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Oberster Gerichtshof bestätigt, daß Willkür bei der Gewährung von Bundesbetreuung rechtswidrig ist[19.09.2003]
Die heute bekannt gewordene eindeutige Entscheidung des Gerichtshofes ist wohltuend, weil sie klarstellt, daß die Praxis des Innenministeriums bei der Versorgung von hilfsbedürftigen Asylsuchenden rechtlich unhaltbar ist. Die Untätigkeit von Innenminister Strasser nach der ersten Entscheidung des Obersten Gerichthofs im Februar 2003 ist skandalös.
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Wenn aber jetzt das Innenministerium AsylwerberInnen nicht sofort mit dem Lebensnotwendigstem versorgt, würde er den verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatz weiter verletzen und als Minister gänzlich untragbar werden. "Die notwendige Unterstützung aller hilfsbedürftiger Flüchtlinge kann nicht mit dem Hinweis auf die dadurch entstehenden Budgetbelastungen oder die Frage der vorhandenen Kapazitäten zur Disposition gestellt werden, wie dies Minister Strasser gegenüber Journalisten zu bedenken gab", kritisiert Anny Knapp die Reaktion des Innenministers.

Beinahe reflexartig sucht der Minister einen Schuldigen für seine Misere zu finden und entwirft ein völlig irreales Bedrohungsszenario. Würde tatsächlich die keineswegs luxuriöse Versorgung einen Anreiz zum Stellen eines Asylantrags darstellen, müßten im Großteil der EU-Staaten, in denen die Gewährung der Grundversorgung eine Selbstverständlichkeit darstellt, einen enormen Zulauf haben. Die Anzahl der AsylwerberInnen in der EU sind jedoch durch die gefallene Anzahl von afghanischen Asylsuchenden deutlich gesunken. Die Schuld an der rechtwidrigen Praxis des BMI liegt nicht beim Widerstand der Opposition gegen die Asylgesetznovelle, sondern in der mangelnden Bereitschaft, für faire und qualitativ hochwertige Verfahren durch eine ausreichende Anzahl von qualifizierten MitarbeiterInnen beim Bundesasylamtzu sorgen, wodurch sich die Dauer der Asylverfahren und damit auch die Dauer der Unterstützungsleistungen ohne jede Gesetzesänderung reduzieren ließe. Es ist auch nicht Aufgabe des Gerichts, die dem Innenministerium nun entstehenden finanziellen Folgekosten bei der Entscheidung zu bedenken. Diese Äußerung Minister Strassers stellt das in der Verfassung verankert Prinzip der Gewaltenteilung indirekt in Frage.

Wird die Umsetzung des OGH-Beschlusses ohne erhebliche Ausstockung finanziellen Ressourcen in Angriff genommen, ist zu befürchten, daß ein Teil der AsylwerberInnen wiederum von Unterstützung ausgeschlossen wird oder die Unterbringung und Verpflegung menschenwürdigen und gesundheitlichen Kriterien nicht genügt. Angesichts der derzeit bestehenden zahlreichen Mißstände bei der Versorgung würde sich eine Reduktion des Tagessatzes für die Unterbringung und Versorgung, um mit demselben Budget mehr AsylwerberInnen versorgen zu können, katastrophal auswirken. So hat das laut Innenministerium günstigere Betreuungsangebot von European homecare dazu geführt, daß die Qualität der Versorgung dramatisch gesunken ist, Essen in schlechter Qualität ist auch bei etlichen anderen Vertragspartnern des BMI anzutreffen.
Angesichts der massiven Kritik an der Richtlinie zur Bundesbetreuung und der unmittelbar bevorstehenden Umsetzung der EU-Richtlinie, durch die Österreich zur Grundversorgung aller AsylwerberInnen verpflichtet ist, hätte Minister Strasser schon längst die rechtliche und budgetären Voraussetzungen festlegen müssen. Rechtlich ist nicht nur eine Vereinbarung mit den Ländern über die Kompetenzen für die Grundversorgung erforderlich, die jetzt als Entwurf vorliegt, es bedarf auch einer Änderung des Bundesbetreuungsgesetzes, das einen klaren Rechtsanspruch und Standards bei der Bundesbetreuung festlegt.



Anny Knapp, asylkoordination österreich