Asylverfahren | Archiv

Wahrnehmungsbericht Forum Asyl und Bescheidauswertung.
Evaluierung der Erstaufnahmestellen - Asylgesetz-Novelle 2003 [15.12.2004]
Die im Flüchtlingsbereich tätigen NGOs nehmen die Geltungsdauer des neuen Asylgesetzes von sieben Monaten unter Einbeziehung der einschlägigen Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs zum Anlass, die Vollzugspraxis des neuen Gesetzes zu evaluieren. Da die Einführung der Erstaufnahmestellen eine zentrale Neuerung der AsylGNovelle 2003 darstellt, konzentriert sich die Evaluierung der Praxis auf den Vollzug in den Erstaufnahmestellen.
Dieser Wahrnehmungsbericht und eine Bescheidauswertung, deren Ergebnisse gesondert vorliegen und in den gegenständlichen Wahrnehmungsbericht eingeflossen sind, werden am 15.12.2004 der Öffentlichkeit präsentiert.
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Im Folgenden finden Sie eine Inhaltsübersicht und die Einleitung des Wahrnehmungsberichts Forum Asyl für einen kurzen Überblick,

sowie den gesamten Wahrnehmungsbericht in der Langfassung, eine Kurzfassung des Wahrnehmungsberichts und eine Bescheidauswertung von 56 Bescheiden der Erstaufnahmestellen aus dem Zeitraum 26.05. bis 01.10.2004 zum Download.


Download Wahrnehmungsbericht Forum Asyl [pdf, 595kb]
Download Wahrnehmungsbericht Forum Asyl - Kurzfassung [pdf, 89kb]
Download Bescheidanalyse [pdf, 322kb]



WAHRNEHMUNGSBERICHT FORUM ASYL
Evaluierung der Erstaufnahmestellen - Asylgesetz-Novelle 2003


INHALTSÜBERSICHT


Einleitung
1. Zurückweisungen an der Grenze
2. Festnahme und Durchsuchung
    2.1. Festnahme
    2.2. Registrierungsstraße – Durchsuchung
    2.3. Abnahme von Dokumenten und Gegenständen
    2.4. Betretungsverordnung
3. System Zulassungsverfahren
    3.1. Speed kills
    3.2. Systemfehler Zulassungsverfahren in der Erstaufnahmestelle
    3.3. Kein Parteiengehör
    3.4. Kein Ermittlungsverfahren
    3.5. Fehlinterpretation der Rolle der EASt
    3.6. Auswahl und Zuständigkeiten der ReferentInnen der EASt
    3.7. Fehlende fachliche Qualifikation der ReferentInnen
4. RechtsberaterInnen der Erstaufnahmestellen
    4.1. Allgemeines – Anstellungsverhältnis
    4.2. Erstaufnahmestelle Traiskirchen
    4.3. Erstaufnahmestelle Thalham
    4.4. Rechtspersönlichkeit der "RechtsberaterInnen"?
    4.5. Institutionelle Probleme – fehlende Unabhängigkeit
    4.6. Einschreiten der RechtsberaterInnen in der Praxis
    4.7. Kein Ersatz für Vertretung von AsylwerberInnen
5. Medizinische Betreuung
    5.1. Unzureichende Abdeckung des medizinischen Bedarfs
    5.2. Einbeziehung der ÄrztInnen/ Ablauf
    5.3. Fragwürdiges Impfkonzept
6. Abklärung einer Traumatisierung
    6.1. Bedeutung der Feststellung einer Traumatisierung
    6.2. Trauma bleibt aufgrund von Systemfehlern unentdeckt
    6.3. Traumatisierung als Selbstdiagnose?
    6.4. Feststellung eines Traumas setzt Spezialisierung voraus
    6.5. Zur "Ärztlichen Mitteilung"
    6.6. Fehlendes Parteiengehör
7. Dublin-Verfahren
    7.1. Statistik
    7.2. Gefahr der Kettenabschiebung in Nachbarstaaten
    7.3. Aushebelung des Rechtsschutzes
    7.4. Ungeklärte Sanierung von rechtswidrigen Rücküberstellungen
    7.5. Situation nach dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs
    7.6. Abschiebungen trotz VfGH-Erkenntnis
    7.7. Doppelte Registrierung von AsylwerberInnen
    7.8. Exkurs: Ineffizienz des Zuständigkeitssystems in der EU generell
8. Unbegleitete minderjährige AsylwerberInnen
    8.1. Völlig verworrene Regelung im Asylgesetz
    8.2. Verträge der RechtsberaterInnen an den EASt
    8.3. Zusätzliches praktisches Problem in Traiskirchen
    8.4. Ergebnis: Rechtsschutzloser Zustand für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge
    8.5. Mangelnde Kontinuität der gesetzlichen Vertretung
    8.6. Zersplitterung der Betreuung und Vertretung von Minderjährigen
    8.7. Altersfeststellung per Augenschein
9. Informationsblätter
    9.1. Fragen nach Trauma und Eingriffen in die sexuelle Selbstbestimmung
    9.2. Zur Verständlichkeit aus linguistischer Perspektive
    9.3. Stellungnahme aus ethnologischer Sicht
10. Schubhaft
    10.1. Asylantrag aus der Schubhaft
    10.2. Schubhaft im Dublin-Verfahren
    10.3. Schubhaft bei "ungerechtfertigtem Verlassen der Erstaufnahmestelle"
11. Aufenthaltsberechtigungskarten
12. Unzulässigkeit der Zurückziehung des Asylantrags
13. Zustellungen
14. Flughafen Wien-Schwechat



