Betreuung | Archiv

Stellungnahme zum Entwurf einer Verordnung, mit der das unbefugte Betreten und der unbefugte Aufent-halt in den Betreuungseinrichtungen des Bundes verboten wird (Betreuungseinrichtungen-BetretungsV – BEBV) [28.05.2004]
Die asylkoordination österreich hat bereits in ihrer Stellungnahme zur Novelle des Asylgesetzes Bedenken vorge-bracht, daß durch den breiten Interpretationsspielraum für eine Verordnung des Bundesministers für Inneres nicht ausgeschlossen werden kann, daß MitarbeiterInnen von Flüchtlingsberatungsorganisationen, AnwältInnen oder Ange-hörigen Flüchtlingsunterkünfte verschlossen bleiben. Angesichts des vorliegenden Verordnungsentwurfes sehen wir uns veranlaßt, auf die Unvereinbarkeit mit der EU Richtlinie zu Mindeststandards für die Aufnahme von Asylbewer-berInnen hinzuweisen.
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Artikel 14 Abs. 7 der Aufnahmerichtlinie [Richtlinie 2003/9 des Rates vom 27.Jänner 2003 zur Festlegung von Mindestnormen für die Aufnahme von Asylwerbern in den Mitgliedsstaaten] sieht Einschränkungen des Zugangs zu Aufnahme- und sonstigen Unterbringungseinrichtungen ausschließlich aus Gründen der Sicherheit der Zentren und Einrichtungen oder der Asylwerber selbst vor. Das im Verordnungsentwurf zusätzlich enthaltene Kriterium "Aufrechterhaltung der Ordnung" läßt sich hingegen nicht unter den Sicherheitsaspekt der Aufnahmerichtlinie subsumieren.

Die in § 1 Abs.3 der Verordnung eingeräumten "berechtigten Interessen am Betreten" setzten MitarbeiterInnen nichtstaatlicher Beratungs- und Betreuungsorganisationen einem Rechtfertigungsdruck aus. So kann nicht ausgeschlossen werden, daß für die Erteilung einer Zutrittserlaubnis eine bereits erteilte Vollmacht verlangt wird, obwohl diese im Zuge des Besuches erst eingeholt werden würde oder die Erteilung einer Vollmacht nicht angestrebt wird, sondern lediglich eine rechtliche oder soziale Beratung. In diesem Zusammenhang ist hervorzuheben, daß AsylwerberInnen die Erstaufnahmestellen nicht verlassen dürfen, andernfalls sie in Schubhaft genommen werden können. Ob das Aufsuchen einer Beratungsstelle als rechtfertigbarer Grund für das Verlassen der Erstaufnahmestelle angesehen wird, wird sich erst in der Praxis zeigen, unter Umständen wird ein Nachweis schwer zu erbringen sein. Der Zugang zu selbstgewählter unabhängiger Information, Beratung und Vertretung sollte in jedem Verfahrensstadium gewährleistet sein. Gerade in der ersten Zeit des Aufenthalts im Aufnahmeland sollten Asylsuchende die Möglichkeit haben, sich von verschiedenen Seiten zu informieren. Die mit der Asylgesetznovelle neu geschaffene Institution der Rechtsberater im Zulassungsverfahren können nicht alle Aspekte der sozialen und rechtlichen Beratung abdecken, da sie sich durch den gesetzlich definierten Auftrag sich weitgehend auf Beratung im Falle einer geplanten negativen Entscheidung im Zulassungsverfahren und die Vertretung von unbegleiteten Minderjährigen beschränkt werden

Durch die Verordnung ist jedenfalls zu befürchten, daß den MitarbeiterInnen von Organisationen, die nicht vom Innenministerium mit der Betreuung beauftragt wurden, der Zugang zu AsylwerberInnen unmöglich oder durch bürokratische Barrieren erschwert wird. Das könnte sich wiederum nachteilig auf die Rechtsschutzinteressen der AsylwerberInnen auswirken. In diesem Zusammenhang ist auch auf Art.14 Abs. 2 des Vorschlages für eine Richtlinie des Rates über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten für die Anerkennung oder Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft zu verweisen, wonach die Mitgliedstaaten sicherzustellen haben, daß ein Anwalt oder sonstiger Rechtsberater, die den Asylwerber unterstützt oder vertritt, zum Zweck der Befragung des Asylwerbers Zugang zu abgeschlossenen Bereichen erhält. Aus den beiden Richtlinien geht klar hervor, daß der Zugang der AsylwerberInnen zu Beratung und Vertretung gewährleistet werden muß. Mit dem Verordnungsentwurf wird diesem Erfordernis jedoch nicht entsprochen.



Anny Knapp, asylkoordination österreich