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Willkürlich und gnadenhalber [Heinz
Fronek, Februar 2003] |
Unterbringung und Betreuung
von AsylwerberInnen in Österreich und im EU-Kontext: Die
Verweigerung der Unterbringung durch die öffentliche Hand
gefährdet ein faires Asylverfahren und schafft soziale
Not.
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Übersicht
Existenzsicherung |
Staaten, die die Konvention über die Rechtsstellung der
Flüchtlinge unterzeichnet haben, sind dazu verpflichtet,
schutzsuchenden Menschen ein faires Asylverfahren zu gewähren.
Die Durchführung eines fairen Asylverfahrens hat sowohl
verfahrensrechtliche Mindestvoraussetzungen als auch die Sicherung
der Grundbedürfnisse der AsylwerberInnen zur Voraussetzung.
Die Sicherung der Grundversorgung ist nicht nur eine humanitäre
Verpflichtung, sondern dient auch dazu sicherzustellen, dass
AsylwerberInnen am Asylverfahren mitwirken zu können. Wenn
AsylwerberInnen keine Unterkunft und folglich keine Meldeadresse
haben, kann ihnen keine Vorladung und kein Bescheid zugestellt
werden. Wenn sie nur bis zur negativen Entscheidung erster Instanz
versorgt und dann auf die Straße gesetzt werden, können
sie eine Berufung nur unter existenzieller Bedrohung einbringen.
Von einem fairen Verfahren kann unter solchen Bedingungen nicht
mehr gesprochen werden.
Die Gesetzeslage
Für mittellose AsylwerberInnen ist demnach vom Aufnahmestaat
zumindest Unterkunft, Nahrung und medizinischer Versorgung für
die gesamte Dauer des Asylverfahrens sicherzustellen. In Österreich
regeln das Bundesbetreuungsgesetz und die Bundesbetreuungsverordnung
die Unterstützung hilfsbedürftiger AsylwerberInnen.
In §1 (3) des Bundesbetreuungsgesetzes wird festgehalten,
dass auf Bundesbetreuung kein Rechtsanspruch besteht. Diese
höchst problematische Bestimmung bedeutet, dass AsylwerberInnen,
die keine staatliche Unterstützung zugesprochen erhalten,
kaum Möglichkeiten haben, sich rechtlich dagegen zur Wehr
zu setzen.
Bei der Bundesbetreuung handelt es sich um existenzielle, in
die Grundrechtssphäre reichende Leistungen der Daseinsvorsorge.
Diese Leistungen betreffen den Kompetenztatbestand des Art 10
Bundesverfassunggesetz, sind jedenfalls eindeutig dem öffentlichen
Recht zuzuordnen und wären demnach in Hoheitsverwaltung
(das heißt unter anderem unter Zusicherung eines Rechtsanspruches)
zu vollziehen. Der Gesetzgeber hat nun diese Materie in die
sog. Privatwirtschaftsverwaltung vergeben und sie daher systemwidrig
dem öffentlich-rechtlichen Rechtsschutz gänzlich entzogen.
Das Grundrecht auf Existenzsicherung ist jedoch durch zahlreiche
gesetzliche Bestimmungen garantiert:
* Art. 3 Menschenrechtskonvention (MRK): Schutzbereich dieses
Grundrechtes ist u. a. die Menschenwürde. Diese ist im
Grundrechtskatalog der österreichischen Bundesverfassung
nicht explizit erwähnt (anders Art. 1 Abs. 1 Bonner Grundgesetz
oder Art. 34 Abs. 3 Charta der Grundrechte der Europäischen
Union), der Verfassungsgerichtshof erkennt sie jedoch als allgemeinen
Wertungsgrundsatz unserer Rechtsordnung an. Es ergibt sich dadurch
für den EMRK-Signatarstaat eine Verpflichtung, existenzbedrohende
Armut ausnahmslos hintanzuhalten (s. auch Frowein/Peukert, Kommentar
zur EMRK, 2 Auflage, S 56). Das Schweizer Bundesgericht hat
dieses Grundrecht explizit anerkannt (BGE 121 I 367).
* Art. 13 Abs. 1 der Europäischen Sozialcharta hält
die Vertragsparteien an sicherzustellen, dass jedem, der nicht
über ausreichende Mittel verfügt und sich diese auch
nicht selbst oder von anderen, insbesondere durch Leistungen
aus einem System der sozialen Sicherheit verschaffen kann, ausreichende
Unterstützung gewährt wird und im Falle der Erkrankung
auch die Betreuung, die seine Lage erfordert.
