PRESSEAUSSENDUNGEN
Schutzansuchen von verfolgtem minderjährigem Somali ignoriert
asylkoordination: Illegale Pushbackroute des Innenministeriums am Balkan muss sofort geschlossen werden
An einem frühen Sonntagmorgen im Juli 2021 fragte Amin, ein Jugendlicher aus dem Bürgerkriegsland Somalia, im südsteirischen Bad Radkersburg nach einer Polizeistation, um einen Asylantrag zu stellen. Die Beamten, auf die er und fünf weitere Personen trafen, ignorierten das Schutzansuchen nicht nur, sondern führten noch am selben Vormittag eine illegale Zurückweisung des Minderjährigen nach Slowenien durch.
Die Entscheidung des Landesverwaltungsgericht Steiermark vom 16. Februar 2022 ist an Deutlichkeit nicht zu überbieten: „Die Zurückweisung des Beschwerdeführers […] war daher in gröblicher Außerachtlassung des faktischen Abschiebeschutzes rechtswidrig. (…) Durch die Vorgangsweise der Sicherheitsorgane wurde dem Beschwerdeführer ein fundamentales Recht auf Einleitung eines Asylverfahrens und damit eines Abschiebeschutzes genommen.“
Methodischer Rechtsbruch
Im Juli 2021 – nur drei Wochen vor diesem Push-Back – wurde bereits in einem weiteren von der Initiative Push-Back Alarm Austria und asylkoordination österreich unterstützten Fall gerichtlich festgestellt, dass rechtswidrige „Push-backs“ in Österreich „teilweise methodisch Anwendung finden.“ Die Annahme, dass die österreichische Polizei hier systematisch rechtswidrig handelt, wird durch die jetzige Entscheidung bestätigt.
„Die Entscheidung ist ein Paukenschlag, der nicht ohne Folgen bleiben darf: Beim ersten Fall hat das Innenministerium noch alle Verantwortung negiert und auf die Landespolizeidirektion Steiermark verwiesen. Der damalige Innenminister Nehammer und das Innenministerium können sich jetzt nicht mehr rausschummeln: Die neuerliche gerichtliche Bestätigung der illegalen Pushbackroute ist entweder ein eiskalt kalkulierter Rechtsbruch oder systemisches Führungsversagen,“ fordert der Sprecher der asylkoordination österreich, Lukas Gahleitner-Gertz, politische Konsequenzen.
Betroffene müssen gehört werden
Die Initiative Push-Back Alarm Austria, die den Fall penibel dokumentiert hat, sieht sich in ihrer Arbeit bestätigt: „Überlebende von Push-Backs sind keine ,Dunkelziffern‘, ihre Stimmen müssen gehört werden. Unsere grenzüberschreitende Zusammenarbeit mit anderen Initiativen wird auch weiter darauf fokussieren, Betroffene bei menschenrechtswidrigen Handlungen der österreichischen Behörden zu unterstützen.”
Der Betroffene des rechtswidrigen Push-Backs Amin, der mittlerweile in Slowenien Asyl erhalten hat, ist erfreut: „Diesen Fall haben wir nicht nur für mich oder meine Gruppe gewonnen, sondern für die vielen anderen Menschen, die unter Polizeiwillkür und ungerechte Behandlung an der Grenze gelitten haben und leiden. Dieser Fall wurde für die vielen Menschen gewonnen, deren Hoffnungen vollständig zerstört wurde.“
Rechtsanwalt Clemens Lahner, der den Jugendlichen vertreten hat, sieht in der Entscheidung einen klaren Handlungsauftrag: „Die Behauptung des Innenministeriums, dass es keine Push-Backs in Österreich gibt, ist nicht mehr haltbar. Das Beweisverfahren hat klar ergeben, dass die gesamte Amtshandlung offensichtlich darauf abgestimmt war, dass keiner der Beamt*innen den Beschwerdeführer danach fragte, warum er denn eine Polizeistation gesucht hat. Es braucht hier eine klare Handlungsanleitung für die Beamt*innen und Konsequenzen für jene, die sich nicht daran halten.“
Europaweites Muster durchbrechen
Der internationale Menschenrechtsdachverband, Border Violence Monitoring Network sieht in der Entscheidung die neuerlicheBestätigung der Existenz einer illegalen Pushbackroute am Balkan. Milena Zajović, Sprecherin des BVMN: „Dieser österreichische Gerichtsentscheid zeigt – nach ähnlichen Urteilen in Slowenien und Italien – auf, dass es ein systematisches Muster von Menschenrechtsverletzungen an den europäischen Grenzen gibt. Wir wünschen uns, dass Österreich aus diesem Muster ausbricht und die Rückweisungen nach Slowenien aussetzt. Dies wäre ein konkreter Schritt um Kettenpushbacks und Folter an der kroatischen Grenze zu beenden.”
