Asylverfahren | Archiv

Schwer zu verdauen [5.12.2008]
Das Rezept der SPÖ-ÖVP Regierung für die Schwerpunkte bei Asyl- und Fremdenpolitik ist keine leichte Kost, die Zutaten sind hauptsächlich den Kochbüchern von FPÖ und BZÖ entnommen. ...
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Das Kapitel Asyl des Koalitionsübereinkommens steht unter keinem guten Stern. Mit dem einleitenden Kapitel „Konsequenter Umgang bei Asylmissbrauch“ wird im Wesentlichen der Rahmen abgesteckt, in dem die künftigen Regierung Änderungsbedarf sieht.


Ausweitung der Schubhaft
Konkret geplant wird die beschleunigte Abwicklung des Asylverfahrens, wenn ein Asylwerber einer Vorsatztat verdächtigt wird. Bereits jetzt müssen Anträge von AsylwerberInnen, die in Straf- oder in Schubhaft inhaftiert sind, binnen 3 Monatsfrist entschieden werden. Es werden also weitere Verfahren von den Asylbehörden vorzuziehen sein mit dem Effekt, dass für die Erledigung regulärer Verfahren unbillige Verlängerungen in Kauf genommen werden. Gleichzeitig plant die Regierung bei Anklageerhebung aufgrund eines Tatverdachts auch die Schubhaft zu verhängen.
Bereits die Bestimmung des Fremdenrechtspakets 2005, wonach der bloße Verdacht der Unzuständigkeit Österreichs für die Durchführung des Asylverfahrens ausreicht, um Flüchtlinge einzusperren, wirkte auf die Exekutive wie ein Freibrief zum Einsperren, Tausende Flüchtlinge wurden unmittelbar nach der Einreise in Schubhaft gesteckt. Diese exzessive Verhängung von Schubhaft konnte erst durch Entscheidungen der Höchstgerichte eingedämmt werden. Nun soll wiederum ein Verdacht für den Freiheitsentzug bei AsylwerberInnen ausreichen. Mit dem Prinzip der Gewaltenteilung ist eine solche Vorverurteilung und Ermächtigung nicht vereinbar. Bei Asylsuchenden ist die Regierung bereit, rechtsstaatliche Prinzipien außer Kraft zu setzen.

Neue Schnellverfahren
Nicht nur die Politik, auch NGOs halten die lange Verfahrensdauer für ein wesentliches Problem des Asylsystem. Bemerkenswerte Vorschläge werden dazu aber nicht entwickelt, sondern auf die bereits erfolgte Umwandlung des UBAS in einen Asylgerichtshof verwiesen und weitere beschleunigte Verfahren angekündigt, bei denen rechtsstaatliche Standards und internationale Verpflichtungen einfach über Bord geworfen werden. So soll der Abschiebungsschutz während des Asylverfahrens nicht bestehen, wenn es sich um einen weiteren Asylantrag (Folgeantrag) handelt, den Ausgang des Verfahrens sollen die Flüchtlinge im als sicher erklärten Drittstaat oder Herkunftsstaat abwarten. Die Ressourcen der Asylbehörden sollen auch noch durch automatische Aberkennungsverfahren gebunden werden, wenn ein anerkannter Flüchtling rechtskräftig verurteilt wurde. Das Bekenntnis zum Asylrecht als Menschenrecht, das im Regierungsübereinkommen abgelegt wird, verliert auch durch diese automatischen Aberkennungsverfahren jede Glaubwürdigkeit. Die Asylbehörden werden solche Aberkennungsverfahren großteils wieder einstellen müssen, weil nach den verbindlichen völkerrechtlichen Vorgaben eine Verurteilung für eine Aberkennung des Asylstatus bzw eine Abschiebung nur dann in Frage kommt, sondern ein besonders schweres Verbrechen vorliegt.

Missbrauch, soweit das Auge reicht
Auch bei der Grundversorgung will man Missbrauch von Leistungen durch mehr Kontrollen begegnen, Probleme wie Beurteilung von Hilfsbedürftigkeit, Gestaltung der Kostenbeiträge, leichterer Zugang zum Arbeitsmarkt, Anpassung der Unterstützung hilfsbedürftiger Schutzberechtigter an die EU-Statusrichtlinie und andere Mißstände der Grundversorgung werden offensichtlich nicht gesehen. Da seit Einführung der Grundversorgung 2004 einige Bundesländer ihre Aufnahmequote nicht erfüllen, werden Sanktionsmechanismen angedacht. Fraglich ist, ob Bundesländer wie Kärnten, das wieder einmal die Grundversorgungsvereinbarung gekündigt hat, sich beeindruckt zeigen wird und die Länder sich auf Solidaritätsmechanismen über die bereits jetzt vorgesehene quotenmäßige Kostenbeteiligung hinaus einigen können.
Für die Errichtung einer weiteren Erstaufnahmestelle besteht bei entsprechendem Funktionieren der Grundversorgung kein Bedarf. Da Erstaufnahmestellen vom Bund betrieben werden, sind davon auch keine Impulse in jenen Ländern zu erwarten, die seit Jahren die anteilsmäßige Anzahl an Grundversorgungsplätzen unterschreiten. Die Standortwahl im Süden Österreichs ist eher in Zusammenhang mit der geplanten neuen Schubhaft in Leoben zu sehen, die beschönigend als „Kompetenzzentrum für aufenthaltsbeendende Maßnahmen“ bezeichnet wird. Von wenig Sensibilität zeugt die Formulierung „konzentrierte Vorbereitung“ von Abschiebungen, die durch dieses Kompetenzzentrum ermöglicht werden soll.
Ob sich im Bereich Schubhaft etwas zum Besseren wenden wird, läßt sich dem Papier nicht entnehmen, das angegebene Ziel, Schubhaft durch andere Modelle zu vermeiden, ist einer der spärlichen positiven Ansätze. Eines dieser Modelle ist das Gelindere Mittel (anstatt der Schubhaft Unterkunft mit Meldeauflagen). Dabei soll es aber zu Verschärfungen kommen, indem die Bewegungsfreiheit auf das Gemeindegebiet beschränkt werden kann. Bisher wird das Gelindere Mittel oft für Familien mit Kindern angewandt, teilweise ein Familienmitglied in Schubhaft angehalten. Das Besuchsrecht, das durch die oft große räumliche Entfernung bereits beeinträchtigt wird, könnte auf diese Weise weiter unterlaufen werden.
Die solidarische Verteilung der AsylwerberInnen wird von der Regierung nicht nur national als Aufgabe angesprochen, auch auf EU-Ebene will sie sich dafür einsetzen. Wo hier Defizite gesehen werden bleibt unklar, vermutlich wird aber nicht geplant, Flüchtlinge beispielsweise aus Griechenland oder anderen Staaten mit EU Außengrenzen und unzureichenden Aufnahmesystemen zu übernehmen.