* Art. 23 der Genfer Flüchtlingskonvention enthält
ebenso eine Verpflichtung zur Gewährung dieser Leistungen
und hat in Österreich einfachgesetzlichen Rang.
Die österreichische Realität Schon in den letzten Jahren wurde von der asylkoordination
Österreich und andern NGOs immer wieder gefordert, dass
alle hilfsbedürftigen AsylwerberInnen bis zum rechtskräftigen
Abschluss des Asylverfahrens ausreichende staatliche Untersützung
erhalten müssen. Die österreichischen Flüchtlingsbetreuungsorganisationen
sind der Ansicht, dass sich eine faire und effektive Aufnahmepolitik
insbesondere an folgenden Grundsätzen orientieren sollte:
1. Hauptziel der Aufnahmepolitik soll die menschenwürdige
und menschenrechtskonforme Behandlung der Asylsuchenden sein.
Im Mittelpunkt sollte daher das eigenverantwortliche Handeln
der AsylwerberInnen stehen und es muss eine Ausgewogenheit
zwischen den Rechten und Verpflichtungen von Schutzsuchenden
geschaffen werden.
2. Die Aufnahmepolitik muss darauf abzielen, den Asylsuchenden
echte Zukunftsaussichten, sei es für die Integration
oder für eine Rückkehr, zu bieten.
3. Die Aufnahmebedingungen müssen im Verhältnis
zur Länge des Asylverfahrens angemessen gestaltet werden,
um den sich ändernden Bedürfnissen der Asylsuchenden
Rechnung zu tragen.
4. Eine funktionierende Aufnahmepolitik setzt eine positive
Einstellung der Gesellschaft voraus, die es zu fördern
gilt.
Wirkung haben diese Appelle in der Vergangenheit freilich
wenig gezeigt, im Gegenteil, im Oktober 2002 hat sich die
Situation für AsylwerberInnen in Österreich erneut
zugespitzt. Die mit 1. Oktober in Kraft getretene Richtlinie
des Innenministeriums regelt die Aufnahme von AsylwerberInnen
in die Bundesbetreuung. Menschen aus bestimmten Ländern
wird Unterstützung aus Mitteln der Bundesbetreuung nun
grundsätzlich versagt. Verstärkter Druck wird auf
Personen ausgeübt, die nach Ansicht des Innenministeriums
keine Chance auf eine positive Erledigung des Asylverfahrens
haben. Sie sollen ihren Asylantrag zurückziehen und so
rasch wie möglich in ihre Herkunftsländer zurückkehren.
Unterschieden wird in der umstrittenen Richtlinie zwischen
"absoluten" und "relativen" Ausschlussgründen,
die einer Aufnahme in die Bundesbetreuung entgegenstehen.
Betroffen davon sind Staatsangehörige eines EWR-Mitgliedsstaates,
der Schweiz, der USA, Kanadas, Japans, Australiens und Neuseelands.
Weiters gilt dies für Angehörige eines Staates,
mit dem Verhandlungen über einen EU-Beitritt bereits
stattfinden (Polen, Tschechien, Slowakei, Ungarn, Slowenien,
Rumänien, Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen, Zypern,
Malta). Außerdem fallen darunter russische, armenische,
türkische, georgische, aserbaidschanische, mazedonische,
jugoslawische und nigerianische Staatsangehörige, sobald
der Asylantrag in erster Instanz ab- oder zurückgewiesen
worden ist. Ausgenommen davon sind jedoch SerbInnen aus dem
Kosovo sowie TschetschenInnen und KurdInnen aus der Türkei.
AsylwerberInnen mit einem absoluten Ausschlussgrund können
nur dann vorübergehend in die Bundesbetreuung aufgenommen
werden, "wenn sie auf Grund ihres körperlichen Zustandes
besonders hilfsbedürftig sind".
AsylwerberInnen mit einem relativen Ausschlussgrund können
nur dann in die Bundesbetreuung aufgenommen werden, wenn die
Aufnahme "aus besonderen Gründen für die Sicherung
eines effizienten Asylverfahrens erforderlich oder deshalb
geboten" ist, weil der/die AsylwerberIn (zum Beispiel
als unbegleiteteR MinderjährigeR) "besonders schutzbedürftig"
ist. Darunter fallen Personen, die nur durch eigene Angaben
an der Feststellung der Identität mitwirken können.
