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Europäisches Asylsystem: Anfang vom Ende des Dublin II Systems? [Presseaussendung, 22.12.2011]
Urteil des Europäischen Gerichtshofs stellt EU-Asylsystem bloß.
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„Es wird in Zukunft nicht mehr gehen, Flüchtlinge in Staaten, deren Asylsystem in Folge außergewöhnlich hoher Antragszahlen nicht mehr funktioniert, zurückzuschieben.“ Dies könnte laut Anny Knapp, Obfrau der asylkoordination österreich, eine der Auswirkungen der jüngsten bahnbrechenden Entscheidung des Europäischen Gerichtshof (EuGH) sein.

Nach der Entscheidung des Straßburger Gerichtshofs für Menschenrechte im Jänner 2011, in dem Griechenlands menschenrechtswidriger Umgang mit Asylsuchenden festgestellt wurde, ist die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in Luxemburg der zweite Schlag gegen das europäische Asylzuständigkeitsystem, die „Dublin II-Verordnung“.

Die Entscheidung betrifft mehrere Fälle von Flüchtlingen, die nachdem sie in Griechenland registriert worden waren, in anderen EU-Ländern (UK, Irland) Asylanträge gestellt hatten und nach Griechenland zurückgeschickt werden sollten. Der EuGH stellt jetzt fest, dass es nicht mit den Europäischen Grundrechten vereinbar ist, von der Prüfung menschenrechtlicher Bedenken gegen eine Abschiebung in einen anderen EU-Staat abzusehen.

Im Gegensatz zu der, der Dublin-Verordnung zugrunde liegenden Annahme, dass Asylsuchende in allen EU-Staaten gleiche Chancen auf ein faires Asylverfahren, Schutz vor Abschiebung und menschenwürdige Lebensbedingungen vorfinden würden, ist jedoch speziell bei Griechenland evident, dass dieser Staat seine Verpflichtungen nicht einhält. „Das Gerichtsurteil gibt unsere Kritik am Dublin-System Recht. Die Einhaltung der Menschenrechte muss bei allen Abschiebungsentscheidungen berücksichtigt werden, auch bei EU-Staaten“, meint Anny Knapp. Die asylkoordination sieht direkte Auswirkungen dieses Urteils auf die Asylverfahren in Österreich.

Bisher mussten die AsylwerberInnen nachweisen, dass im Falle einer Abschiebung sie persönlich von einer menschenrechtswidrigen Behandlung bedroht wären. Was sich in der Praxis meist als sehr schwierig erwies. Nun sind aber auch die Asylbehörden gefordert, Bedenken an der menschen- und EU-rechtskonformen Behandlung auch in EU-Staaten nachzugehen. In einer Presseerklärung des EuGH zu seinem jüngsten Erkenntnis heißt es dazu: „Es obliegt nämlich den Mitgliedstaaten einschließlich der nationalen Gerichte, einen Asylbewerber nicht an den als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, wenn ihnen nicht verborgen geblieben sein kann, dass die systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber ernstlich und erwiesenermaßen Grund zu der Annahme geben, dass der Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ausgesetzt zu werden.“

„Entscheidungen des Asylgerichtshofes, mit denen der Selbsteintritt Österreichs in das Asylverfahren abgelehnt und als nicht vereinbar mit der Wirksamkeit der Dublin-II-Verordnung begründet wurde, wie in zahllosen Dublin Erkenntnissen zu Griechenland zu lesen war, sollten der Vergangenheit angehören“ ist Knapp überzeugt.

Link zur Aussendung des EuGH
http://curia.europa.eu/jcms/upload/docs/application/pdf/2011-12/cp110140de.pdf



Rückfragehinweis:
Anny Knapp, asylkoordination österreich
knapp@asyl.at
Tel. + 43 1 53 212 91 – 15
mobil 0688 828 4460<