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Lebenszweck und Bedeutung [Sylvia
Köchl, April 2003] |
"Wenn du die ganze
Zeit Ferien hast, sind das keine Ferien mehr", beschreibt
Bambaya, 17, aus Guinea die Situation der AsylwerberInnen in
Österreich, die zu oft jahrelanger Untätigkeit gezwungen
sind, keine Ausbildung machen können, keine Arbeit annehmen
dürfen. Das Projekt EPIMA will diese Situation verändern.
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Übersicht
Existenzsicherung |
Martin Ode musste aus seinem afrikanischen Heimatland flüchten
und lebt seit einem Jahr als Asylwerber in Österreich.
Er ist jung und teilt die Interessen vieler österreichischer
Jugendlicher: Fußball und Hiphop. Er spricht schon ausgezeichnet
Deutsch und möchte später EDV-Techniker werden. Allerdings,
und darauf angesprochen verschwindet das Lächeln aus seinem
Gesicht, weiß er noch immer nicht, ob er überhaupt
in Österreich bleiben kann, denn sein Verfahren ist noch
nicht entschieden.
Die Wartezeit nutzen.
Martin Ode ist Teilnehmer an der Pressekonferenz, mit der letzte
Woche das Projekt EPIMA präsentiert wird, ein Pilotprojekt
im Rahmen von Equal, das jungen AsylwerberInnen zwischen 15
und 25 die Möglichkeit zu Bildung, Ausbildung und letztlich
Integration in den Arbeitsmarkt bieten soll. In seinem Statement
streicht Martin die Wichtigkeit und Dringlichkeit dieses Projekts
heraus: Das größte Problem beim langen Warten auf
den Asylbescheid sei die Untätigkeit, die Unmöglichkeit,
die Sprache des Fluchtlandes bzw. überhaupt etwas zu lernen.
Wenn man in die Schule geht, hängt man nicht auf der Straße
herum, sagt Martin, man weiß etwas mit seiner Zeit anzufangen.
Bildung, so fährt er fort, gibt uns einen Lebenszweck und
Bedeutung, sie bewahrt uns vor dem Abrutschen in die Illegalität.
Als Asylwerber weiß man nichts über die Zukunft,
man kann nur warten, warten, warten. Das frustriert, sagt Martin,
wenn man nie die Gelegenheit bekommt, am Leben teilzunehmen.
Einsamkeit und Hoffnungslosigkeit erhöhen die Gefahr der
Illegalität. Viele Flüchtlinge haben nicht einmal
einen Platz zum Schlafen, erklärt er, und keine Krankenversicherung,
sie erfahren tagtäglich direkte oder indirekte Diskriminierung.
Wie kann das alles verändert werden?, fragt Martin Ode
abschließend.
Er hat im Gegensatz zu den meisten anderen AsylwerberInnen seines
Alters das Glück, ins Projekt EPIMA aufgenommen worden
zu sein, d. h. seit einigen Monaten besucht er Kurse im Wiener
Modul 1, lernt Deutsch, EDV, Mathe, Englisch (wobei das für
ihn keine große Herausforderung ist, da er Englisch bereits
in seinem Heimatland gelernt hat) und VOT - Veranstaltungsorganisation
und -technik, letzteres in Zusammenarbeit mit dem Wiener WuK,
das bereits Erfahrung mit der Vermittlung dieses Wissens an
Jugendliche hat.
Heike Schröder von der Volkshilfe OÖ und Koordinatorin
von Modul 2 in Linz beschreibt die Eckpunkte des Programms:
die sozial-pädagogische Förderung in Form von Unterstützung
durch die BetreuerInnen bei der Bewältigung der persönlichen
Problemlagen, die Förderung der Sprachkompetenz, die schulische
Förderung im Hinblick auf die Erlangung der für den
Berufseinstieg notwendigen Kenntnisse, bei Bedarf auch gezielte
Unterstützung in Form von psychologischer Beratung/Therapie
zur Bearbeitung traumatischer Erfahrungen. Die 16 jungen AsylwerberInnen,
die derzeit beim Modul 2 dabei sind, haben ganz unterschiedliche
Lernerfahrungen - die Zeiten des bisherigen Schulbesuchs variieren
zwischen fünf und 14 Jahren - und kommen aus verschiedenen
Teilen der Welt: es sind sieben afghanische, eine iranische,
zwei georgische und sechs TeilnehmerInnen aus unterschiedlichen
afrikanischen Staaten, neun Jugendliche sind als unbegleitete
minderjährige Flüchtlinge nach Österreich gekommen,
andere mit Familienangehörigen, einige sind allein stehende
junge Erwachsene. EPIMA ist so strukturiert, dass es auf alle
diese diversen Erfahrungen und Lebens- und Fluchtumstände
individuell eingehen kann. Eine umfassende "Potenzialanalyse"
ist die Basis für die individuelle Unterstützung bei
der Entwicklung von beruflicher Orientierung, Maßnahmen
zur Berufsvorbereitung und schlussendlich bei der Unterstützung
bei der Arbeitssuche. Ein besonderes Augenmerk bei der Auswahl
wurde auf die gezielte Förderung von weiblichen Asylwerberinnen
gelegt: 43 Prozent der KursteilnehmerInnen sind Frauen und Mädchen.
Eine Brücke zum Arbeitsmarkt.
