Darüber hinaus erachten wir weitergehende Reformen für erforderlich, um Ungleichbehandlung von subsidiär Schutzberechtigten zu beseitigen, eine EU-rechtskonforme Regelung hinsichtlich der Sozialleistungen für diese umzusetzen sowie auf die vom Europäischen Gerichtshof ergangene Entscheidung zu Kinderbeihilfe im nationalen Recht angemessen zu reagieren.
* Problematik der Ungleichbehandlung subsidär Schutzberechtigter gegenüber Asylberechtigter oder Auftenthaltsberechtigter nach dem NAG
Bei der letzten Novelle wurde ein Anspruch für subsidiär Schutzberechtigte nach dem Asylgesetz unter der Voraussetzung festgelegt, dass diese keine Leistungen aus der Grundversorgung erhalten sowie durch eigene Erwerbstätigkeit zu ihrem Lebensunterhalt beitragen..
Im nun vorliegende Entwurf wird an diesen Voraussetzungen festgehalten. Dies führt zu einer Ungleichbehandlung zwischen Aufenthaltsberechtigten nach dem NAG und subsidiär Schutzberechtigten, die eine ausreichende sachliche Rechtfertigung vermissen läßt. Dies gilt auch hinsichtlich anerkannter Flüchtlinge, bei denen sich das Aufenthaltsrecht aus den Schutzbestimmungen der Genfer Flüchtlingskonvention herleitet, während bei subsidiär Schutzberechtigten Gründe aus der Europäischen Menschenrechtskonvention zum Tragen kommen. Bei beiden Gruppen ist eine Ausweisung aus rechtlichen Gründen nicht zulässig. Bei anerkannten Flüchtlingen ist die Gewährung des Kinderbetreuungsgeldes und der Familienbeihilfe an keine weitere Bedingung geknüpft.
Voraussetzung für Aufenthaltsberechtigte nach dem NAG ist die Begründung des Lebensmittelpunktes in Österreich und richtet sich nach der Gültigkeitsdauer der Aufenthaltsberechtigung. Subsidiär Schutzberechtigte haben ihren Lebensmittelpunkt ebenfalls in Österreich (faktisch wegen oft fehlender Reisedokumente und der fehlenden Freizügigkeitsregelungen jedenfalls nur hier) und verfügen über ein, nach dem NAG aufenthaltsberechtigten Personen vergleichbares befristetes und verlängerbares Aufenthaltsrecht.
Der Status eines subsidär Schutzberechtigten wird in der Regel Personen zuerkennt, die in den Herkunftsstaat aufgrund drohender Menschenrechtsverletzungen nicht zurückkehren können. Die Verpflichtung zum Schutz dieser Personen ergibt sich aus der Europäischen Menschenrechtskonvention und der EU Richtlinie 2004/83/EG. Diese EU Richtlinie über die Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Flüchlingen oder Personen, die anderweitigen internationalen Schutz benötigen, legt auch grundlegende Rechte von subsidär geschützen Personen fest.
In den Erwägungen 33 und 34 wird das Prinzip der Nicht-Diskriminierung bei sozialen Leistungen festgehalten.
(33) Insbesondere zur Vermeidung sozialer Härtefälle ist es angezeigt, Personen, denen die Flüchtlingseigenschaft oder der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, ohne Diskriminierung im Rahmen der Sozialfürsorge angemessene Unterstützung in Form von Sozialleistungen und Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu gewähren.
(34) Bei der Sozialhilfe und der medizinischen Versorgung sollten die Modalitäten und die Einzelheiten der Gewährung der Kernleistungen durch einzelstaatliche Rechtsvorschriften bestimmt werden. Die Möglichkeit der Einschränkung von Leistungen für Personen, denen der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, auf Kernleistungen ist so zu verstehen, dass dieser Begriff zumindest ein Mindesteinkommen sowie Unterstützung bei Krankheit, bei Schwangerschaft und bei Elternschaft umfasst, sofern diese Leistungen nach den Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats eigenen Staatsangehörigen gewährt werden.
Die EU-Statusrichtlinie sieht also sowohl Unterstützung zur Sicherung des Lebensunterhalts als auch bei anderen Sozialleistungen vor. Zu den Kernleistungen, die subsidiär Schutzberechtigten wie eigenen Staatsangehörigen zu gewähren sind, zählen u.a. die Unterstützung bei Elternschaft. Die bestehende Bestimmung, wonach Kinderbetreuungsgeld und Familienbeihilfe subsidiär Schutzberechtigten nur unter sehr eingeschränkten Voraussetzungen zustehen, sind daher nicht richtlinienkonform.
Die nun geplante Novellierung sollte zum Anlaß genommen werden, diese Verletzung von Eu-Recht zu bereinigen.
Auch aus verfassungsrechtlicher Sicht ist die Ungleichbehandlung von subsidiär Schutzberechtigten mit Aufenthaltsberechtigten nach dem NAG bedenklich.
