Asylverfahren | Archiv

Negative Bilanz zum Tag der Menschenrechte [10.12.2009]
"An die Menschenrechte müsste man beinahe schon täglich erinnern, nicht nur am 10. Dezember", mahnen asylkoordination österreich und Integrationshaus...
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"Menschenrechte gelten für Schwächere in unserer Gesellschaft in Politik und Alltag wenig. Unter den vielen menschenrechtlich bedenklichen Bestimmungen im Fremdenrecht sticht die Schubhaft bei Asylsuchenden besonders negativ hervor.  Flüchtlinge werden wie Verbrecher behandelt", kritisieren die beiden NGOs, die auch Grundsätze eines fairen Verfahrens im Asylverfahren immer weniger gewährleistet sehen.  
Bei sogenannten Fremden hört  das Verständnis für die universellen Menschenrechte nur allzu oft auf. Im Jahr 2009 wurden keine menschenrechtlichen Fortschritte erzielt, im Bereich des Fremdenrechts kam es zu etlichen menschenrechtlich bedenklichen Neuerungen. 

Schubhaft:

Nachdem die systematische Schubhaftverhängung bei AsylwerberInnen durch zahlreiche Entscheidungen der Höchstgerichte eingedämmt wurde, hat die Regierung mit der Fremdenrechtsänderung im Oktober neuen Handlungsspielraum für die Fremdenpolizei aufgetan. Gleich mehrere neue Gründe wurden geschaffen, die ab 2010 das Recht auf Freiheit von Asylsuchenden einschränken werden. Allein das zweimalige Versäumen einer Meldeverpflichtung reicht bereits aus, um AsylwerberInnen hinter Gitter verschwinden zu lassen. Es ist zu befürchten, dass ab dem nächsten Jahr Schubhaft wieder systematisch verhängt werden wird. Keinen Bedarf hingegen sah die Regierung, Betroffene besser vor willkürlicher Haft zu schützen und die Haftverhängung durch die Verwaltungsbehörde umgehend durch ein unabhängiges Gericht zu prüfen. Erst nach 6 Monaten ist eine gerichtliche Haftprüfung vorgesehen. Für eine Haftbeschwerde, die Schubhäftlinge selbst einlegen können, fehlt es den Betroffenen sowohl an Informationen, Sprachkenntnis, als auch an der dafür notwendigen rechtlichen Unterstützung. Die Empfehlungen des Menschenrechtsbeirates im Innenministerium, AsylwerberInnen nicht in Schubhaft zu nehmen, rechtliche Information, Beratung und Vertretung von Schubhäftlingen sicherzustellen und bereits nach 2 Monaten die gerichtliche Haftprüfung durchzuführen, wurden in der umfangreichen Fremdenrechtsnovelle einfach ignoriert.

Bleiberecht:
Nachdem der Verfassungsgerichtshof das Fehlen eines Antragsrechts, mit dem der Anspruch auf das Recht Familien- und Privatleben in Österreich geprüft werden kann, als menschenrechtswidrig erkannt hat, wird von der Regierung eine Minimalvariante umgesetzt. Zahlreiche AsylwerberInnen, die  sich während lange andauernder Verfahren integrierten, müssen dennoch um den weiteren Aufenthalt bangen. Verlangt wird ein hoher Integrationsgrad, insbesondere eigenes Einkommen, obwohl AsylwerberInnen das Recht auf Arbeit nur in Ausnahmefällen zugestanden wird. Auch jene Menschen, denen wir ein Bleiberecht geben, erhalten keinen uneingeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt. Die Fremdenpolizei hat es auch in der Hand, durch die Abschiebung vollendete Tatsachen zu schaffen: Bis zur Entscheidung über den Bleiberechtsantrag, in dem geprüft wird, ob die Abschiebung menschenrechtswidrig ist oder nicht, gibt es kein Aufenthaltsrecht in Österreich, AntragstellerInnen müssen also jederzeit damit rechnen, von der Polizei abgeholt zu werden. Ein Bleiberecht können sie aber nur bekommen, wenn sie sich in Österreich aufhalten.

Asylrecht:
Anerkannte Flüchtlinge werden, sobald sie eine gerichtliche Verurteilung haben, um ihre Rechte bangen müssen. Ihnen wird das Aufenthaltsrecht entzogen werden und sie werden als nicht abschiebbare Menschen hier nur mehr geduldet sein. Auch wird ihnen das Recht, mit ihrer Familie zu leben, verwehrt. Sogar das Recht auf Arbeit soll nur noch bedingt gelten. Neben den vom Gericht ausgesprochenen Strafen kommen also weitere Bestrafungen ohne Ermessensspielraum und im Widerspruch zum Grundgedanken der Resozialisierung hinzu.

Faires Verfahren:
Die Grundsätze eines fairen Verfahrens wurden durch die jüngste Asylgesetznovelle weiter ausgehöhlt: die Frist für eine Beschwerde gegen die Zurückweisung des Asylantrags wird von 2 Wochen auf 1 Woche verkürzt, bei sogenannten Folgeanträgen hat eine Beschwerde in der Regel keine  aufschiebende Wirkung, sodass die Abschiebung von AsylwerberInnen trotz anhängigen Verfahren möglich ist. Die Beschwerde gegen eine ablehnende Entscheidung wird seit der Umwandlung des Unabhängigen Bundesasylsenats in den Asylgerichtshof vor einem Höchstgericht verhandelt, ohne dass eine entsprechende rechtliche Unterstützung für die AsylwerberInnen vorgesehen wurde. Unter der Devise, rasch Rechtssicherheit in Asylverfahren zu schaffen, steht auch die Förderungspolitik der Innenministerin. Rechtsberatungsprojekte von NGOs werden, abgesehen von ein paar Beratungsstunden in der Steiermark, nicht mehr gefördert. Mit dieser Aushungerungspolitik soll wohl erreicht werden, dass Verfahren bereits mit der Entscheidung erster Instanz beendet sind, wenn den NGOs  die Ressourcen für die rechtliche Beratung und Vertretung fehlen.

Soziale Rechte:
Nicht abschiebbare Fremde erhalten statt Sozialhilfe Grundversorgung. Als angemessene Hilfe zum Lebensunterhalt kann die Unterstützung in der Höhe von 180 Euro pro Monat nicht angesehen werden. Dieser Beitrag ist seit der Grundversorgungsvereinbarung 2004 nicht mehr valorisiert worden.

Erhöhter Lebensunterhalt
:
Rechtmäßig in Österreich lebenden Drittstaatsangehörigen wird ab 2010 die Verlängerung des Aufenthalts deutlich erschwert. Das sieht die letzte Änderung des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes vor. Statt des Einkommens in der Höhe des Ausgleichszulagenrichtsatzes müssen künftig auch noch Mietkosten abgedeckt sein. Was für Pensionisten zum Leben ausreicht, reicht für "AusländerInnen" noch lange nicht.


Rückfragehinweis:
Anny Knapp, asylkoordination, Tel: 01-5321291-15; mobil: 0688-8284460
Andrea Eraslan-Weninger, Integrationshaus, Tel: 01-2123520-11; mobil: 06991-2123520