Die Dublin II Verordnung, mit der die Zuständigkeit für Asylverfahren in der EU geregelt wird, ist nicht unumstritten. Der Europäische Flüchtlingsrat ECRE, ein Zusammenschluß von 63 Flüchtlings-NGOs, zeigt in seinem heute in Brüssel präsentiertem Hintergrundpapier "Verantwortung für den Flüchtlingsschutz in Europa teilen: Dublin hinterfragt" zahlreiche Unzulänglichkeiten auf.
Österreich hat vor allem seit dem Fremdenrechtspaket 2005 die Behandlung sogenannter Dublin-Fälle massiv verschärft. Die Zuständigkeitsklärung zwischen den EU-Staaten läuft zwar etwas rascher als noch vor ein paar Jahren, sonst fällt die Beurteilung dieses europäischen Systems der Flüchtlingsverteilung eher negativ aus. Die Praxis der EU-Staaten bei der Aufnahme von Flüchtlingen und der Schutzgewährung ist so unterschiedlich, dass ECRE von einer "Asyllotterie" spricht. Wenn in Österreich Flüchtlingen, die über einen anderen EU-Staat in die Europäische Union eingereist sind, vom Innenminister vorgeworfen wird, sie würden das Asylsystem mißbrauchen, so ignoriert er die Tatsache, dass es kein einheitliches europäisches Asylsystem gibt und die Chancen auf Gewährung des internationalen Schutzes in Österreich wesentlich höher liegen als in Ländern wie beispielsweise der Slowakei, Polen oder Griechenland, kritisiert Anny Knapp von der asylkoordination. Es ist
geradezu absurd, einem Flüchtling Mißbrauch zu unterstellen, obwohl er nichts anderes will, als den Schutz zu erhalten, der ihm nach internationalem Recht zukommt oder dort, wo bereits Familienangehörige leben.
Die Inhaftierung von Asylsuchenden wird von immer mehr Staaten eingesetzt, um Asylwerber in den zuständigen Staat zu überstellen, kritisierte die Europäische Kommission in ihrem Evaluationsbericht des Dublin-Systems. In Österreich wurde diese Praxis seit der letzten Fremdenrechtsänderung sogar noch verschärft, die Inhaftierung erfolgt systematisch gleich nach der Einreise, nicht erst dann, wenn die Zuständigkeit zwischen den EU-Staaten bereits geklärt wurde.
Ein Beispiel unter Tausenden, die unter die Dublin-Regelungen fielen und inhaftiert wurden, ist das einer 19-jährigen Mongolin, die auf der Flucht von ihrem Bruder getrennt wurde. In Prag, wo sie auf ein Visum warten sollte, wurde sie vom Schlepper zur Prostitution gezwungen, mißhandelt und mehrmals vergewaltigt. Es gelang ihr zu flüchten und nach Wien zu kommen. Ihre Eltern und ein jüngerer Bruder leben als Asylwerber in Österreich. Ihr Vater brachte sie nach Traiskirchen. Nach vier Monaten erfährt sie, dass sie nach Tschechien zurückgebracht werden soll und wird ins Polizeianhaltezentrum Roßauer Lände gebracht Nach vier Tagen gelingt es den Eltern herauszufinden, dass ihre Tochter inhaftiert ist.
Sie organisieren rechtliche Hilfe und nach einem Monat wird die Asylwerberin entlassen, weil der Berufung aufschiebende Wirkung zugesprochen wurde. Schließlich wird auch das Asylverfahren in Österreich zugelassen. Um als Familienangehörige im Sinne der Dublin-Verordnung Anspruch auf Familienzusammenführung zu haben, war sie bereits zu alt. Bei volljährigen Kindern kann zwar auch aus humanitären Gründen ein Staat die Verantwortung für die Prüfung des Asylantrags übernehmen, diese Klausel wird in vielen Staaten aber nicht angewandt.
Die besonders schwierige Situation der traumatisierten Jugendlichen wurde nicht berücksichtigt, weder bei der Zuständigkeitsklärung des Bundesasylamtes mit den tschechischen Behörden, noch bei der Anordnung der Haft. Von der Schubhaftbetreuerin des Vereins Menschenrechte Österreich wurde ihr sogar geraten, keine Berufung zu machen und sich mit der Abschiebung abzufinden.
Zur weiteren Information finden Sie hier den ECRE Bericht "Sharing Responsibility for
Refugee Protection in Europa: Dublin Reconsidered" (Download, .pdf) sowie die
Presseaussendung von ECRE (Download, .pdf).
Asylkoordination österreich ist Mitglied von ECRE.
Rückfragen richten Sie bitte an:
Anny Knapp
01-5321291-15
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