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Stellungnahme österreichischer
Flüchtlingshilfsorganisationen zu KOM (2001) 447 endg.
vom 26. Juli 2001.) [03.2003]
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Stellungnahme österreichischer
Flüchtlingshilfsorganisationen zum Vorschlag für eine
Verordnung des Rates zur Festlegung von Kriterien und Verfahren
zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung
eines Asylantrags zuständig ist, den ein Staatsangehöriger
eines dritten Landes in einem Mitgliedstaat gestellt hat.
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Übersicht Archiv Europa |
Der Europäische Rat von Sevilla hat in den Schlussfolgerungen
des Vorsitzes vom 21. und 22. Juni 2002 im Zusammenhang mit
der Beschleunigung der laufenden Gesetzgebungstätigkeit
zur Festlegung einer gemeinsamen Asyl- und Einwanderungspolitik
den Rat nachdrücklich dazu aufgefordert, die Verordnung
"Dublin II" vor Dezember 2002 zu billigen.
Da die diesbezüglichen Verhandlungen im Rat der Europäischen
Union bereits recht weit fortgeschritten sind und aufgrund der
oben erwähnten Forderung des Europäischen Rates damit
zu rechnen ist, dass sich diese Verhandlungen im zweiten Halbjahr
dieses Jahres zusätzlich intensivieren werden, erlauben
wir uns, nachfolgende Stellungnahme vorzulegen.
1. Aufschiebende Wirkung 2. Familienbegriff 3. Informationspflicht
4. Fristen
_ Amnesty international Österreich
_ Asylkoordination Österreich
_ arge schubhaft - Verein zur psycho-sozialen Betreuung von
Schubhäftlingen
_ Beratungszentrum für Migranten und Migrantinnen
_ Caritas Österreich
_ Caritas Wien
_ Deserteurs- und Flüchtlingsberatung
_ Diakonie - Evangelischer Flüchtlingsdienst Österreich
_ Flughafen-Sozialdienst Wien
_ KINDERSTIMME - Kuratorium für ein kinderfreundliches
Österreich
_ Integrationshaus
_ ISOP - Innovative Sozialprojekte
_ Romano Centro
_ SOS Mitmensch Burgenland
_ Volkshilfe Österreich
_ Volkshilfe Flüchtlingsbetreuung Oberösterreich
_ Verein Zebra
Aufschiebende Wirkung:
Artikel 21 (1) lit. e des Vorschlags ermöglicht die Einlegung
einer Beschwerde oder eines gerichtlichen Rechtsbehelfes gegen
die Entscheidung zur Übernahme und Überstellung. Dabei
wird aber den nationalen Rechtsordnungen selbst überlassen,
ob solche Beschwerden oder Rechtsbehelfe aufschiebende Wirkung
haben können.
Selbst dann jedoch muss die aufschiebende Wirkung im Einzelfall
als Ermessensentscheidung erst zuerkannt werden. Die österreichischen
Flüchtlingsorganisationen rufen in Erinnerung, dass der
vorliegende Verordnungsentwurf die Mitgliedstaaten der EU, die
ja allesamt auch Mitgliedstaaten des Europarates sind, keineswegs
ihrer Verpflichtungen aus der Europäischen Menschenrechtskonvention
(EMRK) enthebt. Die Mitgliedstaaten der EMRK haben aber auch
in Fallkonstellationen von Rückübernahmen nach dem
Dubliner Übereinkommen bzw. nach dem vorliegendem Verordnungsentwurf
eine Prüfung von Non-Refoulement-Gründen durchzuführen
und insbesondere eine mögliche Kettenabschiebung in den
Herkunftsstaat zu verhindern. In diesem Zusammenhang ist besonders
auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für
Menschenrechte im Fall T. I. vom 7. März 2000 hinzuweisen,
in welcher der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte
(EGMR) betonte, dass die Verpflichtung der Mitgliedstaaten nicht
nur aus dem Verbot bestehe, Personen vor Abschiebung in Staaten
zu schützen, wo ihnen Misshandlung droht, sondern auch
die Abschiebung in Staaten verboten sei, die nicht die notwendigen
Garantien bieten, Personen vor Weiterschiebung zu schützen.
