"#Traiskirchen ist voll!" - "Belastungsgrenze erreicht!" lauten die Schlagzeilen wieder einnmal.
Ist unser Asylsystem also doch überfordert? Was versteckt sich tatsächlich hinter dieser Meldung?
Wichtig zu wissen: Es gibt zwei Stadien des Asylverfahrens:
1. Zulassungsverfahren: Hier wird geprüft, ob Österreich für das Verfahren zuständig ist: Die Unterbringung und die Versorgung sind Aufgabe des Bundes.
2. inhaltliches Verfahren: Bei zugelassenen Verfahren sind die Bundesländer für Unterbringung und Versorgung zuständig.
Zuständig für die Grundversorgung in Stadium 1 ist das Innenministerium durch ihre ausgelagerte Agentur BBU GmbH.
Diese betreibt Bundesbetreuungseinrichtungen in acht Bundesländern mit einer Gesamtkapazität von ca 6.900 Plätzen. Traiskirchen ist die größte Einrichtung.
Angesichts 55.000 registrierter Anträge bis Ende August überrascht es auf ersten Blick nicht, dass die 1.800 Plätze in Traiskirchen und die knapp 7.000 Bundesplätze voll sind.
Die Ursache, warum "Traiskirchen voll" ist, sind aber nicht die vielen Anträge. And here is why:
Ausgangspunkt Grundversorgungszahlen: Diese Statistik schlägt schneller an als die Verfahrensstatistik des Bundeasamts für Asyl (BFA). Warum: Wer nicht mehr da ist, kriegt kein Geld und ist raus!
Lasst uns daher die Zahlen zur Grundversorgung von Ende 2019 mit 29. August 2022 vergleichen. Grundversorgung bekommen nicht nur Asylwerber:innen, sondern auch "sonstige Fremde"
Sonstige Fremde sind Asylberechtigte in den ersten 4 Monaten, subsidiär Schutzberechtigte, die nicht arbeiten und Vertriebene aus der Ukraine.
Insgesamt 2019: 31.000
Insgesamt 08/22: 90.000
Ohne "sonstige Fremde" (davon ca. 57.000 Ukrainer:innen, die keine Asylwerber:innen und nicht in Bundesbetreuung sind) sehen wir, dass derzeit 18.463 Asylwerber:innen in Grundversorgung sind.
Das sind zwei pro 1000 Einwohner:innen in Österreich. Und genau 150 Personen oder 1% mehr als Ende 2019. (18.463 zu 18.313).
Die Anzahl der Grundversorgungsbezieher:innen hat sich seit 2019 verdreifacht (+191%). Das liegt an den Ukraine-Vertriebenen (AT BFA +15.000%) während die Anzahl der Asylwerber:innen nahezu gleich ist wie 2019 (+1%).
In fast allen Bundesländern gibt es weniger Asylwerber:innen als im Jahr 2019. Aber: über +450% in den Bundeseinrichtungen!
Asylwerber:innen in Bundeseinrichtungen (BBE)
2019: 1.000
2022: 6.000
Asylwerber:innen in Grundversorgung in Bundesländern
2019: 17.000
2022: 12.000
Ca. 70% aller Asylwerber:innen in den Bundeseinrichtungen sind zum Verfahren zugelassen und müssten von den Bundesländern übernommen werden. Das Problem liegt also nicht (primär) an den Antragszahlen, sondern an der Verteilung. "Traiskirchen ist voll" - ja, weil die Bundesländer (mit Ausnahme von Wien und Burgenland) ihren Verpflichtungen nicht nachkommen. Es ist kein Notstand, sondern ein Managementproblem.
Woran liegt das, was kann getan werden?
Schnellverfahren für offensichtlich begründete Anträge aus Syrien und Afghanistan würde die Belegung der Bundeseinrichtungen um ein Drittel reduzieren.
Die Erhöhung der Grundversorgung wurde bisher nur in Wien und Tirol umgesetzt. Es braucht mehr Tempo, um Quartiere in denBundesländern zu schaffen.
Ukraine-Vertriebene müssen raus aus Grundversorgung und in die Sozialhilfe überführt werden. Sie sind in der Regel nicht in den Bundeseinrichtungen, aber wegen geringer Grundversorgung und Zuverdienstgrenze ist eine Arbeitsmarktintegration schwierig. Ein Wechsel würde auch die Kapazitäten in den Bundesländern für "normale" Asylwerber:innen erhöhen.
Fazit:
Es ist gibt trotz sehr hoher Antragszahlen nicht mehr Personen, die in Österreich bleiben und Grundversorgung bekommen.
Es gibt einen Flaschenhals bei der Unterbringung von Asylwerber:innen in Österreich. Es ist ein Verteilungsproblem.
Und: Es gibt Lösungen dafür.