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Hintergrundinformation zur aktuellen Asylrechtsdebatte
[Presseaussendung 15.10.2002] |
Entgegen den Behauptungen des Innenministers
in den letzten Tagen zeigen die Entscheidungen der Asylbehörden
deutlich, daß ein großer Teil der in Österreich
gestellten Asylanträge berechtigt sind.
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23 Prozent der abgeschlossenen Verfahren des Jahres 2001 endeten
mit der Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß
der Genfer Flüchtlingskonvention, darunter auch Flüchtlinge
aus Ländern, bei denen Innenminister Strasser im vorhinein
eine Asylgewährung für völlig ausgeschlossen
sehen will, so beispielsweise Georgien, Albanien, Armenien,
Nigeria u.a.
Ob jemand Anspruch auf Asyl hat, ist in einem ordentlichen und
fairen Verfahren zu klären, und nicht zu deklarieren. Ein
Ausschluß allein aufgrund der Herkunft ist menschenrechtswidrig
und mit der Genfer Flüchtlingskonvention nicht zu vereinbaren.
Ebenso menschenrechts- und verfassungswidrig sind die derzeitigen
Überlegungen des Ministers, verfahrensrechtliche Mindestgarantien
einzuschränken. Dazu gehört jedenfalls die Möglichkeit,
Berufung gegen eine behördliche Entscheidung einzulegen,
Information über die Rechte und der Aufenthalt in Österreich
bis eine endgültige Entscheidung getroffen wird.
Eine weitere Voraussetzung ist die Grundversorgung von Asylwerbern,
um im Verfahren mitwirken zu können. Wenn AsylwerberInnen
keine Unterkunft und folglich auch keine Meldeadresse haben,
kann ihnen keine Vorladung zugestellt werden. Wenn AsylwerberInnen
nur bis zur negativen Entscheidung erster Instanz versorgt und
dann auf die Straße gesetzt werden, können sie eine
Berufung nur unter erschwerten Bedingungen und existentieller
Bedrohung einlegen. Von einem fairen Verfahren kann unter diesen
Bedingungen nicht mehr gesprochen werden.
Die Forderung nach rascheren Verfahren kann nur an den verantwortlichen
Innenminister zurückfallen. Es fehlt nicht an gesetzlichen
Grundlagen, sondern an ausreichendem und qualifiziertem Personal,
um Asylverfahren effektiv abzuwickeln. Wenn AsylwerberInnen
4 bis 6 Monate auf die erste Einvernahme bei den Asylbehörden
warten müssen, erscheint es völlig sinnlos, eine rasche
Entscheidung zu fordern, wenn das Personal dafür nicht
vorhanden ist. Es ist allerdings zu befürchten, daß
dieser Druck zur raschen Entscheidung die Qualität der
Einvernahmen und der Bescheide noch weiter verschlechtert.
Weitere Vorschläge Minister Strassers, Listen sicherer
Herkunftsländer und sicherer Drittstaaten auf EU-Ebene
zu beschließen, haben sich in den vergangenen Jahren in
Österreich als unpraktikabel erwiesen. Es gibt so gut wie
keine Entscheidungen der Asylbehörden, die deswegen abgewiesen
werden, weil der Herkunftsstaat als verfolgungsfreier Staat
beurteilt wird. Asylanträge von Personen aus den Beitrittskandidatenländern
bewegen sich im Promillebereich, sodaß spezielle Regelungen
für die voraussichtliche kurze Zeit, bis diese Länder
Mitgliedsstaaten der EU sind, überflüssig erscheint.
