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Wahrnehmungsbericht 2006 - Forum Asyl
Auswirkungen des Fremdenrechtspakets auf den Asylbereich [06.12.2006] |
Das umstrittene Fremdenrechtspaket 2005 befindet sich nunmehr fast ein Jahr in Umsetzung. Die in
der Flüchtlingsarbeit tätigen Nichtregierungsorganisationen nehmen diese Periode zum Anlass, die Vollzugspraxis der durch dieses Paket neu geschnürten Gesetze anhand ihrer täglichen Erfahrungen und den daraus entstandenen Wahrnehmungen zu evaluieren. Wie schon im Jahr 2004 aus Anlass der umfassenden Novellierung des Asylgesetzes 1997 ist auch diesmal ein Wahrnehmungsbericht mit der Absicht erstellt worden, Menschenrechtsverletzungen und Rechtsschutzmängel aufzuzeigen, damit diese saniert werden mögen. |
Übersicht
Asylverfahren |
Im Folgenden finden Sie eine Inhaltsübersicht und die Zusammenfassung des Wahrnehmungsberichts 2006 Forum Asyl für einen kurzen Überblick,
sowie den gesamten Wahrnehmungsbericht 2006 in der Langfassung zum Download.
Download Wahrnehmungsbericht Forum Asyl [pdf, 820kb]
WAHRNEHMUNGSBERICHT FORUM ASYL
Auswirkungen des Fremdenrechtspakets auf den Asylbereich
INHALTSÜBERSICHT
Zusammenfassung
Einleitung
Schubhaft für AsylwerberInnen
Rechtliche Änderungen
Asylgesetz 1997
Asylgesetznovelle 2003
Fremdenrechtspaket 2005
Explosive Zunahme der Schubhaft von AsylwerberInnen
Ausweitung der Haftgründe für AsylwerberInnen
Verlängerung der Haftdauer
Gründe für Schubhaft
Schubhaft nach erster Befragung
Schubhaft nach erfolgter Verfahrenseinstellung
Schubhaft bei Folgeantrag
Schubhaft trotz Zulassung des Verfahrens
Gelinderes Mittel
Haftbeschwerden
Besonders Schutzbedürftige
Minderjährige in Schubhaft
Rechtsberatung
Heilbehandlung statt Zwangsernährung
Verpolizeilichung
AsylG 97
AsylG-Nov 03
AsylG 2005
Schlussfolgerungen und Empfehlungen
Fehlender Rechtsschutz
AsylG 97
AsylG-Nov 03
AsylG 2005
Beispielfälle
Schlussfolgerungen und Empfehlungen
Information im Asylverfahren
Zusammenfassung der Ergebnisse
Ergebnisse im Detail
Dublin - Verfahren
Die gesetzlichen Änderungen im Einzelnen
Folteropfer und traumatisierte Personen
Ausschluss der aufschiebenden Wirkung von Berufungen
Schubhaft
Zurückweisung in jedem Verfahrensstand
Zu den Problemen in der Praxis im Einzelnen
Mängel im Ermittlungsverfahren
Rechte aus der EMRK
Ausschluss der aufschiebenden Wirkung
Fristen im Dublinverfahren
Schlussfolgerungen und Empfehlungen
Besonders Schutzbedürftige
Minderjährige
Exkurs zur Obsorgeproblematik
Traumatisierung
Begutachtung - Traumadiagnostik
Empfehlungen
Betreuung von Flüchtlingen
Entlassung aus der Betreuunge
Fehlende Zuweisung
Kriterienkatalog
Schlussfolgerungen und Empfehlungen
Binationale Ehen und Familien
Ehe und Aufenthalt von AsylwerberInnen
Eheschließung zwischen EWR-BürgerInnen und Drittstaatsangehörigen
Personenfreizügigkeit EWR-BürgerInnen
Familiennachzug: Drittstaatsangehörige von EWR-BürgerInnen (Schweizern) §§ 47-50 NAG.
Familiennachzug: EWR-BürgerIn, freizügigkeitsberechtigte/r ÖsterreicherIn §§ 52, 54, 56, 57 NAG 74
Drittstaatsangehörige von NICHT freizügigkeitsberechtigten EWR-BürgerInnen und ÖsterreicherInnen Verfassungsrechtliche Bedenken
Schlussfolgerungen und Empfehlungen
ZUSAMMENFASSUNG
Das umstrittene Fremdenrechtspaket 2005 befindet sich nunmehr fast ein Jahr in Umsetzung. Die in der Flüchtlingsarbeit tätigen Nichtregierungsorganisationen nehmen diese Periode zum Anlass, die Vollzugspraxis der durch dieses Paket neu geschnürten Gesetze anhand ihrer täglichen Erfahrungen und den daraus entstandenen Wahrnehmungen zu evaluieren. Wie schon im Jahr 2004 aus Anlass der umfassenden Novellierung des Asylgesetzes 1997 ist auch diesmal ein Wahrnehmungsbericht mit der Absicht erstellt worden, Menschenrechtsverletzungen und Rechtsschutzmängel aufzuzeigen, damit diese saniert werden mögen.
