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Presseaussendung der asylkoordination Österreich zur Asylrechtsänderung [05.05.2003] |
Die vom Innenministerium vorgelegte Asylreform
mit dem obersten Ziel, Asylverfahren rasch abzuwickeln, mißachtet
die Rechtsschutzinteressen der Betroffenen. |
Übersicht
Asylverfahren |
Abschiebung im offenen Asylverfahren
Künftig soll Berufungen gegen negative Entscheidungen keine
aufschiebende Wirkung mehr zukommen und die Asylsuchenden sofort
in Schubhaft genommen und ausgewiesen werden. Ohne jegliche
Prüfung soll im offenen Asylverfahren nicht nur in alle
EU-Staaten, sondern jedenfalls auch in künftige Mitgliedsstaaten
abgeschoben werden. Diese Liste „sicherer Drittstaaten“
steht in krassem Gegensatz zur Rechtssprechung der österreichischen
Gerichte, die die Nachbarstaaten Tschechien, Slowakei, Ungarn
und Slowenien als nicht sicher einstufen. Die Notwendigkeit
der Überprüfbarkeit effektiven menschenrechtlichen
Schutzes wurde von den obersten Gerichtshöfen bereits in
mehreren Verfahren betont, die Asylnovelle setzt sich darüber
einfach hinweg. Die sofortige Abschiebung soll auch dann erfolgen, wenn ein
Asylantrag als „offensichtlich unbegründet“
abgewiesen wird. Eine aufschiebende Wirkung soll der Berufung
nur dann zukommen, wenn der Unabhängigen Bundesasylsenat
(UBAS) diese zuerkennt, fraglich ist allerdings, ob durch
die Möglichkeit der sofortigen Schubhaftverhängung
die Berufung überhaupt noch rechtzeitig vor der Abschiebung
eingebracht werden kann. Statt der Empfehlung des Unabhängigen
Bundesasylsenats und der asylkoordination, die Verfahren wegen
offensichtlicher Unbegründetheit deutlich einzuschränken,
zu folgen, sind die vorgeschlagenen Kriterien so unbestimmt,
daß überzogene Anwendung vorprogrammiert ist.
Einschränkung von Verfahrensrechten
Weiterer Meilenstein beim Verkürzen der Verfahren ist
die Einschränkung des Berufungsverfahrens. Der Asylwerber
selbst soll jedenfalls keine Tatsachen mehr vorbringen können,
die ihm bereits während des Verfahrens in erster Instanz
bekannt waren. Dieses Neuerungsverbot geht völlig an
der Realität vorbei. Tatsache ist, daß viele schutzsuchende
Menschen mißtrauisch, erschöpft, falsch informiert
oder aufgrund der durchgemachten Leiden nicht in der Lage
sind, ihre Situation ausführlich darzulegen, selbst wenn
sie über diese Notwendigkeit informiert werden. Das Innenministerium
geht offenbar davon aus, daß vom Bundesasylamt bereits
alle Tatsachen festgestellt wurden und der UBAS lediglich
aufgrund der Aktenlage herausfinden soll, ob Verfahrensmängel
vorliegen. Die Qualität der Verfahren beim Bundesasylamt
ist aber so schlecht, sodaß derzeit erst im Berufungsverfahren
das „eigentliche Asylverfahren“ durchgeführt
wird. Darauf hat der UBAS in seinem letzten Jahresbericht
eindringlich hingewiesen. Aus dem Gesetzesentwurfs ist jedenfalls
nicht erkennbar, wodurch die Qualität der Verfahren beim
Bundesasylamt so weit verbessert wird, daß von Asylsuchenden
vorgebrachte Verfahrensmängel wie etwa fehlende Fragestellungen
einfach nicht bestehen. Sollte diese Bestimmung nicht entschärft
werden, werden wohl die Höchstgerichte wieder zu entscheiden
haben, daß Verfahrensgarantien gewährleistet sein
müssen. Stellt ein Asylwerber einen zweiten Asylantrag (Folgeantrag)
innerhalb von 6 Monaten, weil er nicht alle Fluchtgründe
bereits im erstinstanzlichen Verfahren vorgebracht hat, droht
auch hier nach einer negativen Entscheidung des Bundesasylamtes
die sofortige Abschiebung. Hat beispielsweise eine Ehegattin
aus Scham oder Tradition eigene Fluchtgründe nicht erzählt
und wird der Antrag ihres Gatten abgewiesen, ist in einem
zweiten Verfahren die Berufung automatisch ohne aufschiebende
Wirkung, sodaß die Abschiebung der Familie sofort vollzogen
werden kann. Die vorgesehene Sonderbestimmung für traumatisierte Flüchtlinge,
denen eingeräumt wird, daß sie bei der Ersteinvernahme
nicht alles erzählen können, greift jedenfalls viel
zu kurz. Denn allein durch die im Entwurf vorgesehenen „medizinisch
belegbaren Tatsachen“ lassen sich Traumatisierung oder
Streßsituationen nicht ausreichend beweisen.
