schubhaftstelle in Bludenz.
Es war eine richtige Fact Finding-Mission, die von diesen Pionierinnen und Pionieren der Asylbewegung veranstaltet wurde. Die asylkoordination, die damals noch gar nicht so hieß, aber personell schon im Entstehen war, leuchtete damit zum ersten Mal dunkle Flecken im österreichischen Rechtsstaat aus.
Diese Reise brachte engagierte Menschen aus unterschiedlichen Bundesländern zusammen. Darunter Organisationen wie Zebra, die bis heute enger Partner der asylkoordination sind, aber auch viele andere. Da war Gertrude Hennefeld, die damals den Flüchtlingsdienst der Diakonie aufbaute. Oder Markus Himmelbauer, der sich damals in der Pfarr-Caritas engagierte und dann der erste Angestellte der asylkoordination war. Und natürlich war damals auch schon Michael Genner mit dabei, auch ein langjähriger Mitstreiter im Umfeld der asylkoordination, und ein – wie wir alle wissen – durchaus streitbarer.
Ein Jahr später, im September 1991, wurde die asylkoordination dann offiziell gegründet. Als eine Dachorganisation, die die verschiedenen Initiativen und auch die zahlreichen engagierten Einzelkämpferinnen und Einzelkämpfer im Asylbereich vernetzt. Als Pressure Group, die Druck erzeugt, damit sich die Dinge zum Besseren verändern.
Die asylkoordination ist nämlich nie Frontalopposition, sondern hat immer einen Zug zur Veränderung, macht Vorschläge, wie es besser ginge.
Und wenn von der Politik nichts kommt, dann fängt sie eben selbst damit an.
Ich kann mich noch gut erinnern, wie ich im Oktober des Jahres 2000 zum ersten Mal in dem kleinen Büro in der Schottengasse stand, das sich die asylkoordination damals noch mit anderen Gruppen teilte. Weil Kinderflüchtlinge zu wenig Unterstützung bekommen, startet die asylkoordination ein neues Projekt: connecting people. Patinnen und Paten für geflüchtete Jugendliche.
„Wie soll das funktionieren?“, dachte ich mir damals. Aber connecting people funktioniert bis heute und hat mittlerweile hunderten jungen Menschen geholfen, in Österreich anzukommen. Hat Geflüchtete zu Familienmitgliedern gemacht.
Mit diesem Artikel über das connecting People, der damals im Falter erschien, lockte mich Heinz Fronek vor zwanzig Jahren in die Asylberichterstattung und ich bin ihm bis heute sehr dankbar dafür. Denn vieles Schlimmes, worüber ich in den vergangenen Jahrzehnten berichtete, wäre ohne die Arbeit der asylkoordination nie aufgedeckt worden.
Seien es die miserablen Bedingungen in den Flüchtlingsunterkünften, rechtswidrige Asylbescheide, das Vermessen von Jugendlichen inklusive des Zählens der Schamhaare zur Altersfeststellung oder auch zuletzt die illegalen Push-Backs an Österreichs Grenzen. Davon wissen wir nur dank der asylkoordination.
Eine traurige Geschichte ist mir in all diesen Jahren ganz besonders in Erinnerung geblieben. Und die möchte ich Ihnen kurz erzählen.
Am 4. Juni 2010 hat sich Reza Haidari im Polizeianhaltezentrum Hernals am Wiener Gürtel am Fenster seiner Gefängniszelle erhängt. Reza war ein 16jähriger Bursche aus Afghanistan, der es ganz alleine bis nach Österreich geschafft hatte. Er hatte zuvor in Schweden um Asyl angesucht. Dort war er aber in einer Flüchtlingsunterkunft für Erwachsene untergebracht worden und von einem Mann vergewaltigt worden.
So etwas passiert, wenn der Staat Minderjährige auf der Flucht nicht schützt.
In seiner Einvernahme in Traiskirchen berichtete er dem Beamten von diesem Verbrechen. Und auch, wie sehr er sich davor fürchte, nach Schweden zurück geschickt zu werden.
Wörtlich sagte Reza: „Ich habe meine Ehre und mein Gesicht verloren, bevor noch mehr Schande über mich kommt, ist es besser, in die Heimat abgeschoben zu werden.“ Aber nicht einmal darauf ging der Asylbeamte ein. Stattdessen stempelte er „Schubhaft“ auf den Akt.
