Asylverfahren | Archiv

Stellungnahme der Arbeitsgruppe Menschenrechte für Kinderflüchtlinge zum Entwurf der Asylgesetznovelle 2003 [21.05.2003]
Grundsätzlich ist aus der Sicht der Arbeitsgruppe Menschenrechte für Kinderflüchtlinge zunächst anzumerken, dass ein Asylgesetz dem Schutz von Flüchtlingen verpflichtet sein muss.
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Um diesen Schutz auch tatsächlich zu gewährleisten, ist ein qualitativ hochwertiges Verfahren genauso notwendig wie der Zugang zu diesem Verfahren und die Sicherstellung der Grundversorgung bei Erwachsenen und der altersgerechten Unterbringung und Betreuung bei jugendlichen AsylwerberInnen.
Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte hat die Arbeitsgruppe Menschenrechte für Kinderflüchtlinge den vorliegenden Gesetzesentwurf einer kritischen Betrachtung unterzogen. Die Begutachtung beschränkt sich dabei auf jene Punkte, die in ihren Auswirkungen speziell unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (UMF) betreffen.


Erschwerter Zugang zum Hoheitsgebiet

Einige der im Entwurf angeführten Gesetzesänderungen zielen eindeutig darauf ab den Zugang von Schutzsuchenden zum Hoheitsgebiet weiter zu erschweren. Besonders dramatisch wirkt sich dabei die Neuregelung des §17 für UMF aus. Wenn sie anlässlich einer Grenzkontrolle einen Asylantrag stellen oder innerhalb des Grenzkontrollbereichs aufgegriffen werden und einen Antrag auf Asyl einbringen, werden sie künftig ohne weitere Prüfung in das "sichere Drittland" zurückgewiesen. Mit dieser Regelung wächst der Druck auf Flüchtlinge, unentdeckt möglichst weit ins Landesinnere vorzudringen. Besonders Jugendliche sind dabei auf die Unterstützung dritter Personen angewiesen. Diese Maßnahme kommt somit einerseits einer indirekten Förderung der Schlepperaktivitäten durch den Gesetzgeber gleich und bedeutet andererseits ein zusätzliches Risiko an Leib und Leben für Flüchtlinge.
Die Regelung widerspricht u.a. der UNHCR Richtlinie über allgemeine Grundsätze und Verfahren zur Behandlung asylsuchender unbegleiteter Minderjähriger, dort heißt es:
4.1 Aufgrund seiner Hilflosigkeit sollte einem unbegleiteten Kind, das Asyl sucht, der Zugang zum Hoheitsgebiet nicht verwehrt werden; sein Antrag sollte in jedem Fall nach dem üblichen Verfahren zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft geprüft werden.

Das Zulassungsverfahren

Jugendliche Flüchtlinge sollen laut Entwurf zukünftig, wie erwachsene AsylwerberInnen auch, in das Zulassungsverfahren einbezogen werden. Neben der generellen Problematik von Zulassungsverfahren sprechen einige Punkte speziell dagegen, UMF in dieses Verfahren einzubeziehen.

Zeitlicher Verlauf des Zulassungsverfahrens

Die im Gesetzesentwurf vorgesehenen maximal 72 Stunden bis zur Ersteinvernahme im Zulassungsverfahren sind bei UMF grundsätzlich problematisch. Bisherige Erfahrungen haben gezeigt, dass UMF eine eingehende Befragung erst nach einer Eingewöhnungsphase von mehreren Wochen zugemutet werden kann. Es ist wichtig ihnen ausreichend Zeit zu geben auch psychisch anzukommen, ebenso ist es für die Rechtsvertretung wichtig, zunächst den persönlichen Kontakt und eine Vertrauensbasis aufzubauen. Jugendliche AsylwerberInnen stehen kurz nach ihrer Ankunft häufig noch unter dem Eindruck der Ereignisse der Flucht, die Einvernahme knapp nach der Ankunft stellt eine zusätzlich psychische und physische Belastung dar. Ausreichend Zeit für die Vorbereitung auf ein Asylverfahren führt zu einer qualitativen Verbesserung des Verfahrens und dient dem Schutz des Kindes.
Auch die Frist von 24 Stunden, die zwischen Ersteinvernahme und der weiteren Einvernahme jenen Personen eingeräumt wird, bei welchen beabsichtigt ist, den Asylantrag als unzulässig zurückzuwiesen, ist keinesfalls als ausreichend anzusehen.


