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asylkoordination fordert EU-rechtskonforme Fremdenrechtsnovelle [18.02.2011]
Die Änderungen im Fremdenrecht sollen die EU-Rückführungsrichtlinie sowie der Entscheidung der Verfassungsgerichts über die Rechtsberatung im Asylverfahren umsetzten. Diesen Anspruch löst der Gesetzesentwurf in weiten Teilen jedoch nicht ein. ...
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Die Änderungen im Fremdenrecht sollen die EU-Rückführungsrichtlinie sowie der Entscheidung der Verfassungsgerichts über die Rechtsberatung im Asylverfahren umsetzten. Diesen Anspruch löst der Gesetzesentwurf in weiten Teilen jedoch nicht ein.

Zahlreiche Bestimmungen, über die am 22.2. im Ministerrat Konsens erzielt werden wird, sind nicht EU rechtskonform, kritisiert Anny Knapp von der asylkoordination österreich die geplanten Änderungen im Fremdenrecht. Die Standards, die von der EU-Rückführungsrichtlnie vorgegeben werden und die bis Dezember 2010 von Österreich umzusetzen war, werden in zahlreichen Punkten unterschritten.

So sieht der Entwurf vor, die Sicherheitsdirektion weiterhin in Rückkehrverfahren als Berufungsinstanz beizubehalten, obwohl die EU-Richtlinie ein unabhängiges Organ oder Gericht fordert. Nicht EU-konform sind weiters das mit einer Rückkehrentscheidung zwingend zu verhängendes Einreiseverbot mit einer Mindestdauer von 2 Jahren. Ebenso problematisch ist, dass schon eine erstinstanzliche Rückkehrentscheidung die Erteilung eines Aufenthaltstitels verunmöglicht, obwohl die Entscheidung noch keine Rechtskraft hat. Es zeigt sich auch in anderen neuen Bestimmungen, dass das Prinzip des Rechtsschutzes im fremdenpolizeilichen Verfahren umgangen wird, beispielsweise durch die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Berufung. Entgegen den EU-Vorgaben will das Innenministerium auch eine Mindestfrist einführen, wann die Aufhebung eines Einreiseverbots beantragt werden kann, weil die Voraussetzungen für das Einreiseverbot nicht mehr vorliegen. Über Bord geworfen werden soll auch das Prinzip der Aufenthaltsverfestigung, obwohl nach langer Aufenthaltsdauer in Österreich eine Ausweisung in den meisten Fällen das menschenrechtlich geschützte Privat- und Familienleben verletzen dürfte. Ebenso nicht richtlinienkonform dürfte die späte, erst nach vier Monaten angesetzte, obligatorische Haftprüfung durch den UVS bei Schubhaft sein.

Auch die Kostenersatzpflicht eines Arbeitgebers für das aufenthaltsbeendende Verfahren und damit verbundene Maßnahmen wie Schubhaft, wenn er einen Fremden illegal beschäftigt hat, ist mit EU Recht nicht vereinbar.

Die asylkoordination kritisiert an dem Gesetzesvorhaben auch die Verlängerung der Schubhaft. Die absolute Höchstgrenze für Schubhaft soll von 10 Monaten nun auf 18 Monate angehoben werden.. Bis zu 1 ½ Jahr Freiheitsentzug sollen auch dann möglich werden, wenn die Ausreisevoraussetzung nicht vom Betroffenen beeinflußt werden können, etwa bei Fehlen der Bewilligung anderer Staaten für die Ein- und Durchreise. Anstatt generell den Vorzug für Gelindere Mittel (also die Ausschöpfung von Möglichkeiten jenseits der Inhaftierung) gesetzlich zu verankern, soll die Anwendung „Gelinderer Mittel“ sogar bei 16 bis 18-Jährigen Jugendlichen nicht mehr, wie bisher, der Regelfall sein.

