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Offener Brief an Innenminister Strasser [Presseaussendung 28.02.2003]
Die asylkoordination Österreich kritisiert in einem offenen Brief Minister Strasser wegen der Kündigung der Schubhaftbetreuung Wien für Caritas Wien und Volkshilfe.
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Bei der Organisation Menschenrechte Österreich, die nun nach den Wünschen Minister Strassers die Schubhaftbetreuung übernehmen soll, kann man wohl kaum von einer NGO ausgehen, da die Organisation erst jetzt zu dem Zweck gegründet wurde, die Schubhaftbetreuung in Wien zu übernehmen.
Wir nehmen an, dass es Zusagen des Innenministeriums an Günter Ecker schon seit längerem gibt, da Günter Ecker, Gründer des Vereins, bereits vor Weihnachten Personal gesucht hat, als der Verein noch gar nicht zugelassen war. Der Verein SOS Menschenrechte, der in Linz Schubhaftbetreuung macht, trennte sich letztes Jahr von Günter Ecker, wohl nicht zuletzt wegen seiner guten Beziehungen zum Innenminsterium, die eine kritische Distanz vermissen ließen.



Offener Brief an Innenminister Strasser


Mit Empörung hören wir, dass die Schubhaftbetreuungsverträge für Caritas Wien und Volkshilfe gekündigt wurden. Seit 1998 haben sich beide Organisationen bemüht, die Betreuung von Schubhäftlingen sicherzustellen, was angesichts der unzureichenden finanziellen Ausstattung von seiten Ihres Ressorts und der Einschränkungen beim Zugang zu den Schubhäftlingen schwierig genug war.
Drei Jahre haben die Organisationen die Betreuung offensichtlich zur Zufriedenheit des Innenressorts erfüllt, eine Verlängerung des jährlich zu beantragenden Vertrags stand nicht zur Debatte. Im Zuge ihrer Tätigkeiten konnten zahlreiche Verbesserungen in den Polizeigefangenehäusern erreicht werden, die auch vom Wachpersonal gewürdigt wurden. So wurde von Caritas und Volkshilfe beispielsweise ein kleines Wörterbuch in verschiedenen Sprachen erstellt, auf das auch Wachebeamte gerne zurückgriffen oder die Häftlinge mit nötigen Sanitätsartikeln oder Kleidung versorgt. Im Sommer 2002 organisierten die Organisationen gemeinsam mit den Verantwortlichen im Innenministerium eine Konferenz über die Zukunft der Schubhaft, bei der von allen Seiten die Fortsetzung der guten Kooperation bestätigt wurde und gemeinsame Vorschläge für weitere Verbesserungen der Haftbedingungen erarbeitet wurden. Kein Hinweis also, dass die beiden Organisationen ihre Aufgabe nicht mit großem Engagement und Kreativität erfüllt hätten.

Wir sehen in Ihrer Vorgangsweise einen Affront gegen alle NGOs, die sich zuallererst ihrem menschenrechtlichen und sozialen Auftrag verpflichtet sehen und nicht hintanstehen, wenn es darum geht, menschenrechtswidriges Vorgehen zu kritisieren. Gerade bei der Beratung und Betreuung von Flüchtlingen und MigrantInnen ergibt sich geradezu zwangsläufig immer wieder Anlaß zur Kritik – ich verweise hier nur auf die menschenrechts- und verfassungswidrige Richtlinie für die Bundesbetreuung hilfsbedürftiger Asylwerber.
Die von ihnen angewandte Methode, die Gründung von Organisationen zu unterstützen, von denen sie eine kritiklose Aufgabenerfüllung erwarten, wie dies nun im Fall von Menschenrechte Österreich offensichtlich erfolgt ist, erachten wir als demokratiepolitisch äußerst bedenken. Von einem Ressortverantwortlichen würden wir erwarten, dass die Kritik erst genommen wird und gemeinsam nach Lösungen gesucht wird. Wir sind daher äußerst besorgt über die Verweigerung eines Dialogs über die asyl- und migrationspolitischen Vorhaben mit den in diesem Bereich tätigen NGOs, die als Experten die Auswirkung auf die Betroffenen am besten beurteilen können und dazu beitragen, drohende Menschenrechtsverletzungen hintanzuhalten.


Wien, 27. Februar 2003

Anny Knapp
(Obfrau asylkoordination Österreich)