Asylverfahren | Archiv

Agenda Asyl zu menschenrechtlich bedenklichen Asylbestimmungen und Praxen [16.9.2010]
Probleme beim Zugang zum Asylverfahren, in Schubhaft und sozialen Rechten von Flüchtlingen brauchen Druck der Öffentlichkeit – Aufruf zu Teilnahme an Kundgebung "Machen wir uns stark" ...
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Im Rahmen der periodischen Menschenrechtsprüfung des UN-Menschenrechtsrates (UPR) haben österreichische Asyl-NGOs menschenrechtlich bedenkliche Regelungen und Praxen im Asylbereich festgestellt und im Bericht an den Menschenrechtsrat festgehalten.
Heute stellte Agenda Asyl - ein Zusammenschluss von asylkoordination österreich, Diakonie, SOS Mitmensch, Verein Projekt Integrationshaus und Volkshilfe Österreich – die Hauptkritikpunkte sowie Verbesserungsvorschläge in einer Pressekonferenz der Öffentlichkeit vor.

Gleichzeitig ruft die Agenda Asyl die Öffentlichkeit auf, sich für die Rechte von Asylsuchenden einzusetzen um deren Situation zu verbessern. In diesem Zusammenhang ruft Agenda Asyl zur Teilnahme an der am Samstag, den 18. September stattfindenden Kundgebung „Machen wir uns stark“ auf, deren Ziele Agenda Asyl teilt. 


pressekonferenz upr
Pressekonferenz UPR - Fenninger, Knapp, Chalupka (v.l.n.r.)


Dublin-System eine Asyl-Lotterie

Anny Knapp, Obfrau der asylkoordination, kritisiert das Dublin-System, mit dem die Zuständigkeit für die Prüfung eines Asylantrags geregelt wird, als Asyl-Lotterie. Die Chancen auf eine positive Entscheidung in den EU-Mitgliedsstaaten seien sehr unterschiedlich geregelt. Im UPR-Bericht wird als menschenrechtswidrig kritisiert, dass Asylsuchende in Länder abgeschoben werden, in denen sie kein faires rechtsstaatliches Asylverfahren und/oder keine ihren Bedürfnissen entsprechende Betreuung erhalten.
Besonders Griechenland komme seinen EU-rechtlichen Verpflichtungen nicht nach, dennoch „schiebt Österreich Asylsuchende trotz fehlender Versorgung, einem ungesicherten Zugang zum Asylverfahren und unzureichender Verfahrensstandards  bedenkenlos nach Griechenland ab“, berichtet Knapp. In Deutschland sind laut Knapp mehrere Verfahren beim Verfassungsgerichtshof anhängig und die Behörden hätten in vielen Fällen mit dem sogenannten Selbsteintritt ins Verfahren reagiert.
Österreich sollte von seinem Selbsteintrittsrecht zumindest in jenen Fällen Gebrauch zu machen, wenn im an sich zuständigen Land ein faires und rechtstaatliches Asylverfahren nicht gesichert ist, oder aus gesundheitlichen oder familiären Gründen eine Überstellung einen humanitären Härtefall darstellen würde.


Mehr Asylsuchende in Schubhaft

Der Direktor der Diakonie Österreich, Michael Chalupka, weist auf den alarmierenden Anstieg von Schubhaftverhängungen hin. Gegenüber dem Vergleichszeitraum 2009 stieg die Zahl der Schubhaftnahme im ersten Halbjahr 2010 um 38 Prozent. Gemessen an der (gesunkenen) Zahl der Asylanträge kam es gar zu einer Verdoppelung von Asylsuchenden in Schubhaft.
Den Grund für die exzessive Verhängung der Schubhaft sehen die NGOs in der im Jänner 2010 in Kraft getretenen Novelle des Asyl- und Fremdengesetzes. Chalupka: „Wir haben den Eindruck, dass damit das Einlegen von Rechtsmitteln verhindert werden soll“. Immer wieder komme es zu rechtswidrig verhängter Schubhaft, wie Chalupka an mehreren Beispielen illustrierte. Für die Asylsuchenden sei es aber inzwischen kaum mehr möglich dagegen Rechtsmittel zu erheben. „Eine Anhaltung in Schubhaft dürfe nur unter Einhaltung internationaler Standards erfolgen, die qualifizierte rechtliche und soziale Beratung und Betreuung sowie eine obligatorische, unverzügliche gerichtliche Haftprüfung umfassen“, betont Chalupka.


Prekäre soziale Situation für Flüchtlinge

Erich Fenninger, Geschäftsführer Volkshilfe Österreich, streicht die prekäre soziale Lage vieler Asylsuchender heraus, die bereits ein grundrechtrelevantes Ausmaß angenommen habe. Bereits im Jahr 2006 wurde Österreich deshalb vom UN-Menschenrechts-Ausschuss gerügt. Fenninger kritisiert, dass für Asylsuchende ein separates System aufrecht erhalten werde und verweist auf zahlreiche Diskriminierungen von Asylsuchenden und subsidiär Schutzberechtigten gegenüber BezieherInnen von Mindestsicherung.
Besonders am Herzen liegen Fenninger fehlenden Arbeitsmöglichkeiten für Asylsuchende: „Asylwerber und Asylwerberinnen haben de facto keinen Zugang zum Arbeitsmarkt. Auch wenn sie jahrelang auf den Ausgang ihres Asylverfahrens warten, haben sie keine Chance für ihren Lebensunterhalt selbst aufzukommen“.   
Fenninger urgiert deshalb einen Arbeitsmarktzugang für Asylsuchende um deren Abhängigkeit von Sozialleistungen zu verringern. Weiters müssten Diskriminierungen bei Sozialleistungen abgebaut und sowohl Asylsuchende als auch subsidiär Schutzberechtige StaatsbürgerInnen gleichgestellt werden.


Download
Bericht von AGENDA ASYL an den UN-Menschenrechtsrat zur Universellen Menschenrechtsprüfung




Präsentation des Aufrufs für 'Machen wir uns stark"
Machen wir uns stark - Chalupka, Fenninger, Sonderegger, Fabris, Langthaler, Knapp, Riedl (v.l.n.r.)


MACHEN WIR UNS STARK

Um die Situation von Asylsuchenden zu verbessern, appellieren die Organisationen an die Öffentlichkeit, sich für die Rechte von Flüchtlingen einzusetzen und ruft zur Teilnahme an der Willenskundgebung „Machen wir uns stark“ am 18. September 2010 am Wiener Heldenplatz auf.
Agenda Asyl teilt die Ziele der Willenskundgebung „Machen wir uns stark“.