PRESSEAUSSENDUNGEN
Gericht bestätigt systematische Menschenrechts-
verletzungen durch österreichische Polizei
verletzungen durch österreichische Polizei
Rückfragehinweis:
Lukas Gahleitner-Gertz, asylkoordination, 0650 3163440
Monika Mokre, Push Back Alarm, 0699 15068271
Aus dem Erkenntnis:
"Das hörbare Verlangen nach Asyl – dies hat der Beschwerdeführer mehrmals während der Amtshandlung geäußert – wurde negiert. Ein Dolmetscher wurde nicht beigezogen.
(...)
Die Handlungen der einschreitenden Polizeibeamten waren zielgerichtet auf die Zurückweisung des Beschwerdeführers ausgerichtet und ist für eine andere Interpretation kein Spielraum vorhanden.
(...)
Ein Essen wurde dem Beschwerdeführer trotz Verlangen von Seite der aufgegriffenen Personen nicht gegeben bzw. ein derartiges Verlangen wurde
aufgrund der Sprachschwierigkeiten nicht verstanden. Aber auch ohne derartiges Verlangen wäre es im Sinne einer humanitären Behandlung, den Aufgegriffenen
– die sicherlich knapp 12 Stunden unterwegs waren – eine Verpflegung zur Verfügung zu stellen.
(...)
In Zusammenschau der gesamten Amtshandlung kommt das Gericht zum Schluss, dass eine offensichtliche Voreingenommenheit der Sicherheitsorgane gegenüber
dem Beschwerdeführer vorlag, da die körperliche Durchsuchung unverhältnismäßig war, keine Verpflegung gereicht wurde und die Beiziehung eines Dolmetschers trotz
evidenter Sprachschwierigkeiten und der Verwendung des Wortes „Asyl“
unterblieben ist.
(...)
Die in der Grenzkontrollstelle Sicheldorf anwesenden Sicherheitsorgane hätten jedenfalls das hörbare Verlangen nach Asyl wahrnehmen müssen."
Lukas Gahleitner-Gertz, asylkoordination, 0650 3163440
Monika Mokre, Push Back Alarm, 0699 15068271
Aus dem Erkenntnis:
"Das hörbare Verlangen nach Asyl – dies hat der Beschwerdeführer mehrmals während der Amtshandlung geäußert – wurde negiert. Ein Dolmetscher wurde nicht beigezogen.
(...)
Die Handlungen der einschreitenden Polizeibeamten waren zielgerichtet auf die Zurückweisung des Beschwerdeführers ausgerichtet und ist für eine andere Interpretation kein Spielraum vorhanden.
(...)
Ein Essen wurde dem Beschwerdeführer trotz Verlangen von Seite der aufgegriffenen Personen nicht gegeben bzw. ein derartiges Verlangen wurde
aufgrund der Sprachschwierigkeiten nicht verstanden. Aber auch ohne derartiges Verlangen wäre es im Sinne einer humanitären Behandlung, den Aufgegriffenen
– die sicherlich knapp 12 Stunden unterwegs waren – eine Verpflegung zur Verfügung zu stellen.
(...)
In Zusammenschau der gesamten Amtshandlung kommt das Gericht zum Schluss, dass eine offensichtliche Voreingenommenheit der Sicherheitsorgane gegenüber
dem Beschwerdeführer vorlag, da die körperliche Durchsuchung unverhältnismäßig war, keine Verpflegung gereicht wurde und die Beiziehung eines Dolmetschers trotz
evidenter Sprachschwierigkeiten und der Verwendung des Wortes „Asyl“
unterblieben ist.
(...)
Die in der Grenzkontrollstelle Sicheldorf anwesenden Sicherheitsorgane hätten jedenfalls das hörbare Verlangen nach Asyl wahrnehmen müssen."
(Wien, 5. Juli 2021) Ein heute veröffentlichtes Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark (ENGLISH TRANSLATION) schlägt ein wie eine Bombe: Das unabhängige Gericht kommt nach intensiver Beweisaufnahme zum Schluss, dass illegale Zurückweisungen – sogenannte „Push-Backs“ – in Österreich „teilweise methodische Anwendung finden.“
Ayoub N. wurde am 28. September 2020 gemeinsam mit sieben anderen Menschen in der Südsteiermark von der Polizei aufgegriffen. Nach einer regelrechten Menschenjagd wurde die Gruppe in Gewahrsam genommen.