Relative Ausschließungsgründe gelten insbesondere
für Indien, Pakistan, Bangladesch, Bosnien, Kroatien,
Mazedonien, BR Jugoslawien (ausgenommen SerbInnen aus dem
Kosovo), Albanien, Armenien, Georgien, Russland (ausgenommen
Tschetschenien) und die Türkei (ausgenommen KurdInnen).
Die Verurteilung in Österreich zu einer Freiheitsstrafe
ist ein absoluter, der Verdacht auf die Begehung einer strafbaren
Handlung, die in Österreich mit Freiheitsstrafe bedroht
ist, ein relativer Ausschlussgrund. Zur Entlassung aus der
Bundesbetreuung führt auch die Ausübung von sogenannter
Schwarzarbeit.
Mit der Richtlinie liegen erstmals jene Kriterien am Tisch,
die AsylwerberInnen von der staatlichen Unterstützung
ausschließen. Recht von Innenministers Gnaden Die Notwendigkeit der Erlassung einer derartigen Richtlinie
wurde vom Innenministerium mit der hohen Zahl von AsylwerberInnen
gerechtfertigt, 2002 brachten 37.000 Menschen in Österreich
einen Asylantrag ein. Im Kernbereich der Menschenrechte sind
budgetäre Argumente allerdings nicht zulässig. Das
UNHCR kritisierte in der Vergangenheit schon mehrmals, dass
die Bundesbetreuung in Österreich einem Gnadenrecht gleichkomme,
die Kriterien für die Aufnahme willkürlich und nicht
nachvollziehbar seien.
Zeitgleich mit der Richtlinie zur Bundesbetreuung wurde der
Zugang von AsylwerberInnen zum Arbeitsmarkt, der schon bis
dahin nur in seltenen Fällen möglich war, weiter
eingeschränkt. Das Arbeitsmarktservice wurde angewiesen,
für AsylwerberInnen ohne Bundesbetreuung keine Beschäftigungsbewilligungen
mehr zu erteilen. Flüchtlinge, die keine staatliche Unterstützung
erhalten, werden damit jeglicher Chance beraubt, sich durch
legale Arbeit selbst durchzubringen. Der massive Druck, der
auf diese Menschen ausgeübt wird, zwingt viele, Österreich
so schnell wie möglich zu verlassen.
Ob jemand Flüchtling im Sinne der Genfer Konvention ist,
ist aber in einem ordentlichen und fairen Verfahren zu klären
und nicht zu deklarieren. Ein Ausschluss von der staatlichen
Unterstützung allein aufgrund der Herkunft ist menschenrechtswidrig
und mit der Genfer Flüchtlingskonvention nicht zu vereinbaren.
Ebenso unvereinbar ist die Richtlinie des Innenministeriums
mit der am 27. 1. 03 vom EG-Rat beschlossenen Richtlinie zur
Festlegung der Mindestnormen für die Aufnahme von AsylwerberInnen
in den Mitgliedsstaaten. Diese EU-Richtlinie, die auch vom
österreichischen Innenminister mitbeschlossen und ausdrücklich
begrüßt wurde, garantiert allen AsylwerberInnen
die Absicherung der Grundbedürfnisse. Die Umsetzung der
Bestimmungen kann das Ministerium aber noch bis 6. 2. 2005
hinauszögern, erst dann müssen die Bestimmungen
im nationalen Recht Umsetzung finden.
Letzte Woche wurde in Großbritannien ein interessantes
Urteil zum Thema Existenzsicherung für Flüchtlinge
gefällt. Innenminister David Blunkett hatte in einer
Asylrechtsreform AsylwerberInnen, die nicht unmittelbar nach
ihrer Ankunft in Großbritannien einen Asylantrag stellen,
von der Bundesbetreuung ausgeschlossen. FlüchtlingshelferInnen
argumentieren jedoch, dass viele Asylsuchende so traumatisiert
und verstört seien, dass es ihnen schwer falle, sofort
nach ihrer Ankunft an einer Einvernahme über ihre Fluchtgründe
teilzunehmen. Sechs AsylwerberInnen haben nun dagegen geklagt
und Recht bekommen. Der Richter begründete sein Urteil,
das positive Folgen für mindestens weitere 200 ähnliche
Fälle haben könnte, mit der Europäischen Menschenrechtskonvention.
Heinz Fronek, asylkoordination,
Mitarbeit: Sylvia Köchl, Volksstimme
Langfassung des Textes in der Volksstimme 09/ 27. Februar
2003.
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