Asylverfahren | Archiv

Änderungsbedarf im Asylbereich [05.02.2003]
Anlässlich der laufenden Diskussionen über das Regierungsprogramm der nächsten Jahre möchten in der Flüchtlingsbetreuung tätigen Organisationen auf den Änderungsbedarf im Asylbereich aufmerksam machen.
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Wir hoffen, daß unsere Vorschläge aufgegriffen werden und würden gerne bei einem persönlichen Gespräch diese Forderungen näher erläutern.


1. Einreise

2. Dauer und Qualität des Verfahrens

3. Non-Refoulement-Prüfung

4. Asylaberkennung

5. Soziale Aspekte



_ Amnesty international Österreich
_ Asyl in Not
_ Asylkoordination Österreich
_ Bewegung Mitmensch Weinviertel
_ Caritas Österreich
_ Diakonie - Evangelischer Flüchtlingsdienst Österreich
_ SOS Mitmensch Burgenland
_ Volkshilfe Österreich
_ Verein Zebra
 


1. Einreise

Alle AsylwerberInnen sollen das Recht auf einen effektiven Zugang zu einem Asylverfahren erhalten, in dem die Prüfung von Abschiebungshindernissen (Non-Refoulement-Gründen) und Rechtsschutz sicher-gestellt ist. Die vorläufige Aufenthaltsberechtigung soll jedem/jeder AsylwerberIn ab der Antragstellung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens, einschließlich höchstgerichtlicher Verfahren, zukommen.


Nach Asylantragsstellung im Inland oder an der Grenze sollen während des gesamten Asylverfahrens keine Verfahren zu aufenthaltsbeendenden Maßnahmen durchgeführt werden, Schubhaft von AsylwerberInnen soll unzulässig werden. Für unrechtmäßige Einreise von AsylwerberInnen und Verletzung der Passpflicht sollen in Konformität mit der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) keine Strafen verhängt werden.
Im Botschaftsverfahren muss die Ablehnung vom Bundesasylamt als in einem Verfahren bekämpfbarer Bescheid ausgestellt werden.
 


2. Dauer und Qualität der Verfahren

Die österreichischen Flüchtlingsorganisationen rufen in Erinnerung, dass es nach der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) und der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) weder eine Liste sicherer Drittstaaten noch sicherer Herkunftsstaaten geben darf, ohne dass in einem inhaltlichen Verfahren die individuelle Gefährdung jedes/-r einzelnen Asylwerbers/-in überprüft wird. Gegen eine Entscheidung muss ein Rechtsmittel offen stehen. Die Berufungsfrist von 10 Tagen sollte zur Rechtsvereinheitlichung an die normale Berufungsfrist von 14 Tagen in allen anderen Asylverfahren angepasst werden.
Um faire und rechtsstaatliche Asylverfahren zu gewährleisten, muss für AsylwerberInnen ein effektiver Zugang zu Information und Beratung vor der Ersteinvernahme gewährleistet werden. Es sollte daher für die Einrichtung der Infrastruktur von unabhängigen und nicht gewinnorientierten Flüchtlingsberatern/berater-innen Sorge getragen werden.


Die Höchstdauer aller "Schnellverfahren" sollte mit 9 Wochen begrenzt sein. Falls innerhalb dieser Frist ab Antragstellung kein Bescheid erlassen wird, sollte ein Automatismus eintreten, nach dem nur mehr ein reguläres Verfahren durchgeführt werden kann. Damit sollen rasche Asylverfahren gewährleistet werden. Die Frist von 9 Wochen ist ausreichend, da eine Speicherung im EURODAC-System jederzeit abrufbar sein wird und der betreffende Drittstaat nach dem Verordnungsentwurf "Dublin II" innerhalb von 2 Monaten rückmelden muss. Auch sollen nur solche Asylanträge als "offensichtlich unbegründet" abgewiesen werden können, wo dies tatsächlich offensichtlich ist und innerhalb kurzer Zeit das Ermittlungsverfahren abgeschlossen werden kann.
Bei Verfahren vor dem UBAS muss Verfahrenshilfe gewährt werden (vgl Art 13 Abs 2 der neuen EU-Richtlinie über Mindestverfahrensstandards). Verfahrenshilfe muss nicht auf anwaltliche Vertretung beschränkt sein, es können auch - wie im derzeitigen NGO-System - FlüchtlingsberaterInnen als VertreterInnen beigestellt werden.