Entwürdigende Behandlung
Die wiederholten Ansuchen um Asyl wurden von der Polizei rechtswidrig ignoriert. Doch nicht nur das: N. wurde anlasslos gezwungen sich zu entkleiden und niederzuknien. Diese entwürdigende Behandlung beurteilte das Gericht als Verletzung der Menschenwürde.
Der Fall wurde von der Initiative Push Back Alarm Austria dokumentiert. Mit Unterstützung der asylkoordination österreich und RA Clemens Lahner wurde gegen das Vorgehen eine Maßnahmen- und Richtlinienbeschwerde eingebracht. Beiden wurde nun vollinhaltlich stattgegeben.
Der Beschwerdeführer Ayoub N. darf aufgrund einer Rechtslücke trotz gerichtlicher Feststellung, dass seine Rechte missachtet wurden, nicht einreisen: „Ich war zuversichtlich, dass wir den Fall gewinnen werden. Nach meiner Rückkehr nach Bosnien fühlte ich mich wie zertrümmertes Glas. Im Moment versuche ich mein Leben zu ordnen und voranzukommen.“
Nehammer rücktrittsreif
„Der Fisch stinkt vom Kopf her,“ hält der Sprecher der asylkoordination österreich, Lukas Gahleitner-Gertz, fest. „Wir reden von systematischen Menschenrechtsverletzungen, menschenunwürdiger Behandlung und Ignorieren rechtsstaatlicher Grundsätze durch die Polizei in Österreich. Es ist vollkommen unglaubwürdig, dass das ohne Wissen und Wollen des Innenministers, und seines Beamt*innenapparats stattfindet. Wenn jemand die Genfer Flüchtlingskonvention, eine der größten Lehren aus der Shoah in Frage stellt und gleichzeitig nicht konsequent gegen systematische Menschenrechtsverletzungen durch die Polizei vorgeht, bleibt nur der Rücktritt!“
Rechtsanwalt Clemens Lahner sieht das Erkenntnis als deutliche Mahnung an das Innenministerium, die systematische Missachtung des Rechtsstaats schleunigst abzustellen: „Nicht jeder Mensch, der in Österreich Asyl beantragt, bekommt automatisch ein inhaltliches Asylverfahren oder Schutzgewährung. Aber diese Fragen sind von den zuständigen Behörden bzw. Gerichten zu prüfen und zu entscheiden,“ stellt der Anwalt klar. „Wenn sich die Polizei anmaßt, zu entscheiden, wer überhaupt ein Asylverfahren bekommt, dann ist das illegal. Das hat das Innenministerium jetzt auch schwarz auf weiß, im Namen der Republik.”
Klaudia Wieser von Push-Back Alarm Austria sagt. „Dieser Fall zeigt die Notwendigkeit unserer Initiative, um systematische Gesetzesbrüche an den österreichischen Grenzen zu verhindern. Häufig stellen die österreichischen Push-Backs den ersten Schritt von Ketten-PushBacks bis über die EU-Außengrenzen hinaus dar. Sebastian Kurz ist der Spiritus Rector des systematischen Menschenrechtsbruchs auf der Push-back-Route nach Bosnien.“
Slowenische Ratspräsidentschaft unter Druck
Das Erkenntnis aus Graz setzt auch die slowenische Regierung unter der eben begonnen EU-Ratspräsidentschaft gehörig unter Druck: Es konnte erstmalig in einem Gerichtverfahren belegt werden, was Menschenrechtsorganisationen wie das Border Violence Monitoring Network seit 2016 dokumentieren: eine durchgehende Pushbackroute über Österreich bzw. Italien über Slowenien und Kroatien bis Bosnien.
Univ.-Prof. Dr. Benedek (Institut für Völkerrecht und Internationale Beziehungen) von der Universität Graz, der den Prozess beobachtet hat, ist die Entscheidung „höchst bemerkenswert“: „Das Gericht hat eine sorgfältige Prüfung durchgeführt. Die festgestellte Praxis ist klar völkerrechtswidrig. Vor einer Zurückweisung oder Abschiebung sind die Gründe der Genfer Flüchtlingskonvention in einem Verfahren zu prüfen.“
Ayoub N. wurde am 28. September 2020 gemeinsam mit sieben anderen Menschen in der Südsteiermark von der Polizei aufgegriffen. Nach einer regelrechten Menschenjagd wurde die Gruppe in Gewahrsam genommen.
