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Unbeantworteter offener Brief an Frau Innenminister Prokop vom 16.12.2005 [07.02.2006] |
Die asylkoordination appellierte im Dezember 2005 an Frau Innenminister Prokop, den Betreuungsvertrag der arge Schubhaft in Innsbruck weiter zu verlängern. Vergeblich. Der Verein Menschrechte Österreich hat nun den Schubhaftbetreuungsvertrag bekommen, der Zugang von AsylwerberInnen zu rechtlicher Beratung und Unterstützung ist damit massiv erschwert.
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Übersicht Betreuung |
Die Grundversorgungsvereinbarung zwischen Bund und Ländern zur Grundversorgung von AsylwerberInnen und anderen schutzbedürftigen / nicht abschiebbaren Fremden stellt eine wesentliche Verbesserung gegenüber dem vor dem 1.5.2004 herrschenden System der Bundesbetreuung:
- Für alle Personen der Zielgruppe soll der Lebensunterhalt gesichert werden –Bundesbetreuung wurde nur rund 30 % der AsylwerberInnen gewährt, die Länder unterstützten teilweise mittellosen AsylwerberInnen durch (eine reduzierte) Sozialhilfe, teilweise waren mittellosen AsylwerberInnen auf die Hilfe von NGOs angewiesen (Wien)
- soziale Betreuung wird im Rahmen der Bundesbetreuung angeboten
- Unterstützung zu den Mietkosten, Lebensunterhalt sowie Krankenversicherung wird auch dann gewährt, wenn AsylwerberInnen in einem privaten Quartier wohnen.
Probleme bei der Umsetzung der Grundversorgungsvereinbarung
Negative Berichterstattung
Der öffentliche Diskurs über AsylwerberInnen erschwert das Errichten neuer Unterbringungszentren (Stichwort Bürgermeister-Veto, Kriminalität von AsylwerberInnen, Schlagwort Asylmißbrauch – fehlende positive Berichterstattung über Flüchtlinge).
Quotensystem
Der Verteilungsschlüssel nach Bevölkerungsanzahl ist ein Steuerungsmechanismus, der von der Annahme gleichwertiger 'Integrationskapazitäten' ausgeht. Teilweise erfolgt die Quartiersuche auch noch nach länderspezifischen Quoten und gipfelt in der Forderung 'jede Gemeinde soll eine Flüchtlingsfamilie aufnehmen'. Bei solchen rein mathematischen Verteilungskriterien bleiben Fragen der Ressourcen (Infrastruktur, Ab- oder Zuwanderungsgebiet), die eine wesentlich größere Rolle bei der Aufnahme von Flüchtlingen spielen, unberücksichtigt. In der Bundesrepublik Deutschland wurde von diesem Quotensystem wieder Abstand genommen, in die neuen Bundesländer werden nur noch wenige AsylwerberInnen verschickt.
Die Unterbringung in strukturschwachen Gebieten verursacht hohe Fahrtkosten für AsylwerberInnen und mobile BetreuerInnen, erschwert den Zugang zu Information, Rechtsberatung, Bildungsangeboten und kulturellen und religiösen Angeboten sowie Kontakt zu Landsleuten.
Der finanzielle Ausgleich zwischen Ländern, die ihre Quote über- oder unterschreiten, erscheint sinnvoller als die Unterbringung in entlegenen Regionen.
Ein Wechsel der Unterkunft
ist kaum möglich. Selbst bei Verwandten wird von negativen Antworten auf den Wunsch, zusammen in einer Unterkunft zu wohnen berichtet. Ein Wechsel von einem Bundesland in ein anderes ist auch bei Vorliegen besonderer Gründe (Studium, längerer Spitalsaufenthalt eines Familienmitglied, Psychotherapie,...) kaum möglich. Zahlreiche AsylwerberInnen fallen aufgrund des 'freiwilligen Verlassens' der Unterkunft wieder aus dem Versorgungssystem.
