Der Weltflüchtlingstag muss ab jetzt zum Kampftag werden
(Wien, 19. Juni 2020)
„Die Erosion der Geltung und Durchsetzung des Asylrechts erleben wir seit Jahren – die Dimensionen allerdings, die wir in den letzten Monaten beobachten müssen, die sind neu“, fasst Lukas Gahleitner-Gertz, Sprecher der asylkoordination österreich, die beunruhigenden Entwicklungen im Bereich der europäischen und österreichischen Asylpolitik zusammen.
In den vergangenen Monaten wurde nicht nur an den EU-Außengrenzen scharf geschossen, es wurden auch Flüchtlinge am Anlanden gehindert, im Meer ausgesetzt und ins Bürgerkriegsland Libyen zurückgebracht. Österreich verweigert jede Verantwortung für eine Lösung der Probleme der Flüchtlinge und Erstaufnahmeländer. Der Kanzler verkündet, dass sich seine Ablehnung der Aufnahme von Kinderflüchtlingen verhärtet habe, der Innenminister will Schutzsuchende nicht ohne Gesundheitszertifikat nach Österreich einreisen lassen.
„Es geht an die Grundfesten des Asylrechts, schöne Reden reichen nicht mehr: Der Weltflüchtlingstag muss ab jetzt zum Kampftag werden!“ so Gahleitner-Gertz.
 
Probleme wurden sichtbar
Die Covid-19 Krise hat auch bestehende Unzulänglichkeiten im österreichischen Asylsystem sichtbar gemacht. Wie problematisch die monatelange unfreiwillige Unterbringung in Großquartieren wie dem Lager Traiskirchen ist, zeigte sich mit dem ersten Auftreten des Virus. Etwa 500 Menschen wurden – zwei Mal hintereinander –im Lager Traiskirchen unter Quarantäne gestellt, anstatt sie, wie von der asylkoordination mehrfach gefordert, in eines der zahlreichen leerstehenden Quartiere zu verlegen.
Das System der Schubhaft entwickelt sich zusehends zur Black Box. Nur der guten Vernetzung der asylkoordination, zivilgesellschaftlicher Organisationen und unzähliger Freiwilliger ist es zu verdanken, dass Missstände in diesem Bereich bekannt werden. So wurden Menschen in den Monaten der Pandemie nicht aus der Schubhaft entlassen, obwohl vollkommen unklar ist, ob und wann es wieder zu Abschiebungen kommen kann.
 
Staatliche Desinformation
Seit Jahren machen NGOs auf die unzulängliche Information von Asylsuchenden aufmerksam und versuchen diese aktiv zu verbessern. Hier wurden wieder einmal die Inkompetenz und der Unwille der Verantwortlichen, allen voran von Ministerin Susanne Raab, deutlich. Der parastaatliche, ÖVP-nahe Integrationsfond (ÖIF) informierte schutzsuchende Personen und Schutzberechtigte nachweislich und explizit falsch über die Ausgangsbestimmungen während der ersten Phase der Corona-Pandemie. „Anstatt sich über den internationalen Stand der Diskussion zu Integration und Mehrsprachigkeit zu informieren, schwadroniert die Ministerin von Parallelgesellschaften und faktenwidrig von ‚signifikant vielen Fällen in Flüchtlingsheimen der Stadt Wien’“, kritisiert Gahletner-Gertz das parteipolitisch motivierte Agieren von Susanne Raab.
 
Unterstützung der Zivilgesellschaft
„Die Zivilgesellschaft hat bei der Bewältigung der humanitären Krise 2015/16 Außerordentliches geleistet. Sie verdient Anerkennung und benötigt mehr Unterstützung“, fordert Gahleitner-Gertz. „Wir werden die Regierung mit ihrer Ankündigung, die Zivilgesellschaft zu fördern, beim Wort nehmen und wollen endlich Taten sehen.“  
Vor allem die Kontrolle der zukünftigen Rechtsberatung durch die verstaatlichte BBU GmbH ab nächstem Jahr und das Aufrechterhalten einer unabhängigen Rechtsberatung durch die fachlich versierten zivilgesellschaftlichen Organisationen wird im kommenden Jahr eine große Aufgabe.
Dafür wird die Zusammenarbeit der verschiedenen zivilgesellschaftlichen Kräfte in Österreich verstärkt werden: „Wir müssen gemeinsam dafür sorgen, dass auch in Zukunft alle Asylwerber*innen Zugang zu einer unabhängigen Rechtsberatung bekommen. Wir müssen durchsetzen, dass Österreich seine Verantwortung gegenüber Schutzsuchenden an den EU-Außengrenzen wahrnimmt. Wir müssen den strukturellen Rassismus in Österreich bekämpfen und mit allen Beteiligten an einer Verbesserung der Chancen für Geflüchtete in diesem Land arbeiten,“ umreißt Gahleitner-Gertz die Herausforderungen für die asylkoordination und ihre Partner-Organisationen anlässlich des Weltflüchtlingstages.
 

 
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