Während für Aufenthaltsberechtigte nach dem NAG ebenso wie für StaatsbürgerInnen ein Einkommen aus Erwerbstätigkeit nicht als Voraussetzung für den Bezug des KBG gefordert wird, müssen subsidiär Schutzberechtigte ein solches Einkommen haben, um die Anspruchsvoraussetzung zu erfüllen.
Ein Einkommen wie Arbeitslosengeld oder Notstandhilfe, das für andere Anspruchsberechtigte selbstverständlich als Einkommen gilt, dass unter dem Blickwinkel der Zuverdienstgrenze zu prüfen ist, wird nur bei subsidiär Schutzberechtigten nicht als Einkommen angesehen, genausowenig wie Wochengeld oder Krankengeld. Dieser Differenzierung läßt sich sachlich nicht begründen, sodass das Gebot der Gleichbehandlung verletzt wird.
Allgemein gilt als Voraussetzung für den Bezug von KBG der Anspruch auf Familienbeihilfe für das Kind. Dieser besteht unabhängig von Beschäftigung oder Einkommen.. In diesem Sinne wird Familienbeihilfe und Kinderbetreuungsgeld Flüchtlingen mit Asylstatus gewährt bzw. für den Elternteil und das Kind mit Aufenthaltstitel nach dem NAG. Erwerbstätigkeit als Voraussetzung für den Bezug von Familienbeihilfe und KBG wird für diese - im Gegensatz zu subsidiär Schutzberechtigten - nicht gefordert. Dies erachten wir als sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung.
Ebenso problematisch ist, dass der Bezug von Grundversorgungsleistungen einen Anspruch auf KBG automatisch ausschließt.
Als Grundversorgungsleistungen gelten Unterstützungen zum Lebensunterhalt, den Mietkosten, für Schulbedarf, Bekleidungsbedarf, Taschengeld sowie Krankenversicherung. Diese Leistungen werden jeweils den individuellen und strukturellen Voraussetzungen angepaßt: So erhält beispielsweise eine subsidiär schutzberechtigte Person nur dann Taschengeld und Bekleidungshilfe, wenn er/sie in einer organisierten Unterkunft (mit Vollverpflegung oder Auszahlung von Verpflegungsgeld) versorgt wird. Wohnt ein subsidiär Schutzberechtigter privat, wird nur ein fixer Betrag für den Lebensunterhalt und die Mietkosten ausbezahlt. Auf diese Leistungen besteht ein individueller Anspruch. Grundversorgungsleistungen sind demnach sehr wohl einzelnen Familienmitgliedern zurechenbar. Die Unterstützung zum Lebensunterhalt für privat Wohnende beträgt für erwachsene Familienmitglieder €180, für Kinder €80 Euro. Unterkunftgeber erhalten die Kosten pro Person per Tagsatz erstattet. Anspruch auf Grundversorgungsleistungen besteht außerdem nur dann, wenn der/die Anspruchsberechtigte sich an ihrem ordentlichen Wohnsitz (Grundversorgungseinrichtung oder private Meldeadresse) auch tatsächlich aufhält bzw nicht länger als drei Tage unerlaubt abwesend ist. Hält sich ein Familienmitglied aus welchem Grund auch immer nicht an dem ordentlichen Wohnsitz auf, werden für dieses Familienmitglied auch keine Grundversorgungsleistungen erbracht (Beispiel: bei längerem Aufenthalt in einem Krankenhaus, bei Aufenthalt eines Kindes in einem Ferienlager, ...)
Dadurch, dass Leistungen der Grundversorgung an die Voraussetzung der Hilfsbedürftigkeit geknüpft sind und dementsprechend auch eingeschränkt werden, sobald sich bei der Prüfung der Hilfsbedürftigkeit Änderungen ergeben, kann nicht automatisch bei Vorliegen einer Krankenversicherung durch die Grundversorgung auch auf ausreichende finanzielle Mittel aller Familienmitglieder geschlossen werden. So ist es beispielsweise üblich, bei einer geringfügigen Beschäftigung weiterhin Teilleistungen aus der Grundversorgung zu gewähren, insbesondere die Krankenversicherung.
Obwohl in der Grundversorgungsvereinbarung Bund-Länder sowie in den jeweiligen Landesgesetzen ein individueller Anspruch bei bestehender Hilfsbedürftigkeit festgelegt ist, wird in der Praxis jede Form von Einkommen als Kostenbeitrag von den zustehenden Leistungen einbehalten bzw. eingefordert. So ist es durchwegs Praxis der Länder, Grundversorgung auch bei Erwerbstätigkeit zumindest für 3 Monate weiter zu gewähren (was angesichts der schwierigen Situation der Betroffenen auf dem Wohnungsmarkt durchwegs sinnvoll ist) und das über einen Freibetrag von € 100,- hinausgehende Einkommen als Kostenbeitrag einzubehalten. Als beitragspflichtige Einkommen werden im Vollzug der Länder auch eine allfällige Familienbeihilfe oder Kinderbetreuungsgeld angerechnet (aufgrund der gesetzlichen Änderungen.im Dez. 06 sind de facto nur noch Flüchtlinge mit Asylstatus betroffen), ebenso gilt Arbeitslosengeld als anzurechnendes Einkommen..