Mit Integrationsmaßnahmen
erst nach einem positiven Ausgang des Asylverfahrens anzusetzen erachten wir als verfehltes und kurzsichtiges Konzept – Integration beginnt unmittelbar nach der Ankunft. Bei langer Dauer (2 bis 5 Jahre sind häufig!) des Asylverfahrens entstehen psychische Beeinträchtigungen durch erzwungene Untätigkeit, Spannungen in der Familie aufgrund geänderter Rollen, eine Korrektur des ungezielten Spracherwerbs ist schwierig etc. Die derzeit in etlichen Ländern geübte Praxis, das monatliche Freizeitgeld (10 €) in organisierten Unterkünften nicht für Sprachkurse zu bewilligen, ist daher höchst fragwürdig.
Die Aufnahme einer Beschäftigung
während des Asylverfahrens sollte erleichtert werden. Zumindest wäre der in der EU Aufnahmerichtlinie festgelegte Zugang zu Beschäftigung anstatt nach 1 Jahr bereits nach 6 Monaten zu ermöglichen sowie die massiven Hürden, die sich aus der Bundeshöchstzahl sowie der Einschränkung auf saisonale Beschäftigung ergeben zu korrigieren.
Remunerierte Hilfstätigkeiten bei gemeinnützigen Einrichtungen der Länder, Gemeinden werden derzeit nur in wenigen Gemeinden angeboten.
Ungleichbehandlung bei notwendigem Lebensunterhalt
Die Leistungen der Grundversorgung liegen deutlich unter den Leistungen aus der Sozialhilfe. Eine privat wohnende Einzelperson erhält €180,- für den Lebensunterhalt und maximal €110,- für die Mietkosten. Bei Familien ist der Mietbeitrag unabhängig von der Familiengröße mit €220,- gedeckelt. Die unterschiedlichen Standards sind nicht nur nicht rechtfertigbar, sie tragen auch zu sozialer Ausgrenzung bei.
Freibeträge bei Einkommen
Derzeit noch in Erprobung befindet sich ein sog. Kriterienkatalog für die Hilfsbedürftigkeit. Demnach wäre jede Form des Einkommens, auch die Gewährung von Familienbeihilfe oder Kinderbetreuungsgeld nach der Asylgewährung bis zu einem Freibetrag von €100,- im Monat auf die Grundversorgung anrechenbar. Bisherige Erfahrungen der NGOs zeigen, daß dieser Katalog nicht nur einen erheblichen administrativen Aufwand verursacht, in den Ländern unterschiedlich angewandt wird und auch die Arbeitsmotivation der AsylwerberInnen beeinträchtigt.
Fehlender Rechtsschutz
Die Grundversorgungsvereinbarung ist erst in wenigen Bundesländern ins Landesrecht umgesetzt. Dabei wurden Ausschluß-, Einstellungs- und Einschränkungsgründe, die sich in der GV-Vereinbarung oder im Bundesbetreuungsgesetz finden, übernommen. Diese sind teilweise restriktiver gefaßt als in der EU Aufnahmerichtlinie (z.B. bei Annahme, daß Asylausschlußgründe vorliegen, bei Vorliegen einer Wegweisung).
Österreichweit einheitliche Standards
ist Ziel der Grundversorgungsvereinbarung. Tatsächlich fehlen einheitliche Standards – ersichtlich sowohl bei Kostenersatz für Unterkunft / Verpflegung, Bewertung der Ausstattung von Quartieren, Betreuungsleistungen in den Quartieren und den Zusatzleistungen für die soziale Betreuung (z.B. Dolmetscherkosten).
Zusammenarbeit mit karitativen Organisationen und NGOs
Es wäre wünschenswert, wenn NGOs auch im Koordinationsrat vertreten wären, um ihre Erfahrungen aus der Betreuungspraxis für das bessere Funktionieren der GV-Vereinbarung nutzbar machen zu können.
Anny Knapp, asylkoordination österreich
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