Die Initiative Push-Back Alarm Austria und asylkoordination österreich fordern die sofortige Umsetzung folgender Maßnahmen:
· Sofortige Einleitung von Disziplinarverfahren gegen alle Beamt*innen, die entweder durch Weisungen oder durch die konkrete Amtshandlung zur rechtswidrigen Rückweisung beigetragen haben.
· Gesetzliche Einführung einer Wiedergutmachung für Pushback-Überlebende in Form eine gesetzlichen Anspruchs auf Wiedereinreise und finanzielle Entschädigung.
· Schaffung eines unabhängigen zivilgesellschaftlichen Monitoringmechanismus für jene Grenzgebiete, in denen Aufgriffe von Personen regelmäßig zu Rückweisungen führen.
· Die verpflichtende Anwendung eines Fragenkatalogs bei Aufgriffen von Personen im Grenzgebiet, der die Frage beinhaltet, ob um ein Asylansuchen gestellt wird
· Verpflichtende Beiziehung von professionellen Dolmetscher*innen für alle Amtshandlungen in Grenznähe.
· Sofortiger Stopp aller Rückweisungen nach Slowenien nach Aufgriffen im Grenzgebiet aufgrund der nunmehr auch vom LVwG bestätigten Gefahr gewaltsamer Kettenpushbacks, die laut der jüngsten Gerichtsentscheidung per se eine Verletzung der in Österreich im Verfassungsrang verankerten Europäischen Menschenrechtskonvention darstellen.
An einem frühen Sonntagmorgen im Juli 2021 fragte Amin, ein Jugendlicher aus dem Bürgerkriegsland Somalia, im südsteirischen Bad Radkersburg nach einer Polizeistation, um einen Asylantrag zu stellen. Die Beamten, auf die er und fünf weitere Personen trafen, ignorierten das Schutzansuchen nicht nur, sondern führten noch am selben Vormittag eine illegale Zurückweisung des Minderjährigen nach Slowenien durch.
Die Entscheidung des Landesverwaltungsgericht Steiermark vom 16. Februar 2022 ist an Deutlichkeit nicht zu überbieten: „Die Zurückweisung des Beschwerdeführers […] war daher in gröblicher Außerachtlassung des faktischen Abschiebeschutzes rechtswidrig. (…) Durch die Vorgangsweise der Sicherheitsorgane wurde dem Beschwerdeführer ein fundamentales Recht auf Einleitung eines Asylverfahrens und damit eines Abschiebeschutzes genommen.“
Methodischer Rechtsbruch
Im Juli 2021 – nur drei Wochen vor diesem Push-Back – wurde bereits in einem weiteren von der Initiative Push-Back Alarm Austria und asylkoordination österreich unterstützten Fall gerichtlich festgestellt, dass rechtswidrige „Push-backs“ in Österreich „teilweise methodisch Anwendung finden.“ Die Annahme, dass die österreichische Polizei hier systematisch rechtswidrig handelt, wird durch die jetzige Entscheidung bestätigt.
„Die Entscheidung ist ein Paukenschlag, der nicht ohne Folgen bleiben darf: Beim ersten Fall hat das Innenministerium noch alle Verantwortung negiert und auf die Landespolizeidirektion Steiermark verwiesen. Der damalige Innenminister Nehammer und das Innenministerium können sich jetzt nicht mehr rausschummeln: Die neuerliche gerichtliche Bestätigung der illegalen Pushbackroute ist entweder ein eiskalt kalkulierter Rechtsbruch oder systemisches Führungsversagen,“ fordert der Sprecher der asylkoordination österreich, Lukas Gahleitner-Gertz, politische Konsequenzen.
