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Sackgasse Asylverfahren [Julia
Kux, asylkoordination aktuell 1/2001] |
In den Augen der Öffentlichkeit wurde
Österreich in den letzten Jahren geradezu "überschwemmt"
von Asylwerbern aus Afrika. Die Zahlen sprechen nicht dafür:
von 18.284 Asylwerbern im Jahr 2000 waren 1.438 Schwarzafrikaner. |
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Archiv Asylverfahren |
In den Augen der Öffentlichkeit wurde Österreich in
den letzten Jahren geradezu "überschwemmt" von
Asylwerbern aus Afrika. Die Zahlen sprechen nicht dafür:
von 18.284 Asylwerbern im Jahr 2000 waren 1.438 Schwarzafrikaner.
Die afrikanischen Asylwerber sind in mancherlei Hinsicht eine
besondere Gruppe unter den Flüchtlingen: Sie sind am stärksten
von Rassismus betroffen, ihnen wird am häufigsten der sogenannte
"Asylmißbrauch" unterstellt und sie gelten sehr
oft generell als Drogendealer.
Ihre Probleme sind sowohl im Asylverfahren als auch im sozialen
Bereich oft anders gelagert als die der klassischen Flüchtlinge,
die aus Iran, Irak oder Afghanistan fliehen und denen meist
von Österreichern mehr Sympathie entgegengebracht wird.
Auch sind es oft andere Gründe, warum man aus afrikanischen
Ländern flüchtet: Politische Unsicherheit, existenzbedrohende
Armut, das sind nicht die Begrifflichkeiten der Genfer Flüchtlingskonvention,
vor diesen unerträglichen Lebensbedingungen schützt
sie nicht. Aber sind das keine Gründe zu flüchten?
Im folgenden möchte ich auf einige besondere Problemstellungen
im Asylverfahren von Afrikanern eingehen.
Auffällig oft "offensichtlich
unbegründet"
Die Abweisung eines Asylantrags nach § 6 AsylG bedeutet,
dass der Asylantrag offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg
hat. Zwischen einer "normalen" Abweisung des Asylantrags
und der Abweisung als offensichtlich unbegründet besteht
ein rechtlicher Qualitätsunterschied: z.B. muss die Unglaubwürdigkeit
"qualifiziert" sein (einfache Unglaubwürdigkeit
genügt nicht) oder die Nichtgefährdung des Asylwerbers
so eindeutig, dass es keiner aufwendigen Ermittlungen bedarf;
für komplexe Fragen wie beispielsweise die nach einer inländischen
Fluchtalternative bietet das § 6 - Verfahren keinen Raum.
Die Abweisung nach § 6 hat gravierende Folgen: am schlimmsten
wohl, dass die Asylwerber in solchen Fällen keine vorläufige
Aufenthaltsberechtigung erhalten. Doch auch andere Gefahren,
wie die, in Schubhaft zu kommen, erhöhen sich. