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Flüchtlingen in Europa droht flächendeckende Inhaftierung [Presseaussendung, 20.06.2012]
asylkoordination österreich ruft anlässlich des Weltflüchtlingstags zu Protesten auf.
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European Umbrella March 2012:
· asylkoordination österreich ruft anlässlich des Weltflüchtlingstags zu Protesten auf.
· Forderung zu einem klaren Bekenntnis zum internationalen Flüchtlingsschutz an österreichische Regierung.


Wien, 21. Juni 2012 – Zum zweiten Mal rief die asylkoordination österreich zur Teilnahme am European Umbrella March (EUM) am 20. Juni, dem Internationalen Tag des Flüchtlings, auf. Mit aufgespannten Schirmen, die den Schutz für Flüchtlinge symbolisieren, zogen die Teilnehmenden von der Freyung über den Wiener Ring zum Ballhausplatz. Gefordert wird von der österreichischen Regierung und der EU ein klares Bekenntnis zum internationalen Flüchtlingsschutz.
„Angesichts der geplanten Verschärfungen im Asylrecht, ist der Umbrella March eine Gelegenheit zu Zeigen, dass es in Österreich viele Menschen gibt, die mit der herrschenden Politik nicht einverstanden sind und für internationalen Flüchtlingsschutz eintreten“, betont Anny Knapp, Obfrau der asylkoordination österreich.

Weitere Märsche fanden hierzulande auch in Linz, Salzburg, Klagenfurt und St. Pölten statt.
In Wien sorgten DJ Nitkov und SambaAttac für den nötigen Schwung, Omar Sii Sii aus Somalia für den musikalischen Abschluss.
 
 
Der Umbrella March 2012 in Wien:
Betroffene berichten


Die Abschlusskundgebung am Ballhausplatz wurde durch Beiträge von Ruth Schöffl, UNHCR, der Schriftstellerinnen  Zdenka Becker und Renate Welsh-Rabady gestaltet. Insbesondere Berichte von in Wien lebenden Flüchtlingen wie Clifford Erinmwionghae aus Nigeria brachte die Probleme von Flüchtlingen deutlich zum Ausdruck: Clifford ist 2004 als Flüchtling nach Österreich gekommen, inzwischen Vater von drei Kindern und seit September 2011 läuft sein Antrag auf Bleiberecht. Der in mehreren Organisationen engagierte Flüchtling schilderte eindringlich seine Situation der permanenten Unsicherheit.
Ulla Pavlicek, Kultur- Und Sozialanthropolpgin aus Wien kümmert sich seit Anfang des Jahres um  Noori, einen Cousin ihres afghanischen Lebensgefährten. Der Junge Mann war bei der Einreise aus Ungarn festgenommen worden. Statt in Erstaufnahmezentrum Traiskirchen wurde er sofort in das „gelindere Mittel“ in der Zinnergasse in Simmering gebracht. „Erst nach Wochen wurde festgestellt, dass er unter TBC litt. Nach einem fünfwöchigen Spitalsaufenthalt soll er am 21. Juni nach Ungarn abgeschoben werden.“
Asylexpertin Anny Knapp zu diesem Fall: „Das Schicksal Nooris zeigt wieder einmal die Unmenschlichkeit des europäischen Asylsystems. Wir brauchen einen grundlegenden Paradigmenwechsel in der Flüchtlingspolitik. Eigentlich sollte das Dublin-System, das immer wieder dazu führt, dass Flüchtlinge quer durch Europa verschoben werden, abgeschafft werden. Wir brauchen stattdessen ein System, das den Bedürfnissen der Betroffenen gerecht wird."
 