Humanitäres Aufenthaltsrecht entfällt
Beim Kapitel Bleiberecht ist eine greifbare Lösung nicht zu finden. Das humanitäre Aufenthaltsrechts soll entfallen, steht im Programm, ob zumindest jene Fälle, die jetzt dezidiert für ein solches vorgesehen sind, wie Opfer von Menschenhandel, anders zu einem Aufenthaltsrecht kommen ist zu hoffen. Ein Antragsrecht wie vom Verfassungsgerichtshof gefordert läßt sich aus dem Regierungsprogramm nicht entnehmen, sieht dieses nur vor, dass humanitäre Gründe im Zuge von Niederlassungs- und Aufenthaltsverfahren zu berücksichtigen sind.
Altfälle, die ihren Asylantrag vor 1.5.2004 gestellt haben, soll ein Umstieg in die Niederlassung ermöglicht werden, Integration vorausgesetzt. Zum Integrationsgrad soll sich ein vom Landeshauptmann eingesetzter Beirat aus Bürgermeister und NGOs äußern, dieser Beirat kann auch eine Haftungserklärung oder Patenschaft übernehmen. Zwar wird mit diesem Vorschlag auf die zahlreichen Bürgerinitiativen für ein Bleiberecht reagiert, bei AsylwerberInnen, die sich schon 5 Jahre in Österreich aufhalten wäre eine Lösung angebracht, die ohne Haftungserklärung auskommt und im Gegensatz dazu den Betroffenen Unterstützung zur Verfestigung der Integration bietet. Diese Patenschaften würde sich nicht wesentlich vom jetzigen Gnadenrecht des Innenministers unterscheiden, wenn das Aufenthaltsrecht abhängig wäre von der Bürgschaft eines Bürgermeisters oder einer caritativen Organisation. Es ist auch hier zu bezweifeln, ob diese Idee mit der Judikatur der Höchstgerichte vereinbar sein wird.

Keine Legalisierung bei binationalen Ehen
Beim Thema Zuwanderung werden die bisher eingeschlagenen Wege fortgesetzt und noch ein paar Hürden eingebaut: neben der Orientierung an den Erfordernissen des Arbeitsmarkts sollen für die Erteilung einer sog. „Rot-Weiß-Rot Card auch die Integrationsfähigkeit und sicherheitsrelevante Aspekte Gewicht erhalten. Ausgehebelt werden soll die Freizügigkeitsbestimmung der EU, wenn der drittstaatsangehörige Ehepartner einer/eines Unionsbürgers/in ein Aufenthaltsverbot in Österreich hat. Der Begriff „Asylmissbrauch“ wird schon seit Jahren in die Schlacht geworfen, um die Rechtsstandards nach unten zu schrauben, nun gibt es auch die Wortkreation „Zuwanderungsmissbrauch“. Durch die Eheschließung soll illegaler Aufenthalt nicht mehr saniert werden können. Das war auch bisher ein dorniger Weg über die Antragstellung im Herkunftsstaat, aber immerhin nicht unmöglich. Unter welchen Bedingungen ein so schwerwiegender Eingriff in die Grundrechte abgewendet werden kann, läßt sich dem Papier nicht entnehmen.


Auf die im letzten Koalitionsübereinkommen vorgesehene Evaluierung des Fremdenrechtspaketes 2005 findet sich in den betreffenden Kapiteln kein Hinweis, mit Effizienzsteigerungen bei bereits bestehenden Maßnahmen und weiteren Ideen zur Missbrauchsverhinderung findet diese Regierung das Auslangen. Dementsprechend dürftig fällt auch das Kapitel Integration aus. Konkrete Schwerpunkte bzw. Vorhaben fehlen, durch einen „Nationalen Aktionsplan“ soll die Zusammenarbeit strukturiert und optimiert werden.

Die Vorhaben im Bereich Asyl-Fremdenrecht-Integration entsprechen den von FPÖ oder BZÖ erhobenen Forderungen, dass SPÖ Politiker mitverhandelt haben, ist nicht erkennbar.



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Anny Knapp
knapp@asyl.at
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