2.a. "Dublin"-Verfahren

Bei der Durchführung des Dubliner Übereinkommens ist die EMRK einzuhalten. Bei einer drohenden Verletzung dieser Rechte hat Österreich selbst in das Verfahren einzutreten. Es hat daher jedenfalls eine Refoulementprüfung in Bezug auf den EU-Drittstaat stattzufinden, und es ist das Recht auf Privat- und Familienleben zu schützen.


Der derzeitige Familienbegriff (nur Eltern, Ehegatten und minderjährige Kinder) ist mit dem weiteren Begriff der EMRK in Einklang zu bringen. Auch erwachsene Kinder und weitere Verwandte, die wirtschaftlich abhängig oder pflegebedürftig sind, sowie gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften fallen unter den Schutz des Art 8 EMRK (so die Rsp des EGMR).

2.b. Drittstaatsverfahren

In Drittstaatsverfahren ist der Schutz des Privat- und Familienlebens derzeit gar nicht gewährleistet und müsste analog zu den Ausführungen zum Dublin-Verfahren eingeführt werden.


Ein Drittstaatsbescheid darf erst erlassen werden, wenn der Drittstaat die Durchführung eines inhaltlichen Asylverfahrens schriftlich für den Einzelfall zugesichert hat.

2.c. "Offensichtlich unbegründete Asylanträge"

Die österreichischen Flüchtlingsorganisationen weisen auf den Beschluss Nr. 30 des Exekutivkomitees des UNHCR hin, wonach als "offensichtlich unbegründet" nur solche Asylanträge anzusehen sind, die in eindeutig betrügerischer Absicht gestellt wurden oder nicht in einem Zusammenhang mit den in der GFK festgelegten oder anderen, die Gewährung von Asyl rechtfertigenden Kriterien stehen.


Falsche Angaben zu den Personalien rechtfertigen eine Abweisung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet nur, wenn diese verwendet werden, um eine in Wahrheit nicht drohende Verfolgung vorzutäuschen.

2.d. Asylerstreckung

Die derzeitige Regelung zur Asylerstreckung ist EMRK-widrig. Wie bereits in den Ausführungen zum "Dublin"-Verfahren erläutert, ist der Familienbegriff auch hier zu eng. Insbesondere der Stichtag für die Eheschließung ist ersatzlos zu streichen.
 



3. Non-Refoulement-Prüfung

Zur Verfahrenskonzentration wird empfohlen, die Zuständigkeit für alle Non-Refoulement-Entscheidungen (§ 75 FrG und § 8 AsylG) bei den Asylbehörden anzusiedeln.
Allen refoulementgeschützten Personen ist mit der Entscheidung über den Refoulementschutz eine Aufenthaltsberechtigung zu erteilen (§ 15 AsylG). Aus Gründen der Verfahrensökonomie, und um Zeiträume ungeklärten Aufenthaltsstatus zu vermeiden, sollte diese ohne Befristung und in Vignettenform erteilt werden und mit rechtskräftigem Widerruf des Refoulementschutzes enden. Ein Widerruf sollte analog zur Asylaberkennung gestaltet werden.


Refoulementgeschützte Personen sind vom Ausländerbeschäftigungsgesetz auszunehmen, es soll ihnen Integrationshilfe gewährt und ein Reisedokument ausgestellt werden. Die Lücke der fehlenden Refoulementerstreckung ist endlich zu schließen.
 



4. Asylaberkennung

Die österreichischen Flüchtlingsorganisationen weisen darauf hin, dass nach der EMRK auch bei jedem Aberkennungsverfahren eine Non-Refoulement-Prüfung durchgeführt werden müsste und das AsylG dementsprechend anzupassen ist. Außerdem sind die Gründe für Asylaberkennung in Einklang mit der GFK zu bringen, bisher ist Asylaberkennung auch für Gründe möglich, die nicht in Art 1 GFK vorgesehen sind.
 



5. Soziale Aspekte

Rechtsstaatliche und faire Asylverfahren müssen vom Grundsatz getragen sein, dass AsylwerberInnen während des gesamten Verfahrens einen angemessenen Lebensstandard haben, der die Gesundheit und das Wohlergehen von AsylwerberInnen und den Schutz ihrer Grundrechte gewährleistet. Nur wenn genügend Ressourcen für rasche Verfahren zur Verfügung stehen und AsylwerberInnen versorgt werden, wird ihnen damit die Möglichkeit geboten, am Verfahren teilzunehmen.


Bei Nicht-Versorgung von AsylwerberInnen und Obdachlosigkeit wird hingegen ein rascher Abschluss des Verfahrens unmöglich, da ohne Meldeadresse keine Ladungen und keine Bescheide zugestellt werden können.




[05.02.2003]