Bei der Organisation Menschenrechte Österreich,
die nun nach den Wünschen Minister Strassers die Schubhaftbetreuung
übernehmen soll, kann man wohl kaum von einer NGO ausgehen,
da die Organisation erst jetzt zu dem Zweck gegründet wurde,
die Schubhaftbetreuung in Wien zu übernehmen.
Wir nehmen an, dass es Zusagen des Innenministeriums an
Günter Ecker schon seit längerem gibt, da Günter
Ecker, Gründer des Vereins, bereits vor Weihnachten Personal
gesucht hat, als der Verein noch gar nicht zugelassen war. Der
Verein SOS Menschenrechte, der in Linz Schubhaftbetreuung macht,
trennte sich letztes Jahr von Günter Ecker, wohl nicht
zuletzt wegen seiner guten Beziehungen zum Innenminsterium,
die eine kritische Distanz vermissen ließen.
Offener Brief an Innenminister Strasser
Mit Empörung hören wir, dass die Schubhaftbetreuungsverträge
für Caritas Wien und Volkshilfe gekündigt wurden.
Seit 1998 haben sich beide Organisationen bemüht, die Betreuung
von Schubhäftlingen sicherzustellen, was angesichts der
unzureichenden finanziellen Ausstattung von seiten Ihres Ressorts
und der Einschränkungen beim Zugang zu den Schubhäftlingen
schwierig genug war.
Drei Jahre haben die Organisationen die Betreuung offensichtlich
zur Zufriedenheit des Innenressorts erfüllt, eine Verlängerung
des jährlich zu beantragenden Vertrags stand nicht zur
Debatte. Im Zuge ihrer Tätigkeiten konnten zahlreiche Verbesserungen
in den Polizeigefangenehäusern erreicht werden, die auch
vom Wachpersonal gewürdigt wurden. So wurde von Caritas
und Volkshilfe beispielsweise ein kleines Wörterbuch in
verschiedenen Sprachen erstellt, auf das auch Wachebeamte gerne
zurückgriffen oder die Häftlinge mit nötigen
Sanitätsartikeln oder Kleidung versorgt. Im Sommer 2002
organisierten die Organisationen gemeinsam mit den Verantwortlichen
im Innenministerium eine Konferenz über die Zukunft der
Schubhaft, bei der von allen Seiten die Fortsetzung der guten
Kooperation bestätigt wurde und gemeinsame Vorschläge
für weitere Verbesserungen der Haftbedingungen erarbeitet
wurden. Kein Hinweis also, dass die beiden Organisationen
ihre Aufgabe nicht mit großem Engagement und Kreativität
erfüllt hätten.
Wir sehen in Ihrer Vorgangsweise einen Affront gegen alle NGOs,
die sich zuallererst ihrem menschenrechtlichen und sozialen
Auftrag verpflichtet sehen und nicht hintanstehen, wenn es darum
geht, menschenrechtswidriges Vorgehen zu kritisieren. Gerade
bei der Beratung und Betreuung von Flüchtlingen und MigrantInnen
ergibt sich geradezu zwangsläufig immer wieder Anlaß
zur Kritik – ich verweise hier nur auf die menschenrechts-
und verfassungswidrige Richtlinie für die Bundesbetreuung
hilfsbedürftiger Asylwerber.
Die von ihnen angewandte Methode, die Gründung von Organisationen
zu unterstützen, von denen sie eine kritiklose Aufgabenerfüllung
erwarten, wie dies nun im Fall von Menschenrechte Österreich
offensichtlich erfolgt ist, erachten wir als demokratiepolitisch
äußerst bedenken. Von einem Ressortverantwortlichen
würden wir erwarten, dass die Kritik erst genommen wird
und gemeinsam nach Lösungen gesucht wird. Wir sind daher
äußerst besorgt über die Verweigerung eines
Dialogs über die asyl- und migrationspolitischen Vorhaben
mit den in diesem Bereich tätigen NGOs, die als Experten
die Auswirkung auf die Betroffenen am besten beurteilen können
und dazu beitragen, drohende Menschenrechtsverletzungen hintanzuhalten.
Wien, 27. Februar 2003
Anny Knapp
(Obfrau asylkoordination Österreich)
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