Auswahl der Rechtsberater durch den Innenminister
Um die rechtlichen Bedenken gegen diesen raschen Abschiebungsprozeß
abzufedern, werden RechtsberaterInnen bei geplanten negativen
Zulässigkeitsentscheidungen beigezogen. Sie sollen Akteneinsicht
bekommen und AsylwerberInnen über ihre Chancen beraten.
Die Bestellung dieser RechtsberaterInnen hat sich der Innenminister
vorbehalten. Somit konzentriert sich das gesamte Asylverfahren
beim Innenminister. Erste Instanz sowieso, nun wurde auch
die Berufungsbehörde dem Innenministerium zugeordnet
und auch wer Rechtsberater wird, will sich der Innenminister
selbst aussuchen.
Die
Anforderungen an diese unparteiischen und unabhängigen
Flüchtlingsberater sind unverhältnismäßig
hoch gesteckt. Wer kein rechtswissenschaftliches Studium vorweisen
kann, muß zumindest seit 5 Jahren in einer kirchlichen
oder privaten Organisation hauptamtlich und durchgehend rechtsberatend
tätig gewesen sein. Zwar sind sich NGOs einig, daß
RechtsberaterInnen Erfahrungen aus der Rechtsberatung vorweisen
müssen, eine juristische Ausbildung alleine qualifiziert
jedoch noch nicht für diese Tätigkeit. Völlig
unverständlich ist, warum im Zuge dieser großen Novelle
die in der EU-Richtlinie über Mindeststandard in Asylverfahren
die vorgesehene einzurichtende kostenlose Rechtsberatung in
Berufungsverfahren ausgespart wurde. Wünschenswert wäre,
wenn an die MitarbeiterInnen des Bundesasylamtes, die immerhin
die Verfahren zu leiten und Entscheidungen zu treffen haben,
ähnliche Anforderungsprofile wie für RechtsberaterInnen
gelten würden. Nicht verschwiegen werden soll, daß der Entwurf auch
einige positive Ansätze enthält. Zu erwähnen
ist vor allem die Verfahrenszusammenlegung bei Familien und
der einheitliche Abschiebungsschutz für alle Familienmitglieder.
Auch die Beendigung des Zulässigkeitsverfahrens nach
20 Tagen entspricht einer langjährigen Forderung der
asylkoordination, daß AsylwerberInnen nicht ewig in
einem Vorverfahren ohne jeglichen Rechtsstatus stecken können.
Unterbringung und Versorgung nach wie vor ungelöst
Wesentlich dringenderen Handlungsbedarf als beim Asylgesetz
sieht die asylkoordination jedoch beim Bundesbetreuungsgesetz.
In diesem wäre, dem Urteil des Obersten Gerichtshofs folgend,
die Aufnahme und Versorgung hilfsbedürftiger AsylwerberInnen
eindeutig und endlich zu regeln. Stattdessen wird der Innenminister
ermächtigt, durch Verordnung unbefugtes Betreten oder unbefugten
Aufenthalt in Flüchtlingsunterkünften unter Strafe
zu stellen. Es bleibt zu hoffen, daß diese Bestimmung
der Sicherheit der Asylsuchenden dient und nicht auf MitarbeiterInnen
von Hilfsorganisationen abzielt.
Der
vom Innenministerium vorgelegten Entwurf steht somit ganz im
Einklang mit den schwarz-blauen Regierungstätigkeiten.
Das Stichwort "speed kills" erhält eine alamierende
Ausgestaltung, und daß Reformen Rechte und Bedürfnisse
der Betroffenen berücksichtigen, gehört eben nicht
mehr zum Common Sense.
Anny Knapp, asylkoordination Österreich
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