Von dieser Verpflichtung entbinde auch nicht das Dubliner Übereinkommen,
wie im Fall T. I., der eine Überstellung vom Vereinigten
Königreich nach Deutschland betraf. Es ist schließlich
nicht von vornherein klar, dass Vertragsstaaten des Dubliner
Übereinkommens auch ihre Vertragspflichten aus der EMRK
erfüllen. Hier soll auch auf den vor dem britischen House
of Lords entschiedenen Fall Regina vom 19. Dezember 2000 hingewiesen
werden, in dem das Vereinigte Königreich feststellte, dass
Deutschland wegen dessen Asylgesetzgebung und Asylpraxis ein
unsicherer Drittstaat wegen der Gefahr einer Kettenabschiebung
sei.
Da jedoch die EU-Mitgliedstaaten nicht vom Verbot des Refoulement
befreit sind, sind auch die vom EGMR aufgestellten Verfahrensregeln
zu beachten, insbesondere das Recht auf wirksame Beschwerde
gemäß Artikel 13 EMRK gegen alle Entscheidungen
über aufenthaltsbeendende Maßnahmen. So hat auch
ein Asylwerber, der gemäß Artikel 21 (1) lit. d
des Verordnungsvorschlags von einem EU-Mitgliedstaat rückübernommen
werden soll, das Recht auf wirksame Beschwerde gegen die Rücknahmeentscheidung,
wenn vom Asylwerber eine drohende Kettenabschiebung behauptet
wird. Damit ein Rechtsmittel wirksam sein kann, muss es aber
aufschiebenden Effekt haben, was auch der EGMR im Fall Chahal
am 15. November 1996 feststellte.
Der Artikel 21 (1) lit. e des vorliegenden Verordnungsentwurfes
ist daher menschenrechtswidrig.
Familienbegriff:
Die österreichischen Flüchtlingsorganisationen
weisen im Zusammenhang mit dem Familienbegriff auf ihre bereits
zum Vorschlag für eine Richtlinie des Rates betreffend
das Recht auf Familienzusammenführung (KOM(2000) 624
endg. vom 10. Oktober 2000) hin.
Auch im vorliegenden Verordnungsentwurf sind gemäß
Artikel 2 lit. i nur Ehegatten bzw. unter bestimmten Voraussetzungen
Lebensgemeinschaften sowie deren minderjährige, leibliche
oder adoptierte, unverheiratete und unterhaltsberechtigte
Kinder und die Eltern unverheirateter minderjähriger
Kinder als Familie anerkannt, nicht aber sonstige Verwandte
in aufsteigender Linie sowie erwachsene Kinder, die wegen
ihres Gesundheitszustandes nicht selbst für ihren Unterhalt
aufkommen können.
Wir sind der Meinung, dass alle genannten Gruppen als "Familie"
iSd Verordnungsentwurfes anerkannt werden sollten, ebenso
wie erwachsene Kinder, die beispielsweise wegen einer Ausbildung
noch Unterhalt beziehen und somit von ihren Eltern abhängig
sind, sowie andere abhängige Verwandte in aufsteigender
Linie.
Wenngleich mit der geplanten Verordnung die meisten tatsächlichen
Familienbindungen erfasst sein dürften, ist dennoch auf
Folgendes hinzuweisen: Gemäß dem Verordnungsvorschlag
sollen unverheiratete Lebenspartner, auch wenn ihre Beziehung
auf Dauer angelegt ist, nur dann als Familienangehörige
gelten, wenn in den Fremdenrechtsvorschriften des betreffenden
EU-Mitgliedstaates unverheiratete Paare verheirateten gleichgestellt
sind.
Wir sind der Auffassung, dass zur Ermöglichung eines
Zusammenlebens auch unverheiratete Paare ? unabhängig
von den jeweiligen nationalen Vorschriften ? von der Verordnung
erfasst sein sollen, da es sonst zu einer ungerechtfertigten
Ungleichbehandlung von Lebenspartnern in den verschiedenen
EU-Staaten kommen würde. Analog dazu sollen auch homosexuelle
Lebensgemeinschaften im Rahmen der Verordnung entsprechende
Berücksichtigung finden.
