Asylverfahren | Archiv

Kommentar der asylkoordination zum Regierungsprogramm [10.01.2007, Presseaussendung]
Es ist kaum zu glauben: zum Thema Zuwanderung und Integration wiederholen sich die Phrasen und vorgeschlagene Strategien seit Jahren, schon 1997 wurde das politische Vorhaben der Umstrukturierung als Integrationspaket bezeichnet.
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An konkreten Maßnahmen werden der Spracherwerb - nun etwas differenzierter durch Förderungsansätze im Zusammenhang mit Elternarbeit und Einbindung in regionale Initiativen wie etwa Kultur- oder Sportvereine vorgesehen. Weitere Tore zur Integration, etwa durch kommunales Wahlrecht, sucht man vergeblich, unter der Überschrift "Partizipation" steht das passive Wahlrecht zur gesetzlichen Interessensvertretung, das auf dem Rechtsweg bereits erkämpft wurde. Integrationsplattformen und Integrationskonzepte sollen auf allen Ebenen - Bund, Länder, Gemeinden - geschaffen werden. Eine Neuauflage der von Minister Schlögl einberufenen und unter Strasser versandeten Integrationsplattform soll nun geschaffen werden, die Integrations- und Fremdenfragen evaluiert. Auch der Beirat für Asyl- und Migrationsfragen war in den letzten Jahren Umstrukturierungsmaßnahmen unterworfen, die ihn zur Bedeutungslosigkeit verkommen ließen, ob durch die geplante Evaluierung und allfällige Weiterentwicklung tatsächlich ein wirksames beratendes Gremium des Innenministers oder Staatssekretärs werden könnte, ist völlig offen. Beim Thema Staatsbürgerschaft ist das Regierungsprogramm noch zurückhaltender, hier reicht die Evaluation aus, von weiteren Maßnahmen keine Rede, obwohl die SPÖ der Verschärfung des Staatsbürgerschaftsgesetzes nicht zugestimmt hatte. Bei der Kontrolle der Zuwanderung sind weitere Tendenzen zu vermehrter Kontrolle erkennbar, am Grundsatz keine Zuwanderung wird weiter festgehalten. Liberalisierungen finden sich nur bei Forschern sowie bei vorübergehendem Fachkräftemangel. Fachkräfte aus den EU-Mitgliedsstaaten, die noch keine Freizügigkeitsberechtigung haben, sollen befristet einen Arbeitskräftemangel abdecken und ebenfalls für EU-Bürger ohne Freizügigkeitsrecht soll nach dreijähriger landwirtschaftlicher Saisonarbeit die Bewilligung für 9 Monate erteilt werden können. Die Regierungserklärung betont ausdrücklich, daß die mit dem Fremdenrechtspaket 2005 geschaffenen Regelungen beizubehalten sind. Ob aus dem Vorhaben, "diese zu evaluieren und nach Best-Practice-Modellen im europäischen Vergleich zu verbessern und weiter zu entwickeln" tatsächliche eine Hintertür zu Änderungen offen steht ist angesichts der festgeschriebenen Gültigkeit des Fremdenrechtspakets mehr als fraglich.

Die Vorhaben Im Asyl- und Fremdenpolizeibereich enthalten einige konkrete Maßnahmen, die auch zur Verbesserung der Situation von Flüchtlingen führen können. Die Schaffung von Sonderbetreuungsplätzen und Unterstützungsmaßnahmen für psychisch Kranke und intensiver Betreuung bedürfender Asylwerber entspricht einer vehementen Forderung der NGOs, es wird aber auf die Umsetzung ankommen. Wird das Tagsatzmodell der Grundversorgung herangezogen, sind die erforderlichen Strukturen bei schwankender Auslastung nicht aufrecht zu erhalten, wie schon jetzt die Betreuung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen zeigt. Im Bereich der Schubhaft ist der Verbesserungsansatz vage, Evaluation ist auch hier der Schlüssel, mit dem sich eventuell die Tore für Veränderung öffnen, vorerst begnügen sich die Koalitionsparteien mit der Entwicklung von Best-Practice-Modellen für Schubhaftzentren. Bleibt zu hoffen, daß dabei auch an eine Abkehr von den polizeilichen Anhaltezentren gedacht war. Schließlich sollen positive Asylentscheidungen begründet werden. Bei diesem positiven Ansatz wäre wünschenswert, daß im Sinne der angesprochenen Transparenz die (anonymisierten) Entscheidungen veröffentlicht werden. Die Förderung der Integrationsbegleitung von anerkannten Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt braucht nicht extra als notwendig und sinnvoll kommentiert zu werden, die fehlende Erwähnung von Flüchtlingen mit subsidiären Status wird hoffentlich nur ein Flüchtigkeitsfehler sein. Integration in den Wohnungsmarkt, die vor allem für größere Familien äußerst schwierig ist, bleibt hingegen gänzlich ausgeblendet.

Bei den vorgeschlagenen effektiveren Leistungsnachweisen und Controllingmittel in Asyl- und Fremdenpolizeiverfahren führte wohl der Wunsch nach rascher Verfahrensführung die Feder, vielleicht läßt sich daraus aber auch für die Qualität der Verfahren etwas gewinnen. Von der Konzentration der Organisation der Abschiebungen im BMI wird voraussichtlich auch ein Beschleunigungseffekt bei Abschiebungen erwartet und damit eine Verkürzung der Schubhaftdauer, teilweise entspricht dies bereits der Praxis. Zur zwangsweisen Außerlandesschaffung, etwa durch Charterabschiebungen in verstärkter Zusammenarbeit mit anderen EU-Staaten, finden sich also einige Ansätze, auch im Kapitel Entwicklungszusammenarbeit, Maßnahmen zur Förderung der freiwilligen Rückkehr sucht man hingegen vergeblich, obwohl auch diese Fragen auf der EU-Agenda stehen.

Sollte im Bereich der Grundversorgung die angekündigte Evaluierung, gemeint ist eine Reduzierung, der Kosten und stärkere Kontrolle von Mißbrauch tatsächlich umgesetzt werden, droht ein Fiasko. Schon jetzt sind die Tagsätze der Grundversorgung nicht kostendeckend, eine eventuelle Streichung des Taschengeldes (€ 40 im Monat) verhindert ein annähernd menschenwürdiges Leben. Das Grundversorgungssystem ist bereits extrem verbürokratisiert und mit Kontrollmechanismen versehen, ein Mehr würde außer höheren Verwaltungsaufwand nichts bringen.

Schließlich soll der Asylgerichtshof als spezielles Verwaltungsgericht eingerichtet werden, wobei es keine generelle Übernahme der derzeitigen MitarbeiterInnen des UBAS geben soll, sondern wohl unter Heranziehung der Ergebnisse der Leistungskontrolle eine Selektion erfolgen wird. Die asylkoordination hat bisher Vorbehalte gegenüber den Asylgerichtshof vorgebracht, da die bisher nicht unbedeutende Rolle der NGO bei der rechtlichen Vertretung von Asylsuchenden nicht geklärt ist und die Befürchtung besteht, daß die Verfahrenshilfe Anwälten vorbehalten bleiben könnte. Auch die Unabhängigen Verwaltungssenate der Länder, die derzeit über Schubhaftbeschwerden oder Entlassungen aus der Grundversorgung entscheiden, sollen zu Landesverwaltungsgerichten geändert werden. Der Zugang zu den Höchstgerichten wird dadurch komplizierter und damit der vom Verwaltungsgerichtshof seit Jahren geforderten Entlastung nachgekommen. Sollte im Zuge des Verfahrens Grundrechte verletzt worden sein, kann der Verfassungsgerichtshof nicht mehr nach Abschluß des Verfahrens direkt angerufen werden, sondern wäre zuerst das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof zu führen. Die geplante Neukodifizierung der Verfassungsrechte wird auch einen Grundrechtekatalog enthalten, sollte die Europäische Menschenrechtskonvention, die derzeit in Verfassungsrang steht, nicht darin aufgenommen werden, könnte es zu Einschränkungen bei der Überprüfung von EMRK widrigen Eingriffen kommen, die beispielsweise aufgrund einer drohenden Abschiebung zu befürchten sind. Die Aufnahme der UN-Kinderrechtskonvention in den Grundrechtekatalog und die Zuordnung des Menschenrechtsbeirats zu den aufgewerteten Volksanwaltschaften ist jedenfalls begrüßenswert.

Das Regierungsprogramm für den Asyl- und Zuwanderungsbereich ist eine Fortschreibung der bestehenden, in vielen Punkten unzureichenden oder menschenrechtlich bedenklichen Regelungen. Wenn es im Programm heißt: "Zentrale Aufgabe bleibt weiterhin schärfstes Vorgehen gegen illegale Migration, die intensive Bekämpfung von Menschenhandel und Schlepperkriminalität", an anderer Stelle aber festgestellt wird, "Zuwanderung ist eine globale Herausforderung", dann stellt sich die Frage,   ob mit der "Optimierung der Abschiebungspraxis" oder der Verhinderung von Neuzuwanderung tatsächlich angemessen auf diese Herausforderung reagiert wird.



Anny Knapp - asylkoordination Österreich,
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