Entwürdigende Behandlung
Die wiederholten Ansuchen um Asyl wurden von der Polizei rechtswidrig ignoriert. Doch nicht nur das: N. wurde anlasslos gezwungen sich zu entkleiden und niederzuknien. Diese entwürdigende Behandlung beurteilte das Gericht als Verletzung der Menschenwürde.
Der Fall wurde von der Initiative Push Back Alarm Austria dokumentiert. Mit Unterstützung der asylkoordination österreich und RA Clemens Lahner wurde gegen das Vorgehen eine Maßnahmen- und Richtlinienbeschwerde eingebracht. Beiden wurde nun vollinhaltlich stattgegeben.
Der Beschwerdeführer Ayoub N. darf aufgrund einer Rechtslücke trotz gerichtlicher Feststellung, dass seine Rechte missachtet wurden, nicht einreisen: „Ich war zuversichtlich, dass wir den Fall gewinnen werden. Nach meiner Rückkehr nach Bosnien fühlte ich mich wie zertrümmertes Glas. Im Moment versuche ich mein Leben zu ordnen und voranzukommen.“
Nehammer rücktrittsreif
„Der Fisch stinkt vom Kopf her,“ hält der Sprecher der asylkoordination österreich, Lukas Gahleitner-Gertz, fest. „Wir reden von systematischen Menschenrechtsverletzungen, menschenunwürdiger Behandlung und Ignorieren rechtsstaatlicher Grundsätze durch die Polizei in Österreich. Es ist vollkommen unglaubwürdig, dass das ohne Wissen und Wollen des Innenministers, und seines Beamt*innenapparats stattfindet. Wenn jemand die Genfer Flüchtlingskonvention, eine der größten Lehren aus der Shoah in Frage stellt und gleichzeitig nicht konsequent gegen systematische Menschenrechtsverletzungen durch die Polizei vorgeht, bleibt nur der Rücktritt!“
Rechtsanwalt Clemens Lahner sieht das Erkenntnis als deutliche Mahnung an das Innenministerium, die systematische Missachtung des Rechtsstaats schleunigst abzustellen: „Nicht jeder Mensch, der in Österreich Asyl beantragt, bekommt automatisch ein inhaltliches Asylverfahren oder Schutzgewährung. Aber diese Fragen sind von den zuständigen Behörden bzw. Gerichten zu prüfen und zu entscheiden,“ stellt der Anwalt klar. „Wenn sich die Polizei anmaßt, zu entscheiden, wer überhaupt ein Asylverfahren bekommt, dann ist das illegal. Das hat das Innenministerium jetzt auch schwarz auf weiß, im Namen der Republik.”
Klaudia Wieser von Push-Back Alarm Austria sagt. „Dieser Fall zeigt die Notwendigkeit unserer Initiative, um systematische Gesetzesbrüche an den österreichischen Grenzen zu verhindern. Häufig stellen die österreichischen Push-Backs den ersten Schritt von Ketten-PushBacks bis über die EU-Außengrenzen hinaus dar. Sebastian Kurz ist der Spiritus Rector des systematischen Menschenrechtsbruchs auf der Push-back-Route nach Bosnien.“
Slowenische Ratspräsidentschaft unter Druck
Das Erkenntnis aus Graz setzt auch die slowenische Regierung unter der eben begonnen EU-Ratspräsidentschaft gehörig unter Druck: Es konnte erstmalig in einem Gerichtverfahren belegt werden, was Menschenrechtsorganisationen wie das Border Violence Monitoring Network seit 2016 dokumentieren: eine durchgehende Pushbackroute über Österreich bzw. Italien über Slowenien und Kroatien bis Bosnien.
Univ.-Prof. Dr. Benedek (Institut für Völkerrecht und Internationale Beziehungen) von der Universität Graz, der den Prozess beobachtet hat, ist die Entscheidung „höchst bemerkenswert“: „Das Gericht hat eine sorgfältige Prüfung durchgeführt. Die festgestellte Praxis ist klar völkerrechtswidrig. Vor einer Zurückweisung oder Abschiebung sind die Gründe der Genfer Flüchtlingskonvention in einem Verfahren zu prüfen.“