Der Wahrnehmungsbericht 2006 beleuchtet hauptsächlich die Auswirkungen der rechtlichen Neuerungen durch das Fremdenrechtspaket 2005 auf AsylwerberInnen, und konzentriert sich vor allem auf folgende Schwerpunkte: Verhängung von Schubhaft, Verpolizeilichung der Asylverfahren, Verfahren nach der Dublin II Verordnung, Umgang mit besonders Schutzbedürftigen, fehlender Rechtsschutz, Auswirkungen der aufenthaltsrechtlichen Regelungen auf Drittstaatsangehörige von EWR-Bürgern sowie auf die Betreuung und Grundversorgung.
Nach Wahrnehmungen der beteiligten Organisationen hat sich die Situation der Flüchtlinge in diesen Bereichen deutlich verschlechtert. Da die im Rahmen des Wahrnehmungsberichts 2004 festgestellten Mängel in den erstinstanzlichen Verfahren weiterhin zu keinen Verbesserungen geführt haben, schien es für die beobachtete Periode nicht erforderlich, die Qualität der Entscheidungen näher zu untersuchen.
Die augenfälligste Auswirkung des neuen Fremdenrechtspakets ist die Zunahme von AsylwerberInnen in Schubhaft um 500 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Schubhaft kann durch die Sicherheitsorgane auf den Verdacht hin verhängt werden, dass Österreich für die Prüfung des Asylantrages nicht zuständig sein wird; spätestens mit einer entsprechenden Mitteilung im Zulassungsverfahren erfolgt die Inhaftierung. Die Schubhaft wird trotz Zulassung des Verfahrens fortgesetzt. Bisher haben Haftprüfungsverfahren je nach UVS eine geringe bis gar keine Chance. Vom gelinderen Mittel wird nur bei Familienangehörigen Gebrauch gemacht, wenn zumindest ein Familienmitglied in Schubhaft angehalten wird.
Die bisher gängige Praxis, die erste Befragung durch Sicherheitsorgane durchführen zu lassen, wurde gesetzlich verankert, für viele AsylwerberInnen ein durchaus angstauslösender Erstkontakt. Die Zustellung einer negativen Entscheidung, die mit einer durchsetzbaren Ausweisung verbunden ist, erfolgt durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes, sodass der/die Betroffene sofort in Schubhaft genommen werden kann. Zu den zahlreichen Ausweitungen der Kompetenzen der Exekutive liegen nicht nur unterschiedliche Auslegungen vor, sondern es haben einige der Bestimmungen in der Praxis noch keinen nachweisbaren Niederschlag gefunden.
Die Einschränkungen des Rechtsschutzes schlagen sich vor allem in einem komplizierten System der Zu- und Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Berufung nieder. Diese Rechtsunsicherheit wird durch eine uneinheitliche Rechtssprechung verstärkt. Eine rechtskonforme Umsetzung scheint auch den Behörden Schwierigkeiten zu bereiten. Uneinheitlich ist auch die weitere Vorgangsweise nach der Zurückverweisung eines Verfahrens in die erste Instanz. Trotz Zulassung des Verfahrens wird in etlichen Fällen das Zulassungsverfahren weiter geführt und ein nahezu wortgleicher Unzuständigkeitsbescheid erlassen. Auch wenn das Verfahren von der Erstaufnahmestelle zugelassen wurde, erfolgten dennoch Zurückweisungen, nachdem das Verfahren über Monate liegen geblieben ist.
Obwohl der Aufklärungs- und Informationspflicht über das Asylverfahren in für die AsylwerberInnen verständlichen Sprachen auf die eine oder andere Weise nachgekommen wird, so ist gerade die Beauskunftung in schriftlicher Form mittels Informations- und Merkblättern, welche nebenbei bemerkt die nachhaltigste ist, eine bedenkliche. Dies insofern, als die deutsche Originalvorlage den Übersetzungen im Inhalt nicht entspricht, wichtige Information unterlassen oder ungenau wiedergegeben wird und – von besonderer Bedeutung – das Niveau der eingesetzten Fachsprache nicht zielgruppengerecht aufbereitet wurde.