Der schwer traumatisierte Teenager landete im Polizeigefängnis.
Als die Polizisten Reza in der Nacht vom 4. Juni fanden, war er noch am Leben, aber nicht mehr ansprechbar. Die Rettung brachte ihn ins AKH, die Ärzte dort versuchten noch, sein Leben zu retten. Aber die Gehirnschäden waren zu groß. Wenige Wochen später, am 19. Juli, stirbt der Bub in einem niederösterreichischen Pflegeheim.
Das Innenministerium wollte den Fall damals unter den Tisch kehren. Es ist der asylkoordination zu verdanken, dass es gelang öffentlich zu machen, wie furchtbar die Republik Österreich mit diesem jungen Menschen umgegangen war. So furchtbar, dass er nur mehr diesen einen Ausweg sah.
Auch dafür steht die asylkoordination und in dieser Funktion ist sich selbst immer sehr treu geblieben. Auch wenn es nicht immer einfach war. Denn, wie es ein früherer Mitarbeiter mir gegenüber formulierte, bei der asylkoordination zu arbeiten, das muss man sich leisten können. Von der Gründung bis heute gibt es hier einen Einheitslohn. Und der ist nicht hoch.
Das Gute daran: Die Menschen, die diese Arbeit machen, wollen das wirklich. Sonst wären sie schon längst weg. Denn hochqualifiziert sind sie alle. Von Lukas Gahleitner abwärts, der Sprecher der asylkoordination ist und der zuvor in einer der angesehensten Rechtsanwaltskanzleien für Medienrecht als Jurist und dann bei Amnesty International tätig war.
Aber so viel Kompetenz versammelt über Jahrzehnte in einem Büro, das ist wohl auch ein Indiz dafür, dass ihnen die Arbeit Freude macht.
Schließlich kann man hier etwas erleben. Denn auch der Aktivismus kommt bei der asylkoordination von Anfang an nicht zu kurz.
Im Jahr 1990, da marschierten wieder Soldaten an Österreichs Grenze zum Osten auf. Und was tat die asylkoordination? Sie lud zu einem „Grenzspaziergang“. Was der burgenländischen Polizei gar nicht gefiel.
Die Aktivistinnen und Aktivisten der asylkoordination wurden in einen Bus gesetzt, der stellvertretende Bezirkshauptmann von Neusiedl sprach ein Betretungsverbot für das Burgenland aus und die Polizei eskortierte den Bus bis zur Wiener Landesgrenze.
Natürlich bekämpfte die asylkoordination dieses Vorgehen der Polizei bis zum Höchstgericht. Das Ergebnis: Dass sie in den Bus gesetzt wurden, war rechtens, die Polizeieskorte nach Wien aber nicht. Aber immerhin: Wer außer die Leute von der asylkoordination kann schon erzählen, vom Burgenland nach Wien abgeschoben worden zu sein?
Aber auch finanziell waren diese dreißig Jahre nicht immer einfach. Denn im Gegensatz zu anderen NGOs hat die asylkoordination keine traurigen Kinderaugen, die sie auf Plakate knallen kann. So wichtig ihre Arbeit ist, die Vernetzung, die Kampagnen, die Recherche- und Aufklärungsarbeit, so schwierig ist es oft, dafür auch ausreichend Spenden zu bekommen.
Und leider waren es zuletzt auch immer öfter Kranzspenden, weil, wenn man als Organisation älter wird, da verabschieden sich auch immer mehr Freundinnen und Freunde. Der Jurist und Grünen-Politiker Sepp Brugger aus Tirol, verstorben vergangenen April, war so ein Freund.
Aber auch der Willi Resetarits wäre heute wohl hier, wenn er es noch könnte, auch er zählte zu den Freunden der ersten Stunde der asylkoordination.
Und wenn ich jetzt noch am Schluss ganz kurz zurückschaue: Löschnak, Einem, Schlögl, Strasser, Platter, Prokop, Fekter, Mikl-Leitner, Sobotka, Kickl, Peschorn, Nehammer, Karner – es ist schon eine ziemliche Ahnengalerie, die ihr überlebt habt. Darauf könnt ihr stolz sein,
liebe Menschen von der asylkoordination. Ich verneige mich vor eurer Arbeit und wünsche gutes Feiern.