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Aus für Dublin II bei unbegleiteten minderjährigen AsylwerberInnen [13.06.2013]
Nach Urteil des Europäischen Gerichtshofes dürfen Flüchtlingskinder nicht mehr in andere EU-Staaten abgeschoben werden.
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„Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs ist sensationell“, freut sich Anny Knapp von der asylkoordination österreich über die Zuständigkeitsklärung von minderjährigen Flüchtlingen, die zuvor bereits in einem anderen Land Asyl beantragt haben. Für Österreich hat dieses Urteil große Bedeutung, da jedes Jahr über 1.000 unbegleitete Flüchtlinge einen Asylantrag stellen, viele jedoch bereits in anderen Ländern, vor allem Ungarn oder Italien, als AsylwerberInnen registriert wurden, oft ohne ihr Wissen und Wollen.

Jetzt kann Österreich solche unbegleitete Minderjährige nicht mehr in andere EU-Staaten abschieben, sondern muss den Antrag in Österreich inhaltlich prüfen. „Wir haben die Überstellungen in Länder wie Italien oder Ungarn, zuvor natürlich auch Griechenland, kritisiert, weil die Rechte von Flüchtlingskindern in diesen Ländern nicht eingehalten werden und gefordert, dass ihr Asylantrag in Österreich geprüft wird. Nun gibt es durch die Entscheidung des EUGH eine klare Zuständigkeitsregel.“

Anlass für die bahnbrechende Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs war eine Anfrage des britischen Innenministeriums an den Gerichtshof, ob das Wohl des Kindes vorrangig zu berücksichtigen sei, wenn ein Flüchtlingskind zuvor bereits in einem anderen EU-Staat einen Asylantrag gestellt hat. Die Dublin-Verordnung, die die Zuständigkeit für die Prüfung eines Asylantrags regelt, sieht für unbegleitete Minderjährige vor, dass ihr Asylantrag in jenem Land geprüft wird, in dem sie ihren Asylantrag gestellt haben. Die Asylbehörden legten diese Regelung meist so aus, dass jenes Land für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig sei, in dem der erste Asylantrag gestellt wurde. Die Folge: Auch Minderjährige wurden oft über mehrere Landesgrenzen hinweg in andere EU-Staaten abgeschoben.
Mit der Entscheidung vom 6. Juni 2013, ist nun klar, dass,  wenn ein Minderjähriger in mehreren Staaten einen Asylantrag gestellt hat, jener Staat zuständig ist, in dem er sich aufhält.

Der Gerichtshof stellt in seiner Entscheidung fest, dass im Gegensatz zu erwachsenen AsylwerberInnen bei unbegleiteten Minderjährigen als besonders verletzlicher Gruppe es nicht darauf ankommt, ob es sich um den ersten Asylantrag innerhalb der EU oder einen weiteren Antrag handelt. Wesentlich ist vielmehr, wo sich der Minderjährige aufhält. Untermauert wird die Gerichtsentscheidung mit der Europäischen Grundrechtecharta (Charta der Grundrechte der Europäischen Union), die in Art. 24 ausdrücklich den Vorrang des Wohls des Kindes bei allen Maßnahmen festlegt.
Auch die Bestimmung in der Dublin-Verordnung, nach der sich bei unbegleiteten Minderjährigen die Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats nicht länger als unbedingt nötig hinziehen sollen, wird vom EUGH so ausgelegt, dass unbegleitete Minderjährige grundsätzlich nicht in einen anderen Mitgliedstaat zu überstellen sind.


Rückfragehinweis:
Anny Knapp,   01 5321291 15   knapp@asyl.at