Elisabeth Freithofer vom Integrationshaus Wien und inhaltliche
Koordinatorin von EPIMA erklärt, das Ziel sei vor allem,
das Selbsthilfepotenzial der TeilnehmerInnen zu fördern
- Empowerment also - und eine Brücke zum Arbeitsmarkt zu
schlagen, sowie für jene, die nicht mehr in die Regelschule
können, ein alternatives Bildungsangebot zu stellen. Durch
Praktika und Schnuppertage bei diversen Firmen sollen auch Vorurteile
bei diesen Firmen abgebaut werden, diese sollen aber auch einen
realistischen Blick auf die Möglichkeiten erhalten, diese
jungen Leute überhaupt beschäftigen zu können.
Denn, so Freithofer, Programme, die die Diskriminierung beim
Zugang zum Arbeitsmarkt bekämpfen, können sich nur
im Rahmen der vorhandenen Gesetze bewegen. Und da sieht es nicht
gerade rosig aus. Seit Anfang 2003 ist dieser Rahmen noch enger
geworden, ist der Zugang zum Arbeitsmarkt noch restriktiver.
Viele Firmen, die sich bereit erklären, mit EPIMA zusammen
zu arbeiten, müssen oft frustriert zur Kenntnis nehmen,
dass die nötigen Beschäftigungsbewilligungen nicht
erteilt werden. EPIMA will jedoch nachhaltig arbeiten, weswegen
auch die angestrebte Quote für die TeilnehmerInnen der
verschiedenen Equal-Projekte nur eine vorläufige Lösung
wäre. Nachhaltigkeit kann nur erreicht werden, wenn der
enge gesetzliche Rahmen politisch beeinflusst wird: durch Informations-
und Lobbyarbeit, aber auch durch die zahlreichen strategischen
Partnerschaften, die EPIMA eingegangen ist, etwa mit ÖGB,
Innenministerium, Wirtschaftskammer, AMS, Uni Wien (hier mit
dem Institut für Psychologie, wo sechs Diplomarbeiten entstehen
sollen, die sich vor allem mit dem Empowerment der Jugendlichen
befassen und das Projekt evaluieren werden).
Wer von den TeilnehmerInnen keine staatliche oder sonstige Unterstützung
erhält, bekommt von Equal 12 Euro am Tag, ansonsten erhält
man Fahrtgeld, wer ganztags teilnimmt, bekommt Essensgeld, und
wer während des Kurses obdachlos wird, dem oder der wird
auch geholfen. Es gibt eine ständige soziale Begleitbetreuung.
Ausgewählt werden die Leute nach ihrem Aufenthaltsstatus,
d. h. sie befinden sich in einem laufenden Verfahren und sollten
Aussichten auf einen längeren Aufenthalt in Österreich
haben. Die BetreuerInnen stellen insgesamt fest, dass die Jugendlichen
hoch motiviert sind und mit großer Begeisterung teilnehmen.
Sie lernen deshalb auch sehr rasch Deutsch und halten stark
zusammen. Dennoch, so Heinz Fronek von der asylkoordination
Österreich und zuständig für die Vernetzung,
kann EPIMA die dargestellten Probleme nicht lösen, aber
es ist ein Labor, ein Pilotversuch, wo neue Wege der Zusammenarbeit
erprobt werden. Da die gesetzlichen Restriktionen alle EU-Staaten
betreffen - in 2 Ländern haben AsylwerberInnen einen direkten
oder nur leicht eingeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt,
in 7 Ländern gibt es starke Einschränkungen, in 6
Ländern ist es unmöglich, eine Arbeitsbewilligung
zu erhalten -, ist die Frage nach den diskriminierenden Zugängen
ein gemeinsames transnationales Thema. Aufgrund dieser rechtlichen
Diskriminierungen sei es auch gar nicht möglich, die Integration
der TeilnehmerInnen in den Arbeitsmarkt als Ziel zu definieren,
vielmehr gehe es darum, Kenntnisse, Erfahrungen und Kompetenzen
zu vermitteln, die den jungen Leuten sowohl im Falle einer Rückkehr
ins Heimatland als auch im Falle einer Weiterwanderung den beruflichen
Einstieg erleichtern.
EQUAL & EPIMA
EQUAL ist eine europäische Gemeinschaftsinitiative zur
Bekämpfung von Diskriminierung und Ungleichheiten im Zusammenhang
mit dem Arbeitsmarkt.
Das Ziel besteht in der Erarbeitung neuer, innovativer Konzepte
für die Arbeitsmarktpolitik; die Durchführung in Österreich
wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit geleitet.
Die Finanzierung erfolgt zu gleichen Teilen aus dem Europäischen
Sozialfonds und aus nationalen Mitteln.
Mehr Information zu EQUAL Österreich auf www.equal-esf.at
EPIMA - Entwicklungspartnerschaft zur Planung und Durchführung
von Integrationsmaßnahmen für unbegleitete minderjährige
und junge AsylwerberInnen.
Am Programm sollen in der Zeit von Herbst 2002 bis Frühsommer
2005 insgesamt 165 jugendliche AsylwerberInnen teilnehmen können.
In fünf österreichischen Regionen - Wien, Linz, Salzburg,
Burgenland, Graz - werden Aktivitäten angeboten (Module);
die jeweiligen regionalen Gegebenheiten werden in der Konzeption
berücksichtigt.
Gemeinsame Elemente in den Modulen
- Sprachunterricht - Dauer, Intensität, inhaltliche Ausrichtungen
auf berufliche Fachsprachen richten sich nach der Gesamtkonzeption
des jeweiligen Moduls,
- EDV-Unterricht - verschränkt mit weiteren Inhalten der
Module,
- Informations- und Orientierungseinheiten.
Kontakt Wien:
Elisabeth Freithofer, Integrationshaus Wien, Tel: 01/212 35
20/36, E-Mail: e.freithofer@integrationshaus.at
Sylvia Köchl, Volksstimme
Langfassung eines Artikels aus der Volksstimme 15/
10.April 2003.
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