Asylverfahren | Archiv

Die Situation spitzt sich zu [09.12.2012]
Während die Sicherheitslage in Afghanistan immer schlechter wird, versuchten Beamte der BH-Vöcklabruck, afghanische Flüchtlinge direkt nach Kabul abzuschieben.
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Pressekonferenz  asylkoordination österreich Hazara 12 12 © Heiko Kilian Kupries

Auf einer Pressekonferenz zu den Hazara, einer gefährdeten Volksgruppe, wurde die Zunahme an negativen Entscheidungen kritisiert.
Von Kerstin Kellermann


„Wir unterstützen neu angekommene Flüchtlinge“, sagt Shokat Ali Walizadeh, Vorstandsmitglied des Vereins „Neuer Start“, „wenn sie zum Beispiel ein Konto eröffnen wollen und sich mit Banken nicht auskennen. Oder wenn junge Flüchtlinge in ein Dorf verlegt werden und keinen Deutschkurs erhalten.“ Neue Flüchtlinge aus Afghanistan haben es zunehmend schwerer Fuß zu fassen. Sie sind verstärkt von Abschiebung bedroht. „Die Anerkennungsquote sinkt, es haben fast nur noch Frauen Chance auf Asyl“, sagt Anny Knapp von der asylkoordination, „und was die Volksgruppe der Hazara betrifft, so wird nicht abgestritten, dass die Hazara bedroht sind, ihre Verfolgung wird aber nicht als asylrechtlich relevante Verfolgung angesehen – es handle sich nur um Wasser – und Weidekonflikte.“

„Ende September gab es erstmalig Abschiebungen nach Afghanistan. Bisher war nur die freiwillige Rückkehr möglich, da die afghanische Botschaft kein Laissez passez oder Rückreisezertifikat ausstellt. Nun haben österreichische Behörden erstmalig versucht, ein anderes Zertifikat zu organisieren und sind damit kläglich gescheitert“, erklärt Knapp. „Die österreichischen Polizisten mussten die beiden Afghanen wieder zurück nach Österreich mit nehmen, denn das Papier wurde von den zuständigen Behörden nicht anerkannt.“ Damit sei ein Tabu gebrochen worden. Früher wurde mehr oder weniger automatisch subsidiärer Schutz gewährt, jetzt gibt es jetzt auch vermehrt negative Entscheidungen in zweiter Instanz.

Die „International Crisis Group“ (eine NGO in erster Line bestehend aus ehemaligen US-Diplomaten) konstatiert eine kontinuierliche Verschlechterung der Sicherheitslage in Afghanistan, besonders seit der Bekanntgabe des geplanten Abzugs der NATO-Truppen für 2014. Die Situation spitzt sich zu. Allein im August wurden von der UNAMA (United Nations Assistance Mission in Afghanistan) 374 zivile Opfer gezählt. Für die kommenden Jahre mit der schrittweisen Reduzierung der NATO-Truppen wird der Zerfall der nationalen Sicherheitskräfte befürchtet. UN-Organisationen berichten sogar von der Rekrutierung von Kindersoldaten im Grenzgebiet zwischen Afghanistan und Pakistan. Auch in Pakistan mehren sich Übergriffe auf Hazara und andere Schiiten.

„Es gibt einen enormen Druck bei der freiwilligen Rückkehr“, sagt Anny Knapp. „Ein Druckmittel ist es natürlich die Flüchtlinge in Schubhaft zu sperren.“ Es sei eine schizophrene Situation: Abgelehnte AsylwerberInnen ohne Existenzgrundlage können nur mit dem Status als „Geduldete“ überleben, diesen Status erhalten sie aber nur wenn sie an ihrer „freiwilligen Rückreise“ mitwirken – was sie ja gerade nicht wollen. Shokat Ali Walizadeh , der als Zahntechniker bei der Firma Mensburger Dentaltechnik beschäftigt ist, spricht von einer „Geduldungskarte“, ein treffender Versprecher, müssen doch Flüchtlinge wahrlich viel Geduld haben. Ein Afghane, der vor einem Jahr um seine Duldungskarte ansuchte, lebe auf der Straße. „Ich bin im Krieg geboren und aufgewachsen“, sagt ein anderer Hazara. „Aber ich will nicht im Krieg sterben. Die Jungen, die jetzt kommen, kennen nur den Krieg.“


Pressekonferenz  asylkoordination österreich Hazara 12 12 © Heiko Kilian Kupries
Fotos: © Heiko Kilian Kupries




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