Betroffene müssen gehört werden
Die Initiative Push-Back Alarm Austria, die den Fall penibel dokumentiert hat, sieht sich in ihrer Arbeit bestätigt: „Überlebende von Push-Backs sind keine ,Dunkelziffern‘, ihre Stimmen müssen gehört werden. Unsere grenzüberschreitende Zusammenarbeit mit anderen Initiativen wird auch weiter darauf fokussieren, Betroffene bei menschenrechtswidrigen Handlungen der österreichischen Behörden zu unterstützen.”
Der Betroffene des rechtswidrigen Push-Backs Amin, der mittlerweile in Slowenien Asyl erhalten hat, ist erfreut: „Diesen Fall haben wir nicht nur für mich oder meine Gruppe gewonnen, sondern für die vielen anderen Menschen, die unter Polizeiwillkür und ungerechte Behandlung an der Grenze gelitten haben und leiden. Dieser Fall wurde für die vielen Menschen gewonnen, deren Hoffnungen vollständig zerstört wurde.“
Rechtsanwalt Clemens Lahner, der den Jugendlichen vertreten hat, sieht in der Entscheidung einen klaren Handlungsauftrag: „Die Behauptung des Innenministeriums, dass es keine Push-Backs in Österreich gibt, ist nicht mehr haltbar. Das Beweisverfahren hat klar ergeben, dass die gesamte Amtshandlung offensichtlich darauf abgestimmt war, dass keiner der Beamt*innen den Beschwerdeführer danach fragte, warum er denn eine Polizeistation gesucht hat. Es braucht hier eine klare Handlungsanleitung für die Beamt*innen und Konsequenzen für jene, die sich nicht daran halten.“
Europaweites Muster durchbrechen
Der internationale Menschenrechtsdachverband, Border Violence Monitoring Network sieht in der Entscheidung die neuerlicheBestätigung der Existenz einer illegalen Pushbackroute am Balkan. Milena Zajović, Sprecherin des BVMN: „Dieser österreichische Gerichtsentscheid zeigt – nach ähnlichen Urteilen in Slowenien und Italien – auf, dass es ein systematisches Muster von Menschenrechtsverletzungen an den europäischen Grenzen gibt. Wir wünschen uns, dass Österreich aus diesem Muster ausbricht und die Rückweisungen nach Slowenien aussetzt. Dies wäre ein konkreter Schritt um Kettenpushbacks und Folter an der kroatischen Grenze zu beenden.”
Die Initiative Push-Back Alarm Austria und asylkoordination österreich fordern die sofortige Umsetzung folgender Maßnahmen:
· Sofortige Einleitung von Disziplinarverfahren gegen alle Beamt*innen, die entweder durch Weisungen oder durch die konkrete Amtshandlung zur rechtswidrigen Rückweisung beigetragen haben.
· Gesetzliche Einführung einer Wiedergutmachung für Pushback-Überlebende in Form eine gesetzlichen Anspruchs auf Wiedereinreise und finanzielle Entschädigung.
· Schaffung eines unabhängigen zivilgesellschaftlichen Monitoringmechanismus für jene Grenzgebiete, in denen Aufgriffe von Personen regelmäßig zu Rückweisungen führen.
· Die verpflichtende Anwendung eines Fragenkatalogs bei Aufgriffen von Personen im Grenzgebiet, der die Frage beinhaltet, ob um ein Asylansuchen gestellt wird
· Verpflichtende Beiziehung von professionellen Dolmetscher*innen für alle Amtshandlungen in Grenznähe.
· Sofortiger Stopp aller Rückweisungen nach Slowenien nach Aufgriffen im Grenzgebiet aufgrund der nunmehr auch vom LVwG bestätigten Gefahr gewaltsamer Kettenpushbacks, die laut der jüngsten Gerichtsentscheidung per se eine Verletzung der in Österreich im Verfassungsrang verankerten Europäischen Menschenrechtskonvention darstellen.