EINLEITUNG

Als im Mai 2003 die Asylgesetznovelle 2003 in Begutachtung versandt wurde, äußerten die in der Beratung und Betreuung von Flüchtlingen tätigen Organisationen sowie Menschenrechtsorganisationen massive Kritik an den neuen Bestimmungen, da diese Novelle den Rechtsschutz im Asylverfahren massiv beschnitt und das Asylverfahren in ein Ausweisungsverfahren umdeutete.

Kernstücke der Novelle war die Einrichtung von Erstaufnahmestellen, in denen ein Zulassungsverfahren durchgeführt wird. AsylwerberInnen, die ihren Asylantrag bei einem Organ des Sicherheitsdienstes stellen, sind dorthin zwangsvorzuführen. Alle AsylwerberInnen sind auf Gegenstände zu durchsuchen, die auf ihre Reiseroute, ihre Identität oder Fluchtgründe schließen lassen. Insbesondere in Form des sog. "Neuerungsverbots" und dem Ausschluss der aufschiebenden Wirkung in einer Reihe von Verfahren wurden erhebliche Beschränkungen des Rechtsschutzes vorgenommen. AsylwerberInnen dürfen die Erstaufnahmestelle nicht "ungerechtfertigt" verlassen; andernfalls wird die Schubhaft verhängt und das Asylverfahren eingestellt."Unbefugtes Betreten der Erstaufnahmestelle" wurde per Verordnung verboten und unter Strafe gestellt.

Bereits vor Inkrafttreten des AsylG 2003 wurden von der Wiener und der oberösterreichischen Landesregierung zwei Gesetzesprüfungsanträge beim Verfassungsgerichtshof eingebracht und das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs am 15. Oktober 2004 verkündet.

Die im Flüchtlingsbereich tätigen NGOs nehmen die Geltungsdauer des neuen Asylgesetzes von sieben Monaten unter Einbeziehung der einschlägigen Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs zum Anlass, die Vollzugspraxis des neuen Gesetzes zu evaluieren. Da die Einführung der Erstaufnahmestellen eine zentrale Neuerung der AsylGNovelle 2003 darstellt, konzentriert sich die Evaluierung der Praxis auf den Vollzug in den Erstaufnahmestellen.

Dieser Bericht erhebt keineswegs den Anspruch, eine vollständige Erfassung der Auswirkungen des Asylgesetzes zu sein. Vielmehr konzentriert er sich auf einige Probleme, die in den Beratungs- und Betreuungseinrichtungen als besonders gravierend wahrgenommen wurden.

Die Erfahrungen aus dem Vollzug des AsylG 2003 in den Erstaufnahmestellen wurden im Rahmen einer Arbeitsgruppe gesammelt und parallel eine Bescheidauswertung von 56 Bescheiden der Erstaufnahmestellen gemäß §§ 7, 8 AsylG (32 Bescheide der EASt-Ost sowie 24 Bescheide der EASt-West) aus dem Zeitraum 26.05. bis 01.10.2004 vorgenommen, deren Ergebnisse gesondert vorliegen und in den gegenständlichen Wahrnehmungsbericht eingeflossen sind. Die Bescheide wurden grundsätzlich nach dem Zufallsprinzip ausgewählt und dabei lediglich auf eine gewisse Repräsentation verschiedener Herkunftsländer geachtet. Die untersuchten Bescheide wiesen - trotz der zufälligen Auswahl - ausschließlich negative Entscheidungen auf (Abweisung des Asylantrags, Abschiebung zulässig, Ausweisung). Die NGOs weisen aber ausdrücklich darauf hin, dass sich an die Beratungsstellen in der Regel nur jene Personen wenden, deren Asylantrag abgewiesen wurde. Dennoch ist festzuhalten, dass in den Beratungsstellen auch keine einzige positive Refoulement-Entscheidung der Erstaufnahmestellen aufgefallen ist.

Weiters wurden Gesprächstermine mit den relevanten Behördenleitern vereinbart: Mag. Taucher/ Leiter des Bundesasylamts und Mag. Dr. Filzwieser/ Leiter der Grundsatz- und Dublinabteilung des Bundesasylamts (12.11.2004), Mag. Schraml/ Leiter der EASt-West und ADir. Lanzerstorfer (17.11.2004), Mag. Dr. Eichenseder/ Leiter der EASt-Ost (22.11.2004), Mag. Perl/ Unabhängiger Bundesasylsenat (04.11.2004).

Wahrnehmungsbericht und Bescheidanalyse werden von folgenden Organisationen getragen (alphabetische Reihenfolge):

• amnesty international Österreich
asylkoordination österreich
• Caritas Österreich
• Diakonie Österreich
• SOS-Menschenrechte
• Verein Integrationshaus
• Volkshilfe Österreich



Anny Knapp, asylkoordination Österreich