Vertretung von UMF durch RechtsberaterInnen

Bisher wurde mit der Einleitung des Verfahrens der örtlich zuständige Jugendwohlfahrtsträger zum gesetzlichen Vertreter bestimmt. Der neue §25 weicht nun von dieser Praxis ab und betraut im Zulassungsverfahren eine/n RechtsberaterIn mit dieser Aufgabe::
§ 25
"(2) Mündige Minderjährige, deren Interessen von ihren gesetzlichen Vertretern nicht wahrgenommen werden können, sind berechtigt, Anträge zu stellen und einzubringen. Gesetzlicher Vertreter wird mit Einleitung des Zulassungsverfahrens der Rechtsberater in der Erstaufnahmestelle; nach Zulassung des Verfahrens der örtlich zuständige Jugendwohlfahrtsträger jenes Bundeslandes, dessen Betreuungsstelle der Minderjährige zuerst zugewiesen wird.
(3) Bei unbegleiteten unmündigen Minderjährigen gilt Abs. 2 mit der Maßgabe, dass der Rechtsberater ab Ankunft des Unmündigen in der Erstaufnahmestelle dessen gesetzlicher Vertreter wird; der Rechtsberater bringt den Asylantrag ein.
Während der Jugendwohlfahrtsträger fachliches Wissen im Umgang mit Jugendlichen einbringt, werden im Anforderungsprofil der Rechtsvertreter § 39b keine einschlägigen Kenntnisse vorausgesetzt.
Problematisch ist auch, dass der Rechtsvertreter bei mündigen Minderjährigen direkt zur Ersteinvernahme geholt wird. Eine inhaltliche und emotionale Vorbereitung auf diese Ersteinvernahme, der nach § 24a Abs.1 verstärkte Glaubwürdigkeit zukommt, ist im Entwurf nicht berücksichtigt. Damit steigt die Wahrscheinlichkeit, dass schutzsuchende Jugendliche aufgrund der zukünftigen Rechtslage keinen Zugang zur inhaltlichen Prüfung ihres Asylantrags erlangen.

Laut §5a. (1) des vorgelegten Entwurfs ist die Zurückweisung des Asylantrags mit einer Ausweisung zu verbinden. Eine Prüfung der konkreten Aufnahmevoraussetzungen im Drittstaat oder im Herkunftsland ist hingegen nicht vorgesehen. Dieses Vorgehen steht im Widerspruch zu Artikel 5 der Entschließung des Rates vom 26. Juni 1997 betreffend unbegleitete minderjährige Staatsangehörige dritter Länder. Hier heißt es:
(1) Wird einem Minderjährigen der weitere Aufenthalt in einem Mitgliedstaat nicht gestattet, so kann der betreffende Mitgliedstaat ihn nur in sein Herkunftsland oder in ein aufnahmebereites Drittland zurückführen, wenn dort bei seiner Ankunft - gemäß den Bedürfnissen, die seinem Alter und dem von ihm erreichten Maß an Selbständigkeit entsprechen - eine angemessene Aufnahme und Betreuung gewährleistet sind. Dafür können die Eltern oder andere Erwachsene, die für das Kind sorgen, sowie Regierungs- oder Nichtregierungsstellen einstehen.
(2) Solange eine Rückführung unter diesen Voraussetzungen nicht möglich ist, sollten die Mitgliedstaaten den Minderjährigen den weiteren Aufenthalt in ihrem Hoheitsgebiet ermöglichen.

Schubhaft

Der vorgelegte Entwurf erhöht für UMF deutlich die Gefahr, künftig in Schubhaft genommen zu werden. Schon wenn die/der AsylwerberIn ungerechtfertigt die Erstaufnahmestelle (EAS) verlässt, kann Schubhaft angeordnet werden.
§ 34b. (1)
Die örtlich zuständige Fremdenpolizeibehörde kann Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Ausweisung mit Bescheid anordnen, wenn
1. der Asylwerber sich im Zulassungsverfahren ungerechtfertigt aus der Erstaufnahmestelle entfernt hat;
2. gegen den Asylwerber eine durchsetzbare - wenn auch nicht rechtskräftige - Ausweisung erlassen wurde
oder
3. der Fremde nach einer rechtskräftigen Zurückweisungsentscheidung im Zulassungsverfahren oder nach rechtskräftig negativer Entscheidung einen neuerlichen Asylantrag (Folgeantrag) stellt oder einbringt.
Die Anordnung von Schubhaft ist in diesen Fällen jedenfalls unverhältnismäßig und widerspricht der selbst vom BMI immer wieder vertretenen Zielsetzung, die Schubhaft bei Minderjährigen nur als letztes Mittel anzuordnen.
Ebenso ignoriert sie die UNHCR-Richtlinien über allgemeine Grundsätze und Verfahren zur Behandlung asylsuchender unbegleiteter Minderjähriger. Dort heißt es:
7.6 Asylsuchende Kinder sollten nicht in Haft gehalten werden. Das gilt ganz besonders für unbegleitete Kinder.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die mit dem vorliegenden Entwurf zur Asylnovelle angestrebten Veränderung zu einer Verschlechterung der ohnehin prekären rechtlichen Situation von UMF führen werden.
Wir empfehlen daher den Entwurf zurückzuziehen und ihn unter der zentralen Prämisse des Flüchtlingsschutzes neu zu konzipieren.



Für die Arbeitsgruppe Menschenrechte für Kinderflüchtlinge

Heinz Fronek

Arge Schubhaft, Asyl in Not, asylkoordination Österreich, BAOBAB, Caritas der Diözese Graz-Seckau - Projekt Welcome, Deserteurs- und Flüchtlingsberatung, Don Bosco Flüchtlingswerk Austria, DOWAS - Chill Out, Kinder- und Jugendanwaltschaft Salzburg, Kinder- und Jugendanwalt Tirol, Diakonie Österreich, Die Bunte Zeitung - Medium für Würde, Gerechtigkeit und Demokratie, Kinderstimme, Österreichische Komitee für UNICEF, SOS - Menschenrechte Österreich, SOS Kinderdorf Clearinghaus Salzburg, Verein Projekt Integrationshaus, Verein Zebra Graz, Volkshilfe Oberösterreich.