Um eine dem EU Recht widersprechende Ungleichbehandlung subsidiär Schutzberechtigter zu beenden,
sollte die Bestimmung des § 2 Abs.1 Z 5 dahingehend geändert werden, daß Punkt c) lautet:
Personen, denen der Status des subsidiär Schutzberchtigten nach dem Asylgesetz 2005 zukommt.
* Reformbedarf bei Kinderbetreuungsgeld und Familienbeihilfe hinsichtlich AsylwerberInnen
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat die Bundesrepublik Deutschland wegen Verletzung von Art. 14 verurteilt Das Gericht sah sich zwar nicht berufen darüber zu entscheiden, in welchen Ausmaß Unterschiede rechtfertigbar sind in bezug auf Sozialleistungen für Inhaber bestimmter Kategorien von Aufenthaltstiteln. Im Fall der Kinderbeihilfe erkennt das Gericht keine ausreichende Gründe die eine unterschiedliche Behandlung zwischen Fremden, die eine dauerhafte Aufenthaltsberechtigung auf der einen und jenen ohne diese auf der anderen Seite. Daraus ergibt sich eine Verletzung der Antidiskriminierungsbestimmung von Artikel 14 EMRK in Verbindung mit Artikel 8. Durch die Gewährung von Kinderbeihilfe zeigen die Staaten ihre Achtung für das Familienleben im Sinne von Art. 8 EMRK, so der EGMR
Dieses Erkenntnis des EGMR hat über den Personenkreis der subsidiär Schutzberechtigten hinaus Bedeutung.
Wir erlauben uns bei dieser Gelegenheit auch darauf hinzuweisen, dass die Änderung der Voraussetzung für den Bezug von Familienbeihilfe und Kinderbetreuungsgeld AsylwerberInnen , die bereits langjährig in Österreich aufhältig sind und einer Beschäftigung nachgehen, mit unbilliger Härte trifft und aus verfassungsrechtlicher Sicht die Streichung dieser Rechte bedenklich ist. Zwar hat der Verfassungsgerichtshof die Behandlung einer Beschwerde eines Asylwerbers wegen Aussichtslosigkeit zurückgewiesen, dies aber unter anderen damit begründet, dass für AsylwerberInnen eine staatliche Versorgung im Wege der Grundversorgung vorgesehen sei. Der Verfassungsgerichtshof dürfte dabei übersehen haben, dass erwerbstätige AsylwerberInnen keine Leistungen aus der Grundversorgung erhalten, weil sie als nicht mehr hilfsbedürftig angesehen werden. Selbst wenn aufgrund eines sehr geringen Einkommens AsylwerberInnen Teilleistungen aus der Grundversorgung erhalten würden, ist die Familienbeihilfe allemal höher als der Grundversorgungsbeitrag für minderjährige Kinder. Während bei der Familienbeihilfe sich die Unterstützung bei Mehrkinderfamilien erhöht, gibt es bei der Grundversorgung immer nur € 80, die Anzahl und das Alter der Kinder werden nicht berücksichtigt. Kinder von AsylwerberInnen werden in ihrer Schulkarriere benachteiligt, haben ohne Grundversorgung auch keinen Anspruch auf Schülerfreifahrt.
Durch die Familienbeihilfe sollen die höheren Kosten einer Familie mit Kindern kompensieren werden, diese haben nichts mit dem Aufenthaltsstatus zu tun. AsylwerberInnen oft nach jahrelangem Aufenthalt und Erwerbstätigkeit diesen Teil des Familieneinkommens vorzuenthalten, verursacht existentielle Notsituationen. Neben dem Verlust der Wohnung, weil die Miete nicht mehr gezahlt werden kann, müssen sie möglicherweise auch den Job aufgeben, um die Hilfsbedürftigkeitsgrenze zu unterschreiten, damit sie dann mit staatlicher Unterstützung in einer Flüchtlingsunterkunft überleben können. Das Forcieren einer solcher Lebenssituationen ist menschenunwürdig, verbunden mit einem Herausreißen von Kindern aus der Schulgemeinschaft, von Eltern aus ihrem Arbeitsumfeld und der Umgebung auch als Eingriff in das Recht auf Privatleben menschenrechtlich bedenklich.
asylkoordination österreich -
Verein von AusländerInnen- u. Flüchtlingshilfsorganisationen u. -betreuerInnen
1080 Wien, Laudong.52/9
Tel: 0043-1-532 12 91
www.asyl.at
SOS - Menschenrechte Österreich
4020 Linz, Tummelplatz 5
Tel: 0732/77 74 04, DW 16
www.sos.at
|