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Familienleben: ein Menschenrecht – kein Missbrauch [Presseaussendung, 12.01.2012]
Die asylkoordination österreich stellt der von Innenministerin Mikl-Leitner vom Zaum gebrochenen Kampagne gegen Flüchtlingskinder Fakten gegenüber. ...
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Bei den jüngsten Äußerungen der Innenministerin zu den von ihr so bezeichneten „Ankerkindern“ handelt es sich um eine gezielte Kampagne gegen Flüchtlingskinder. Die Darstellung der Fluchtstrategien afghanischer Familien als „Missbrauch“ ist eine grobe Verzerrung der Realität.

Familienleben: ein Menschenrecht - kein Missbrauch

„Natürlich bringen Familien, die sich die Flucht für nur ein Familienmitglied leisten können, zuerst die Kinder in Sicherheit. Dass dann – wenn es irgendwie möglich ist – auch andere Familienmitglieder versuchen zu folgen, ist verständlich“ so Heinz Fronek von der asylkoordination österreich. Die Darstellung der Fluchtstrategien afghanischer Familien als „Missbrauch“ kann nur als eine grobe Verzerrung der Realität bezeichnet werden.

Das Recht auf Familienleben wird durch die Kinderrechtskonvention, die Europäische Menschenrechtskonvention und EU-Richtlinien geschützt. Entgegen dem Eindruck, den das Innenministerium vermittelt, handelt es sich beim Familiennachzug dieser Gruppe zudem keinesfalls um ein Massenphänomen. Recherchen der asylkoordination österreich haben ergeben, dass im Jahr 2011 gerade 17 Jugendliche ihre Angehörigen im Rahmen der Familienzusammenführung nach Österreich holen konnten. Dass es so wenige sind, liegt auch an restriktiven nationalen Gesetzen und schikanösen Praktiken – vor allem der österreichischen Botschaft in Islamabad.

„Völlig aus der Luft gegriffen ist die Behauptung des Innenministeriums, dass viele junge Afghanen in Österreich rasch Asyl erhalten,“ so Fronek. „Unbegleitete Afghanen bekommen – zumindest in der ersten Instanz – fast nie die Flüchtlingseigenschaft zugesprochen.“ Viele erhalten hingegen subsidiären Schutz, können ihre Eltern und minderjährigen Geschwister somit frühesten nach einem Jahr nachholen. Dies aber nur dann, wenn sie zu diesem Zeitpunkt noch minderjährig sind.

Die Einreiseverfahren dauern lange, im Durchschnitt ein Jahr, manchmal wesentlich länger. Es müssen DNA-Tests beigebracht werden, die extrem kostspielig sind und von den Familien vorfinanziert werden müssen. Auch Altersbegutachtungen von Geschwistern werden regelmäßig behördlich angeordnet. Die Kosten dafür tragen die Flüchtlinge. Die Familienmitglieder müssen dafür nach Pakistan reisen, was bei der aktuellen politisch/militärischen Situation in Afghanistan ein zusätzliches Sicherheitsrisiko darstellt.

Der Großteil der Kinderflüchtlinge kam 2011 aus Afghanistan. Die meisten von ihnen  gehören ethnischen Gruppen an, die in Afghanistan in der Minderheit sind. Vor allem die schiitischen Hazara waren unter den Taliban Opfer extremer Verfolgung und auch aktuell haben sie mit massiver Diskriminierung zu leben. Eine erneute Machtübernahme der Taliban ist, nach einem Rückzug der USA, nach Meinung vieler Experten nur eine Frage der Zeit. Es besteht akute Lebensgefahr für diese Menschen.
Die Fluchtbewegung aus Afghanistan folgt einer ähnlichen Logik wie die der „Kindertransporte“ unmittelbar vor dem Ausbruch des 2. Weltkriegs, die 10.000 jüdischen Kindern das Leben retteten. Auch damals war das „Boot voll“ und viele Kinder sahen ihre Eltern nie mehr wieder.



Rückfragen:
Heinz Fronek, asylkoordination österreich
fronek@asyl.at
Tel. + 43 1 53 212 91 – 11
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