Gesetze, Verordnungen

Fremdenrecht verbietet Familienleben [07.02.2006]
Presseaussendung der asylkoordination Österreich zu den Konsequenzen des neuen Niederlassungsgesetzes für Dutzende Ehepartner österreichischer StaatsbürgerInnen.
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STELLUNGNAHME VON HELPING HANDS
Rechtliche Grundlagen der Behandlung von binationalen Ehepaaren
[Peter Marhold]


Rechtslage bis zum 31.12.2005

Wenn ein/e 'Drittstaatsangehörige/r' eine/n ÖsterreicherIn heiratete, war es bisher möglich, im Inland den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zur Wahrnehmung der Familiengemeinschaft in Österreich zu stellen – unabhängig vom Status, den der aus einem Drittstaat stammende Ehegatte eines EWR-Bügers oder Österreichers innehatte.
Zugleich waren diese drittstaatsangehörigen Ehegatten vom Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) ausgenommen, d.h. durften jeder Form der Erwerbstätigkeit nachgehen.
Die Praxis, Asylwerber zur Zurückziehung des Asylantrags aufzufordern, hatte keine rechtliche Grundlage, war aber unschädlich.

Diese Rechtslage ist durch die Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs (VfGHE vom 17.06.1997, zur Zahl B 592/96, Slg. Nr. 14863) entstanden, als dieser die Ungleichbehandlung von Familienangehörigen von ÖsterreicherInnen im Vergleich zu Familienangehörigen von (anderen) EWR-BürgerInnen als unsachliche Diskriminierung aufgehoben hatte.

Europäisches Recht
Nach dem, in den 1960er und 1970er Jahren entwickelten Europarecht besitzt ein Ehegatte eines Unionsbürgers ein grundsätzliches Recht, sich in Familiengemeinschaft innerhalb der Union (erweitert: EWR) aufzuhalten – die Ausstellung eines Aufenthaltstitels gibt bloß als Ersichtlichmachung dieses Rechts. Dies ist auch als Umsetzung der Europäischen Menschenrechtskonvention und des dort definierten Rechts auf Familienleben zu sehen


Neues Fremdenrechtspaket, gültig ab 1.1.2006

Für EWR-Bürger, die in Österreich leben und nicht österreichische Staatsbürger sind, hat sich nichts Wesentliches geändert.
Familienangehörigen von ÖsterreicherInnen sind seit 1.1.06 schlechtergestellt. Sie dürfen nur mehr dann einen Antrag im Inland stellen, wenn sie 'ohne Umgehung der Grenzkontrolle eingereist und hier legal aufhältig sind' (§ 21 Abs. 2 NAG). Andernfalls sind Anträge persönlich aus dem Herkunftsregion zu stellen (§ 5 NAG iVm §§ 19 und 21 NAG) – also z. B. aus dem Staat, vor dem Asylwerber geflüchtet sind, um in Österreich Schutz zu suchen.
Ein Familienleben ist bis auf weiteres auch nur in diesem Staat möglich. Werden also damit die österreichischen Ehegatten 'des Landes verwiesen'?

Der Verfassungsgerichtshof soll mit einer kunstvollen Regelung 'gnädig gestimmt' werden: Die weiteren Rechte der EWR-Bürger gelten nun für 'EWR-Bürger und Österreicher, die vom Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht haben', also ihre Niederlassungs- oder Dienstleistungsfreizügigkeit verwirklicht haben. Die 'immer nur in Österreich lebenden' Österreicher sowie 'EWR-Bürger, die von ihrem Recht auf Freizügigkeit nicht Gebrauch gemacht haben' werden erneut schlechter gestellt.
Der Konstrukt des 'nicht freizügigkeitsberechtigten EWR-Bürgers' ist unhaltbar: Die EU-Richtlinie umfasst explizit (Art. 3 der Richtlinie) alle EWR-Bürger, 'die sich in einen Staat begeben oder sich dort aufhalten, dessen Staatsangehörigkeit sie nicht besitzen'. Das Beispiel, das in den Erläuterungen zur AuslBG-Novelle gegeben wird ('ein in Österreich als Kind deutscher Eltern geborener Deutscher', der seither in Österreich lebt) wird auch von Mitverfassern des Fremdenrechtspakets aus dem Innenministerium für unhaltbar angesehen ...

Erforderliche Maßnahme: Das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) reparieren und damit die Ungleichbehandlung beseitigen, bevor der VfGH das tun muss.


Verwaltungspraxis

Bislang wurden Asylwerber flächendeckend aufgefordert, ihren Asylantrag zurückzuziehen. Dazu gab es eine eigene Checkliste (s. Beilage A). Die Fremdenpolizeibehörden haben diesen 'Rat' auch noch im Dezember 2005 erteilt - im Wissen, dass mit der Zurückziehung das vorläufige Aufenthaltsrecht endet, der Aufenthalt damit illegal wird und eine Inlandsantragstellung ausgeschlossen wird.
Die Bezirksverwaltungsbehörden bzw. Magistrate weigern sich nun, Anträge anzunehmen. Der Teufelskreis: Ohne persönliches Erscheinen keine Annahme des Antrags – bei persönlichem Erscheinen eine Zurückweisung wegen fehlender Berechtigung zur Inlandsantragstellung.

Erforderliche Maßnahmen:
1. Anträge – auch schriftlich eingebrachte – sind anzunehmen und ggf. per Bescheid abzulehnen. Damit kann der Verfassungsgerichtshof nach Durchlaufen des Instanzenweges über die Rechtmäßigkkeit des NAG entscheiden.
2. Das BMI kann 'aus humanitären Gründen' (§§72-74 NAG) der Behörde gestatten, die Inlandsantragstellung zuzulassen. Dies ist in den dargelegten Fallkonstellationen wohl per Weisung anzuordnen.


Weitere Voraussetzungen

Bislang wurde als Einkommensnachweis das Erreichen/Überschreiten der Sozialhilferichtsätze der Länder gefordert – entsprechend den Lebenserhaltungskosten unterschiedlich von Bundesland zu Bundesland, rd. 450 EUR pro Person.
Nunmehr wird das Erreichen/Überschreiten des Ausgleichszulagensatzes nach ASVG (§ 293) gefordert: EUR 690 pro Person oder knapp EUR 1.100 für ein Ehepaar.
Heirat und Familienleben also nur mehr, wenn man sich das 'leisten' kann?


Ausschluß vom Arbeitsmarkt

Die Novelle zum AuslBG hält eine weitere Verschärfung parat: Im Gegensatz zu den weiterhin jedenfalls ausgenommen Familienangehörigen von 'freizügigkeitsberechtigen' EWR-Bürgern sind Angehörige von ÖsterreicherInnen nur dann ausgenommen, also ohne weiteres zur Arbeitsaufnahme berechtigt, wenn sie 'zur Niederlassung nach dem NAG berechtigt' sind (AuslBG §1 Abs. 2 lit. m).
Heißt also: Warten und nichts tun – bis die Rechtslage geändert wird oder der VfGH entscheiden hat. Andernfalls gibt es bloß die Saisonnierquoten und damit eine so kurze Beschäftigungszeit, dass kein Anspruch aus der Arbeitslosenversicherung und damit ein Vermittlungsauftrag beim AMS entsteht. Gemeinsam mit den Unterhaltsgrenzen ein 'giftiger' Cocktail.

Erforderliche Maßnahmen: Mit der Reparatur des NAG wird die neue Hürde für die Aufnahme einer Beschäftigung hinfällig.


Peter Marhold, Helping Hands