Informationspflicht:
Die bisherigen Erfahrungen mit der Durchführung des
Dubliner Übereinkommens haben gezeigt, dass AsylwerberInnen
über das sie betreffende Verfahren oft gänzlich
uninformiert sind. So enthält das Merkblatt für
AsylwerberInnen gemäß § 26 AsylG keine ausreichend
detaillierte und damit nachvollziehbare Information über
die Zuständigkeitsregelungen des Dubliner Übereinkommens
und der daraus resultierenden versagten Aufenthaltsberechtigung.
Erst im Zuge der Einvernahme wird über die Einleitung
des Konsultationsmechanismus manudiziert, eine schriftliche
Mitteilung erfolgt jedoch nicht.
Die allgemeinen Informationen für AsylwerberInnen sollen
daher dahingehend ergänzt werden, dass diese Merkblätter
und andere geeignete Medien über unzulässige Anträge
informieren. Es soll auf einige wesentliche Grundlagen für
die Übernahme der Zuständigkeit, wie erteilte Visa,
Aufenthaltsberechtigung, vorangegangener Aufenthalt, asylberechtigte
und weitere Familienangehörige in einem EU-Mitgliedstaat,
hinweisen sowie darauf, dass das Bundesasylamt zu diesem Zweck
Informationen an andere Staaten weiterleitet und der/die AsylwerberIn
bei Zustimmung des Staates zur Übernahme in diesen, für
die Prüfung des Asylantrags zuständigen Staat gebracht
wird. Diese Informationen sind AsylwerberInnen zum frühestmöglichen
Zeitpunkt zur Verfügung zu stellen.
AsylwerberInnen sollen zudem mündlich in einer ihnen
verständlichen Sprache über die Anwendung dieses
Verfahrens, seine Zeitlimits und seine Auswirkungen informiert
werden und es soll ihnen Gelegenheit eingeräumt werden,
die für ihren Fall wesentlichen Fragen zu erörtern.
AsylwerberInnen soll nach Einlangen der Zustimmung eines
ersuchten Staates unverzüglich die Entscheidung gemäß
Artikel 20 (2) des Verordnungsvorschlags mitgeteilt werden,
wobei Informationen über das Datum des Transfers auch
dann erteilt werden sollen, wenn der/die AsylwerberIn die
Reise nicht selbst organisiert.
Die besondere Sensibilität der Weitergabe von Informationen
bezüglich der Gründe für einen Asylantrag sowie
der Entscheidungsgründe verlangt, dass der/die AsylwerberIn
dieser Informationsweitergabe schriftlich zustimmt. AsylwerberInnen
sollen darüber hinaus auch mündlich in einer ihnen
verständlichen Sprache informiert werden.
Fristen:
Gemäß Artikel 18 des Vorschlags muss ein Antrag
auf Rückübernahme innerhalb von drei Monaten ab
Einbringung des Asylantrags gestellt werden.
Gemäß Artikel 19 des Vorschlags hat der ersuchte
Staat binnen zwei Monaten zu antworten.
Gemäß Artikel 20 des Vorschlags hat die Rückübernahme
binnen sechs Monaten ab der positiven Rückantwort (oder
dem Zeitpunkt der Entscheidung im Falle einer Berufung mit
aufschiebender Wirkung) auf das Ersuchen zu erfolgen. Bei
Krankheit oder Gefängnisaufenthalt kann die Rückübernahme
jedoch bis zu einem Jahr ausgedehnt werden.
Das bedeutet, dass im Normalfall von der Antragstellung auf
Rückübernahme bis zur tatsächlichen Rückübernahme
bis zu elf Monaten vergehen. Erst danach kann ein materiellrechtliches
Asylverfahren im zuständigen Land beginnen.
Für eine reine Zuständigkeitsprüfung erscheint
eine derartig lange Zeitspanne nicht gerechtfertigt. Die österreichischen
Flüchtlingshilfsorganisationen plädieren daher dafür,
die Frist für die Antragstellung auf Übernahme auf
maximal einen Monat und die Frist für die tatsächliche
Überstellung auf maximal zwei Monaten zu beschränken.
Bei Krankheit oder Gefängnisaufenthalt soll die Frist
auf sechs Monate verkürzt werden.
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