Deutliche Verschlechterungen enthält der Entwurf auch für Kinder, die entgegen allen Empfehlungen internationaler Menschenrechtseinrichtungen, in Zukunft in Schubhaft gesperrt werden können. Eltern sollen dazu genötigt werden, ihre Kinder „freiwillig“ mit in Schubhaft zu nehmen. Tun sie das nicht, wird damit gedroht, dass ihnen die Obsorge für ihr/e Kind/er entzogen wird.
Eine zeitnahe zu Beginn des Freiheitsentzugs durchzuführende richterliche Überprüfung der Schubhaft ist nicht vorgesehen. Erst nach 4 Monaten (!) soll der Unabhängige Verwaltungssenat der Länder die Rechtmäßigkeit prüfen!

Auch geringere Vergehen oder Verwaltungsstrafen sollen nun zwingend zu einem Rückkehrverbot bei AsylwerberInnen führen, wodurch diese ihr Aufenthaltsrecht während des Asylverfahrens verlieren und selbst für den Fall, dass sich die Abschiebung oder Ausweisung als unzulässig herausstellt, dieses „Aufenthaltsverbot“ aufrecht bleibt. Die Integration von subsidiär Schutzberechtigten oder von Personen, die aufgrund familiärer Bindungen nicht abgeschoben werden dürfen, wird damit unterbunden.

Im Gesetzesvorschlag wird, EU-Rechtsvorgaben folgend, zwar eine Rechtsberatung im fremdenpolizeilichen und asylrechtlichen Verfahren eingeführt, an ein System unabhängiger Rechtsberatung ist aber offensichtlich nicht gedacht. Statt unabhängiger und weisungsfreier Rechtsberatung finden sich etliche Bestimmungen, die befürchten lassen, dass RechtsberaterInnen nicht die Interessen der KlientInnen vertreten, sondern als verlängerter Arm der Behörde agieren sollen: „objekte“ Rechtsberatung, Veranlassung von Rückkehrberatung, monatliche Berichtspflicht an das Bundesasylamt, Auswahl und Bestellung durch das Innenministerium (bzw BKA), Amtsverschwiegenheit, vorgeschriebene Tätigkeitsort am Bundesasylamt oder in den Amtsräumen der Fremdenbehörde.


Auch im Bereich des Familiennachzugs oder bei bereits aufenthaltsberechtigten Personen kommt es durch die Erhöhung des Sprachniveaus der Deutschkenntnisse, die Verkürzung der Fristen für den Nachweis und die Deutschprüfung vor der Einreise zu unzumutbaren Verschärfungen. Den Betroffenen werden diese nicht nur erhebliche Kosten und Mühen verursachen, die erforderlichen Kurse und Prüfungen werden auch den Nachzug von Familienangehörigen nach Österreich unterbinden, und stehen somit in Widerspruch zu den in der EU-Richtlinie zur Familienzusammenführung festgelegten Grundsätzen. Ein solcher Eingriff in das Familienleben läßt sich aus menschenrechtlicher Sicht nicht rechtfertigen.

Frauen werden von den neuen Anforderungen für die Erlangung des (Dauer-) Aufenthaltsrechts oder die Staatsbürgerschaft stärker betroffen sein, weil sie häufig sowohl von ihren Lernerfahrungen als auch von den verfügbaren finanziellen Mitteln und der Mobilität ohnehin schlechter gestellt sind.

Unsachlich ist die Nicht-Anerkennung von Sprachdiplomen, die älter als 1 Jahr sind oder im Zuge des Vorstudenlehrgangs erworbene Sprachkompetenz.

Die Rolle des Österrreichischen Integrationsfonds, der einerseits Kursanbieter zertifiziert, gleichzeitig selbst Sprachkurse anbietet und nun auch noch bei zertifizierten Kursträgern erworbene Prüfungszeugnisse für ungültig erklären kann, kann nur als gesetzliche Ermächtigung zur Willkür verstanden werden.

Es ist wohl höchste Zeit, den eingeschlagenen Kurs der permanenten Verschäfungen zu überdenken. Mit jeder Fremdenrechtsnovolle bewegt sich das System weiter weg von einem vollziehbaren, verständlichen und fairem System für Migration und Asyl, das sowohl den menschenrechtlichen Garantien als auch den EU-Vorgaben gerecht wird. Mit der seit Jahren eingeschlagenen Praxis, die Menschenrechtskonformität erst durch die Höchstgerichte herzustellen, muss endlich beendet werden.




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Anny Knapp
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