Betreuung | Archiv

Unbeantworteter offener Brief an Frau Innenminister Prokop vom 16.12.2005 [07.02.2006]
Die asylkoordination appellierte im Dezember 2005 an Frau Innenminister Prokop, den Betreuungsvertrag der arge Schubhaft in Innsbruck weiter zu verlängern. Vergeblich. Der Verein Menschrechte Österreich hat nun den Schubhaftbetreuungsvertrag bekommen, der Zugang von AsylwerberInnen zu rechtlicher Beratung und Unterstützung ist damit massiv erschwert.
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Sehr geehrte Fr. Minister Prokop!

Wie wir aus heutigen Medienberichten erfahren haben, dürfte die Vergabe der Schubhaftbetreuung in Innsbruck eine beschlossene Sache sein. Diese Entscheidung ist für uns überhaupt nicht nachvollziehbar.
Die Arge Schubhaft, die über viele Jahre  nun mit hohem Engagement und Sensibilität in diesem Bereich tätig ist, soll nun nach 8 Jahren förderungswürdiger Tätigkeit verdrängt werden durch den Verein Menschenrechte Österreich, der in Tirol nicht als Organisation tätig war und dem es daher auch an Vernetzung mit lokalen Initiativen mangelt. Eine solche Vernetzung sehen wir aber als ein wesentliches Element in der Betreuung von Schubhäftlingen, da ja viele soziale, psychische und rechtliche Aspekte und Probleme auftreten können, die vielfach nur durch eine gut funktionierende Zusammenarbeit mit anderen Organisationen und Einrichtungen gelöst werden können. Gerade die Arge Schubhaft zeichnet sich auch durch ihr interdisziplinären Team aus. Aus unserer Sicht sind Sprachkenntnisse der SchubhaftbetreuerInnen nur ein notwendiges Mittel, um eine gute Betreuung gewährleisten zu können.

Die Erfahrungen der NGOs im Flüchtlingsbereich, die diese nach der Übernahme der Schubhaftbetreuung in Wien durch den Verein Menschenrechte Österreich gemacht haben, sprechen eindeutig gegen die Schubhaftbetreuung durch einen Verein, dessen Verständnis von Schubhaftbetreuung in einigen wesentlichen Fragen von jenem der NGOs abweichen dürfte.  Schubhaft ist eine menschenrechtlich äußerst sensible Situation, bei der die Gewährleistung internationaler Haftstandards eine Selbstverständlichkeit sein sollte. Dazu gehört auch, daß Schubhäftlinge nicht nur über ihre Haftgründe umfassend informiert werden, sondern daß sie auch in der Haft ihre Rechte wahren können. Dies betrifft sowohl laufende fremdenrechtliche als auch asylrechtliche Verfahren. Um diese Rechte wahrnehmen zu können, bedürfen nicht sprach- und rechtskundige Personen rechtlicher Unterstützung. Dies wurde in zahlreichen Entscheidungen des UBAS und des VfGH immer wieder bestätigt. Eine Schubhaftbetreuung, die in der Beratung nicht auch die rechtlichen Probleme aufgreift und einen Schubhäftling auch dabei unterstützt, Hilfe für Haftbeschwerden und anhängige Verfahren zu erlangen, ist mit einer Hilfsmannschaft zu vergleichen, die einem Ertrinkenden einen Rettungsring zu, in dem aber keine Luft ist. Der Verein Menschenrechte Österreich kooperiert nicht mit anderen NGOs, die auch rechtliche Unterstützung anbieten. Seit der Verein Menschenrechte Österreich in Wien mit der Schubhaftbetreuung beauftragt wird, ist über die Schubhaft in Wien der Mantel des Schweigens gebreitet. Es ist mehr als bedenklich, daß nur solche Fälle von Schubhaftverhängung bei den Flüchtlings-NGOs bekannt werden, wenn ein Schubhäftling bereits vor der Haftverhängung einen rechtlichen Beistand hatte oder Verwandte und Bekannte bei den NGOs Hilfe suchen. Eine sorgfältige Abklärung der Voraussetzungen für die Haft und entsprechende Intervention oder rechtliche Schritte hat in etlichen Fällen ergeben, daß die Haft nicht rechtmäßig oder zweckmäßig ist. Daß der Verein Menschenrechts Österreich sich um eine solche Abklärung bemüht, ist uns nicht bekannt.

Die ab 2006 geänderten Gesetze (Asylgesetz, Fremdenpolizeigesetz) lassen ein massives Ansteigen von AsylwerberInnen in Schubhaft erwarten. Die Haft kann bereits unmittelbar nach der Einreise oder noch in der Erstaufnahmestelle verhängt werden. Dadurch wird die Möglichkeit, mit NGOs Kontakt herzustellen, die auch rechtliche Unterstützung geben, drastisch reduziert. Wird tatsächlich der Verein Menschenrechte Österreich die Schubhaftbetreuung in Tirol übernehmen, ist zu erwarten, daß die bereits für Wien und Oberösterreich zutreffende Beobachtung, daß über das Schicksal der Menschen in der Schubhaft nichts mehr nach außen dringt,  auf eine noch größere Anzahl von Flüchtlingen zutrifft. Die Gefahr ist groß, daß Flüchtlinge ohne jeden Rechtsschutz, den sie in der Haft kaum anrufen können, aus Österreich abgeschoben werden.

Ich ersuche Sie daher, sehr geehrte Frau Minister Prokop, in die Entscheidung ihres Kabinetts, den Vertrag der Arge Schubhaftbetreuung nicht mehr zu verlängern, einzugreifen und dabei zu berücksichtigen, daß von der Fachabteilung ihres Ressorts die Verlängerung empfohlen wurde.

Mit freundlichen Grüßen



Mag. Anny Knapp
(Obfrau, asylkoordination österreich)