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Tag des Flüchtlings: Österreich soll seine Verantwortung wahrnehmen [20.06.2008]
Der 20. Juni, der internationalen Tag des Flüchtlings, ist für die asylkoordination ein Anlass, an die Verantwortung Österreichs für Flüchtlinge zu erinnern...
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Im Vergleich zu anderen Ländern erhalten zwar relativ viele Flüchtlinge Asyl, es gibt aber mehr Anlass zur Besorgnis als zur Zufriedenheit beim Umgang Österreichs mit schutzsuchenden Menschen.

Österreich schiebt immer mehr Flüchtlinge in Länder wie Griechenland, Polen oder Rumänien ab, wo sie nach Ansicht des Innenministeriums Schutz vor Verfolgung finden können. Mehrere Berichte, darunter auch der einer Parlamentarierdelegation der EU, attestierten Griechenland gravierende Verletzungen EU-weit verbindlicher Regelungen und internationaler Verpflichtungen im Umgang mit Flüchtlingen. Eine faire Chance, in Griechenland Asyl zu bekommen, haben Flüchtlinge de facto nicht. Eine Studie des UN Hochkommissärs für Flüchtlinge UNHCR 2007 stellte fest, dass kein einziger Antrag von Asylwerbern aus Afghanistan, Irak, Somalia oder Sudan in 1.Instanz positiv erledigt wurde. UNHCR hat daher an die EU-Staaten appelliert, keine Asylwerber nach Griechenland zurückzuschicken. Einige EU-Staaten (Norwegen, Deutschland, Schweden) haben die Berichte ernst genommen. Innenminister Platter hält hingegen wider besseren Wissens eisern an der Fiktion fest, dass alle Asylsuchenden in Griechenland nicht nur das Überlebensnotwendigste bekommen, sondern auch ein faires Asylverfahren.
Die vom Minister praktizierte Sturheit und Uneinsichtigkeit stürzt viele Flüchtlinge in Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit. Eines dieser Opfer ist ein somalischer Flüchtling, der in der Schubhaft einen Selbstmordversuch machte, weil er nicht nach Griechenland zurück wollte. Ein anderes Opfer, die erkrankte volljährige Tochter einer tschetschenischen Familien, die hier als Flüchtlinge anerkannt wurden, wurde nach Polen zurückgeschoben, wo sie keine adäquate Behandlung bekommt. Ob die zahllosen tschetschenischen Flüchtlinge, deren Fluchtgründe in Österreich anerkannt werden, in Polen ähnlich gewürdigt werden, ist mehr als fraglich, oft erhalten sie nur eine Duldung und keine weitere Hilfe zum Überleben. Für die asylkoordination gibt es bei der Zuständigkeitsregelung der EU, der Dublin-Verordnung, dringenden Handlungsbedarf. Österreich sollte sich dafür einsetzen, dass die Dublin-Verordnung durch Mechanismen der Teilung der Verantwortung ersetzt wird, die den Bedürfnissen der Betroffenen entsprechen.

Die unfaire und menschenunwürdige Behandlung führt auch dazu, dass manche Flüchtlinge unter keinen Umständen in den zuständigen Dublin-Staat zurückkehren wollen und sich in ihrer verzweifelten und ausweglosen Situation sogar dem Risiko aussetzen, in den Herkunftsstaat zurückkehren.

Das Abschottungssystem gegen Flüchtlinge zeigt Wirkung, immer weniger Asylsuchende kommen nach Österreich. Besornis erregend ist auch die Tatsache, dass immer weniger Asylsuchende die EU erreichen, Tausende beim Versuch, in die Festung Europa zu gelangen, ums Leben gekommen sind. Die EU macht sich stark im Kampf gegen Schlepperei und Menschenhandel, Flüchtlinge werden dadurch gleich zweifach zum Opfer: Opfer der Schlepper und der staatlichen Maßnahmen gegen illegale Einwanderung.

Anlass zu Optimismus gibt es auch nicht für jene Flüchtlinge, bei denen Österreich den Asylantrag prüft.
Viele erhalten erst im Berufungsverfahren Asyl und müssen jahrelang darauf warten. Ende Mai gibt es 31.428 offenen Asylverfahren, knapp 40.000 waren es zu Jahresbeginn 2007, die Auswirkung der Personalaufstockung und der starke Rückgang der Antragszahlen ist eher bescheiden.
Die neu ausbrechende Ära des Asylgerichtshofes, der mit 1. Juli seine Arbeit aufnehmen wird, bedeutet für die Asylsuchenden eine Beschneidung ihrer Verfahrensrechte - Beschwerden an den Verwaltungsgerichtshof sind nicht mehr möglich. Die asylkoordination hegt Zweifel, ob im Berufungsverfahren vor der Asylgerichtshof als Letztinstanz der Grundsatz der Fairness und Objektivität vollständig zur Geltung kommen wird. Denn eine persönliche Anhörung ist nicht zwingend vorgesehen, und unter den zwei nun als Richter fungierenden Juristen, die über einen Antrag entscheiden, zu einem Urteil zu kommen ist allemal leichter als unter drei oder fünf. Wenn dieses neue Berufungsverfahren wirklich gut funktioniert, erübrigten sich Beschwerden an den Verwaltungsgerichtshof weitgehend. Der Gesetzgeber hätte dann aber diese Kontrollinstanz nicht aushebeln müssen.

Die Regierung sollte endlich mit der Evaluation des Fremdenrechtspakets beginnen und Reformen in die Wege leiten, fordert Anny Knapp von der asylkoordination österreich. Dringend notwendig sind Änderungen bei der Schubhaft, beim Schutz für besonders schutzbedürftige Flüchtlinge wie beispielsweise traumatisierten Flüchtlingen, Folteropfern, unbegleiteten Minderjährigen. Ebenso dringend ist ein unkompliziertes und transparentes Bleiberecht, die Reparatur der Schikanen gegenüber binationalen Ehepaaren und die Abschaffung der Strafbestimmungen für Personen, die illegal aufhältigen Personen helfen. Auch der starke Rückgang der Einbürgerungen zeigt, dass die Verschärfungen des Staatsbürgerschaftsgesetzes überschießend sind.



Rückfragen richten Sie bitte an:
Anny Knapp
knapp@asyl.at
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