... gelten für AsylwerberInnen verschärfte Schubhaftbestimmungen und wird über ein neues Schubhaftzentrum in Vordernberg diskutiert. Wir haben die damaligen Auskünfte des BMI durchgesehen und kommentiert. Einige Reformvorhaben, wie etwa der Rechtsschutz für Schubhäftlinge, werden auf die lange Bank geschoben..
Kritische Anmerkungen zur
Stellungnahme des Bundesministeriums für Inneres zur Initiative „Flucht ist kein Verbrechen"
„ist durch die Sicherung der Überstellung mittels Inschubhaftnahme von dublinrelevanten Fällen nunmehr ein wirkungsvollerer Vollzug der VO durch Österreich gesichert“
Das Innenministerium rechtfertigt die Schubhaft bei dublinrelevanten Fällen damit, dass seit 2006 mehr Überstellungen in zuständig erklärte Dublin-Staaten durchgeführt werden konnten.
Dass AsylwerberInnen, die inhaftiert sind, leichter abschiebbar sind, steht außer Frage, der prozentuelle Anstieg der Überstellungen hat vermutlich aber auch andere Ursachen. So hat das Innenministerium nicht in Betracht gezogen, dass in den Jahren 2004 und 2005 die Asylbehörden Dublin-Überstellungen in die Wege leiteten, sich im Laufe des Asylverfahrens aber herausstellte, dass Österreich für die Prüfung des Asylantrags zuständig war. Nach dem damals gültigen Asylgesetz war das Asylverfahren von traumatisierten Flüchtlingen in Österreich durchzuführen. Als weitere ausgeblendete Ursachen kommen in Frage: effizientere Zusammenarbeit der EU-Staaten, vermehrte Registrierung von illegalen MigrantInnen und AsylwerberInnen mittels Fingerprints, wodurch die Festlegung des zuständigen Mitgliedsstaates erleichtert wird. So zeigt ein Blick auf die Dublin-Zahlen, dass auch das Verhältnis zwischen Anfragen zwecks Übernahme der Zuständigkeit und der Zustimmung des angefragten EU-Mitgliedstaates signifikant gestiegen ist.
Das Innenministerium sieht die Schubhaft völlig in Einklang mit dem EU-Recht.
Aus der EU-Aufnahme-Richtlinie ist zwar kein Verbot von Schubhaft bei AsylwerberInnen herauszulesen, sie sieht diese jedoch nur in „Ausnahmefällen für einen angemessenen Zeitraum, der so kurz wie möglich sein sollte“ vor. Auch der Verweis des Innenministerium auf die EU-Verfahrens-Richtlinie verwandelt ein Verbot zu einer Erlaubnis: „Die Mitgliedstaaten nehmen eine Person nicht allein deshalb in Gewahrsam, weil sie ein Asylwerber ist“ wird vom BMI so interpretiert, dass diese Richtlinie Gewahrsam explizit vorsieht.
Das BMI sieht Schubhaft bei AsylwerberInnen auch durch Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshof bestätigt. Im Gegensatz zum Verwaltungsgerichtshof, der verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Schubhaft bei bloßem Verdacht, dass ein anderer EU-Staat für das Asylverfahren zuständig sein könnte, vorgebracht hatte, sieht der Verfassungsgerichtshof den Schutz der persönlichen Freiheit durch verfassungskonformen Gesetzesvollzug ausreichend gewährleistet. Der Verfassungsgerichtshof hat genau genommen aber nicht die konkrete Gesetzesbestimmung als verfassungskonform beurteilt, sondern sieht durch die Verpflichtung der Fremdenpolizei, das in Verfassungsrang stehende Gesetz über den Schutz der persönlichen Freiheit anzuwenden und in jedem Fall von Schubhaftverhängung auch die Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit abzuwägen, dass ein verfassungskonformer Vollzug möglich ist.
Die Antwort des BMI zur Forderung nach Information und Rechtsberatung geht an der Situation von AsylwerberInnen in Schubhaft völlig vorbei. Es gibt keine Rechtsberatung für AsylwerberInnen in Schubhaft, die staatlich verordnete Rechtsberatung kurz vor der Zurückweisung im Dublin-Verfahren findet unmittelbar vor der Einvernahme statt und soll nach Wunsch des Bundesasylamtes nicht länger als 15 Minuten dauern. AsylwerberInnen, die kurz nach Stellen des Asylantrags in Schubhaft genommen werden, sehen wochenlang keinen Rechtsberater, der sie zur geplanten Ablehnung des Asylantrags im Zulassungsverfahren berät.
Die schriftlichen Informationen über das Asylverfahren sind, wie eine Analyse im Wahrnehmungsbericht des forum asyl zeigt, schwer verständlich und unvollständig.
EngagierteSchubhaftbetreuer oder die betreuenden Exekutivbediensteten, die laut Anwortschreiben des BMI Informationen über Verfahren, Rechte, Rechtsbeistände geben, dürften wohl nicht sehr zahlreich sein. Anders lässt sich wohl nicht erklären, wie UNHCR in seinem Schubhaftmonitoring zu dem Schluss kommt, dass in den vom Verein Menschenrechte betreuten Polizeilichen Anhaltezentren Schubhäftlinge völlig uninformiert waren. Mittlerweile hat das BMI dafür gesorgt, dass für die Beratung in 92 Prozent der Schubhäftlinge der Verein Menschenrechte zuständig ist und die Möglichkeit von NGOs, Schubhäftlinge zu besuchen, noch schwieriger wurde.
Einen Anwalt können die in der Regel mittellosen Flüchtlinge nicht bezahlen, kostenlosen Rechtsbeistand gibt es nicht. Die Antwort des BMI lässt auch erkennen, dass es einen kostenlosen Rechtsbeistand, den Österreich Schubhäftlingen gemäß der Rückführungs-Richtlinie der EU gewährleisten muss, so schnell nicht geben wird: die Richtlinie ist zwar schon in Kraft getreten, die kostenlose Rechtsberatung und –vertretung aber erst bis Jahresende 2011 umgesetzt sein.
Um die amtswegige Haftprüfung nach 6 Monaten als konform mit der EU-Rückführungs-Richtlinie anzusehen, muss man schon ein eigenartiges Zeitgefühl haben. Die Richtlinie verlangt entweder die amtswegige gerichtliche Überprüfung „so schnell wie möglich nach Haftbeginn innerhalb kurzer Frist“, worunter wohl nur einige Tage zu verstehen sein werden. Ist keine solche amtswegige Haftprüfung vorgesehen, müsste kostenlose Rechtsberatung und –vertretung gewährleistet sein, damit Schubhäftlinge die Überprüfung beantragen können.
Recht zu telefonieren: wer Geld hat, kann sich eine Wertkarte kaufen, wer keines hat, kann mit dem Mobiltelefon, das der Verein Menschenrechte zu Verfügung stellt, Angehörige verständigen. Er/sie riskiert dabei, dass die angerufenen Telefonnummern abgespeichert werden.
Haft lässt sich nicht durch Umbenennung in "ein Dienstleistungszentrum zum Rückkehrmanagement von Menschen aus Drittstaaten" beschönigen, selbst wenn durch Reformvorhaben des BMI die Haftbedingungen verbessert werden sollten.
Rückfragehinweis:
Anny Knapp, asylkoordination,
Tel: 01-5321291-15
mail: knapp@asyl.at
Download Stellungnahme des BMI zur Initiative 'Flucht ist kein Verbrechen'
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