Mit dem Flüchtlingsschutz geht es steil bergab

Die Forderung an die europäischen Regierungen zu einem klaren Bekenntnis für den Flüchtlingsschutz wird immer dringlicher. Denn in der realen Praxis scheinen die Internationalen Verträge, in denen sich Österreich und alle anderen Staaten der EU verpflichtet haben Flüchtlinge und Vertriebene zu schützen und Asyl zu gewähren, immer weiter ins Hintertreffen zu geraten: Flüchtlinge werden des Öfteren gleich nach der Einreise in Schubhaft genommen und somit von einer effizienten rechtlichen Beratung abgeschnitten. Die oftmals darauf folgende Abschiebung in Länder, die nicht in der Lage oder nicht willens sind Asylsuchende entsprechend den internationalen Standards zu behandeln, sorgt die Flüchtlingsbetreuer zudem. Flüchtlingsschutz ernst zu nehmen bedeutet auch, die Verantwortung dafür nicht auf andere Staaten abzuschieben.
 
Statements einiger UnterstützerInnen auf der Bühne des EUM 2012:
 
Ruth Schöffl: „Pressesprecherin des UNHCR in Österreich: „Der soeben herausgekommene UNHCR Report "Global Trends" zeigt: Nur ein Bruchteil der 4,3 Millionen Flüchtlinge kommt nach Europa."
 
Zdenka Becker, Schriftstellerin in Bratislava aufgewachsen seit 1975 in Österreich. Sie schreibt ihre Romane und Theaterstücke in Deutsch: „Flüchtlinge verlassen ihre Länder nicht freiwillig. Man soll ihnen hier eine Chance geben, es ist unmenschlich sie über Jahre vom Arbeitsmarkt fern zu halten."
 
Renate Welsh-Rabady, Schriftstellerin von Kinder- und Erwachsenenbüchern und Präsidentin der IG Autorinnen Autoren: „Wie komme ich dazu mich schämen zu müssen. Ich wünsche mir eine österreichische Flüchtlingspolitik auf die ich stolz sein kann."
 
 
Neue Reform der EU-Aufnahmerichtlinie

Flüchtlingsschutz ist auf der Ebene der Europäischen Union durch mehrere EU-Richtlinien geregelt. Diese Richtlinien wurden in den Jahren zwischen 2000 und 2009 beschlossen und werden zurzeit – nach einer Phase der Evaluierungen – reformiert. Nun drohen statt der von Flüchtlings-NGOs und der EU-Kommission angeregten Reformen weitere Verschärfungen.
„Wenn diese Richtlinie in Kraft treten sollte, drohen in ganz Europa Griechische Zustände“, befürchtet Anny Knapp. Gegenstand der Besorgnis der Asylexpertin sind nicht aus dem Ruder laufende Staatschulden, sondern die in Griechenland häufig geübte Praxis Flüchtlinge in Haft zu nehmen.
Besonders bedrohlich finden europäischen Flüchtlings-NGOs die geplante Ausweitung der Begründungen, weshalb AsylwerberInnen in Schubhaft genommen werden können. „Flucht ist kein Verbrechen, hier wird eine rote Linie überschritten, eine solche Regelung wäre weder mit den Menschenrechten noch mit der Genfer Flüchtlingskonvention vereinbar“, gibt Herbert Langthaler, Vorstandsmitglied der asylkoordination österreich zu bedenken.
Verantwortlich für drohende flächendeckende Haft für Flüchtlinge sind die InnenministerInnen der 27 Mitgliedsstaaten (EU-Rat). Zurzeit laufen unter dem Vorsitz der dänischen Präsidentschaft Verhandlungen zwischen EU-Rat, Kommission und Parlament um die Richtlinienreform noch vor Ende Juni zu beschließen. „Wir appellieren an EU-Parlament und Kommission in dieser Frage nicht nachzugeben. Es ist beschämend, dass die europäischen Regierungen sich ihrer Verantwortung auf diese Weise entledigen wollen“, zeigt sich Langthaler empört.
 
Bildmaterial
Weitere Eindrücke unter: http://www.flickr.com/photos/augeug/7409558850/in/set-72157630211529396 und aus Salzburg unter http://bleiberecht.webnode.at/fotogalerie/
Alle Bilder stehen unter Angabe der Bildrechte ©asylkoordination österreich kostenfrei zur Verfügung.





Rückfragen:
Anny Knapp, asylkoordination österreich
knapp@asyl.at
Tel. + 43 1 53 212 91 – 15
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