Wenn Minister Strasser sichere Drittstaaten, in die Asylsuchende
zurückgewiesen werden sollen, in einer Liste definitiv
festgelegt wissen will, kann dies nur als Ausdruck der konzeptlosen
Novellierungen der Drittlandsklausel verstanden werden. Immerhin
ließ sich der Minister im November 1998 die Festlegung
sicherer Drittstaaten per Verordnung eingeräumen. Davon
haben weder Minister Strasser noch sein Vorgänger je Gebrauch
gemacht, sondern diese Möglichkeit mit der Asylgesetznovelle
2001 wieder abgeschafft, um stattdessen eine äußerst
vage Definition sicherer Drittstaaten sowie die Kettenabschiebung
von einem "sicheren" Drittstaaten in den nächsten
zu ermöglichen. De facto ist diese jüngste Regelung
genauso verfassungsrechtlich bedenklich und mit hohem administrativem
Aufwand verbunden wie die vorangegangenen.
Der Kärntner Landeshauptmann hat sich jüngst auf den
Verfassungsschutzbericht bezogen um seine Ansicht zu untermaueren,
dass ein Großteil der in Österreich aufgegriffenen
"Illegalen Grenzgänger" keine Flüchtlinge
seien.
Der Verfassungsschutzbericht des BMI vom September 02 läßt
einige Fragen offen. Es wird darin festgestellt, daß im
Jahr 2001 insgesamt 48.659 Personen aufgegriffen wurden, die
kein Aufenthaltsrecht hatten, geschleppt wurden oder sich selbst
als Schlepper betätigten. Der Bericht informiert auch über
die wichtigsten Herkunftsländer der aufgegriffenen Fremden.
Demnach wurden im Jahr 2001 unter anderen 7665 afghanische Staatsangehörige
und 2443 irakische Staatsangehörige aufgegriffen. Aus diesen
beiden Herkunftsländern stammten auch die Hälfte der
Asylwerber des Jahres 2001, nämlich 15.070.
Es ist allgemein unbestritten, daß Menschen aus diesen
Ländern gute Gründe zur Flucht haben, was sich letztlich
auch in der Anzahl der positiven Entscheidungen der Asylbehörden
niederschlägt: 56 Prozent aller Asylentscheidungen über
Anträge der afghanische und 27 Prozent der irakischen Flüchtlinge
endeten positiv.
Im Verfassungsschutzbericht wird auch eine Auswertung der Motive,
nach Österreich einzureisen oder sich illegal aufzuhalten
vorgelegt. Demnach sei politische Verfolgung nur von 12,7 Prozent
der Aufgegriffenen genannt worden. Alleine die aufgegriffenen
afghanischen und irakischen Flüchtlinge machen jedoch über
20 Prozent der Aufgegriffenen aus, die, wie aus der Statistik
über die Herkunft der AsylwerberInnen erkennbar ist, auch
Verfolgung im Rahmen eines Asylverfahrens geltend gemacht haben.
Wir müssen also davon ausgehen, daß bei zumindest
doppelt so hohem Prozentsatz der Aufgegriffenen "politische
Verfolgung" der Grund ihrer heimlichen Einreise ist. Die
Beweggründe, die im Verfassungsschutzbericht angeführt
werden, werden beim ersten Kontakt mit der Polizei oder Gendarmerie
erfaßt. Mißverständnisse sind dabei nicht ausgeschlossen,
da für diese Befragung die Beiziehung qualifizierter Dolmetscher
nicht gewährleistet ist. Außerdem haben 23 Prozent
keine Angaben gemacht, auch sie können Flüchtlinge
sein. Ebenso viele haben persönliche oder familiäre
Gründe angegeben. Es bleibt in dem Bericht offen, wie viele
von ihnen Familienangehörige von Flüchtlingen sind.
Es wäre also völlig unzulässig, aus diesen Zahlen
zu schließen, daß der Anteil von Flüchtlingen
unter den Aufgegriffenen gering ist.
Erwähnenswert ist außerdem, daß etwa ein Drittel
der Aufgegriffenen aus einem EU Land nach Österreich gelangten.
Sie verfügten meist über ein abgelaufenes Schengen-Visum
und befanden sich auf der Rückreise in ihre Heimatländer.
Wien, 15. Oktober 2002
Rückfragen: asylkoordination Österreich 53
212 91/12 oder /15
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