Die Umsetzung der Dublin II-Verordnung ist nicht nur mit einem großen Verwaltungsaufwand, sondern in vielen Fällen auch mit menschlichen Tragödien, die von Familientrennungen über Freiheitsentzug durch Schubhaft bis zu Retraumatisierungen führen, verbunden. Systematisch werden sog. „Dublin-Fälle“ in Schubhaft, allenfalls ins gelindere Mittel genommen. Häufig sind die Ermittlungen der Erstbehörde derart mangelhaft, dass der Bescheid durch den UBAS behoben wird. Oft wird auch von falschen Sachverhalten ausgegangen. Der Entfall des §24b, mit dem traumatisierte Flüchtlinge und Folteropfer vor einer Rücküberstellung in einen anderen Dublin-Staat geschützt waren, bringt mit sich, dass diese besonders schutzbedürftigen Personen von Rücküberstellungsmaßnahmen wie etwa Schubhaft oder Festnahme nicht verschont bleiben. Nicht selten werden die Betroffenen retraumatisiert.
Die rechtlich neu gefasste Bestimmung zu Opfern von Gewalt (§ 30 AsylG) verhindert lediglich die Abweisung im Zulassungsverfahren unter bestimmten Umständen und setzt einen höheren Maßstab für die besondere Schutzbedürftigkeit (krankheitswertige psychische Störung) an. Da regelmäßig von adäquater Behandlungsmöglichkeit im zuständigen Dublin-Staat ausgegangen wird, erweist sich die Schutzbestimmung als in der überwiegenden Zahl der Fälle als unwirksam. Für unbegleitete Minderjährige hat sich durch die neue Gesetzgebung kaum eine Verbesserung ergeben; nach wie vor fehlt die gesetzliche Vertretung für nach dem FPG handlungsfähige über 16jährige Personen. Dies widerspricht der Kinderrechtskonvention. Aufgrund von unzureichenden Altersfeststellungen wird der Rechtsschutz auch im Asylverfahren rechtswidrig eingeschränkt. Die bedenklichen Alterskorrekturen wirken sich auch auf die Versorgung und Betreuung aus. Anstatt einer altersgemäßen Unterbringung finden sich die Minderjährigen in Einrichtungen für Erwachsene.
Obwohl das System der Grundversorgung bereits 2004 eingeführt wurde, verzögerte sich die Implementierung in landesgesetzliche Regelungen. Anstatt eines einheitlichen Systems der sozialen Leistungen für AsylwerberInnen bestehen nun beträchtlich voneinander abweichende Normen. Obwohl die EU-Aufnahmerichtlinie einen Rechtsanspruch und ein Rechtsmittel vorsieht, bestehen hier gravierende Defizite bei der innerstaatlichen Umsetzung, wie auch der EUGH in einer jüngst ergangenen Entscheidung feststellt. In der Praxis führen die Probleme bei der Wiederaufnahme nach einer Beendigung, die fehlende aufschiebende Wirkung einer Entlassung oder die Anwendung von nicht veröffentlichten Kriterien der Hilfsbedürftigkeit zu einem rechtlich bedenklichen Zustand und zu einer nicht tolerierbaren sozialen Situation.
Neuerungen im NAG verschlechtern den Status von Drittstaatsangehörigen von EWRBürgerInnen und ÖsterreicherInnen und bringen diskriminierende Bestimmungen zwischen diesen beiden Gruppen. Betroffen sind auch AsylwerberInnen, die als Angehörige von ÖsterreicherInnen nunmehr einen Antrag auf Niederlassung im Ausland (letzter Wohnsitz) einzubringen haben, wenn sie nicht legal eingereist sind oder sich nicht legal im Land aufhalten. Das ist für Asylsuchende oft unmöglich. Solange ein asylrechtliches Aufenthaltsrecht besteht, wird die Niederlassungsbewilligung nicht erteilt. Ein weiteres Erteilungshindernis ist die Einführung eines Unterhaltsnachweises nach den ASVG-Ausgleichzulagenrichtsatz, der von jungen Familien oft nicht erfüllt werden kann. Das Recht auf ein gemeinsames Familienleben wird damit verletzt
Der Wahrnehmungsbericht 2006 erhebt betreffend die Erfassung der (negativen) Auswirkungen der neuen Regelungen aus dem Fremdenrechtspaket 2005 keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Zum einem wurde das Ziel verfolgt, nur die gravierendst wahrgenommenen Probleme aufzuzeigen, zum anderen konnten problematische Neuerungen aufgrund fehlender Beobachtungen zum Vollzug nicht behandelt werden.
Herausgeber:
Forum Asyl (asylkoordination österreich, Caritas, Diakonie - Evangelischer Flüchtlingsdienst, Verein Projekt Integrationshaus, Österreichisches Rotes Kreuz, Volkshilfe Österreich)
Redaktion:
Anny Knapp, Barbara Linder (asylkoordination österreich)
Angela Brandstätter (Österreichische Caritas Zentrale)
Christoph Steinwendtner (Diakonie - Evangelischer Flüchtlingsdienst)
Christian Schmaus (Verein Projekt Integrationshaus)
Yasmina Beciragic (Österreichisches Rotes Kreuz)
Michael Weiss (Volkshilfe Österreich)
Anny Knapp, asylkoordination Österreich
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