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Menschenrechtskommissar kritisiert österreichische Schubhaft [12.12.2007]
In seinem am 12. Dezember veröffentlichen Bericht hat Menschenrechtskommissar Thomas Hammarberg die österreichischen Schubhaftpraxis scharf kritisiert und vier Empfehlungen ausgesprochen.
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Erstens soll die Inhaftierung von AsylwerberInnen während einer Zuständigkeitsprüfung überprüft werden, weiters Schubhaft nur dann angeordnet werden, wenn die Abschiebung in unmittelbarer Zukunft erfolgen kann. Es soll kostenloser Rechtsbeistand für (abgelehnte) Asylbewerber gewährt und die Zellen geöffnet werden.

Im Bericht wird die Situation im Polizeianhaltezentrum Wien festgehalten, wo 304 Personen in Zellen von 6 - 8 Personen angehalten werden, die sie nur jeweils eine Stunde morgens und nachmittags verlassen können. Besuche sind für einmal in der Woche für eine halbe Stunde zugelassen und an drei Wochentagen darf ein Schubhäftling fünf Minuten ein Wertkartentelefon benutzen. Der Menschenrechtskommissar erfuhr vom Personal des PAZ, dass Asylwerber kaum Zugang zu Rechtsberatung haben und keinerlei kostenlose Rechtsberatung zur Verfügung stehe. Der Kommissar äußert seine Sorge über die wachsende Zahl von Personen in Schubhaft sowie der zunehmenden Tendenz, Schubhaft mit milderen Maßnahmen zu kombinieren, wodurch das Recht auf Privat- und Familienleben beeinträchtigt wird, wenn dadurch Familien völlig getrennt werden. Er fordert mehr Möglichkeiten mit der Außenwelt in Verbindung zu treten und Besuche zu empfangen, insbesondere für durch gelindere Maßnahmen getrennte Familien. Er erinnert auch daran, dass Minderjährige unter 18 Jahren in Übereinstimmung mit dem UN-Übereinkommen über die Rechte des Kindes nur im äußersten Notfall in Schubhaft genommen werden sollten. Im Jahr 2006 waren 191 Minderjährige in Schubhaft, von Jänner bis September 2007 120, wobei 22 sogar unter 16 Jahr alt waren.

Als deutliche Kritik ist auch die geäußerte feste Überzeugung Hammarbergs zu lesen, dass Schubhaft nur dann angewandt werden soll, wenn eine Abschiebung unmittelbar bevorsteht. So stellte er fest, dass Schubhaft in einigen Fällen, wo Reisedokumente schwer zu beschaffen waren, sogar 7 bis 8 Monate dauerte.

In der Antwort der österreichischen Regierung, die dem Bericht angefügt ist, werden die Probleme naturgemäß heruntergespielt. Schubhaft werde sowieso immer nur wenn unbedingt notwendig angeordnet, andernfalls ein Gelindes Mittel. Mit Flüchtlingsberatung beauftragte NGOs könnten mit den österreichweit rund 88 Wochenstunden (bei derzeit 34.000 anhängigen Asylverfahren) neben den AsylwerberInnen in Freiheit wohl auch ausreichend jene in Schubhaft beraten und bei Rechtsmitteln helfen.

Der Bericht des Menschenrechtskommissars verleiht den Forderungen, die von der Initiative 'Flucht ist kein Verbrechen' starken Nachdruck, so Anny Knapp von der asylkoordination, die neben einer Reihe anderer NGOs die Initiative gestartet hat: 'Wir wollen, dass AsylwerberInnen gar nicht in Schubhaft angehalten werden, weil es sich um Menschen handelt, die sich mit dem Ersuchen um Schutz an die österreichischen Behörden gewandt haben. Wir dürfen AsylwerberInnen nicht wie Verbrecher behandeln. Viele AsylwerberInnen leiden unter gesundheitlichen und psychischen Problemen, die werden durch die Haft weiter verschlimmert.'


Unterstützen Sie die Forderungen der Initiative durch ihre Unterschrift auf www.fluchtistkeinverbrechen.at!

Vollständiger Bericht des Menschenrechtskommissars auf der Website des Europarates.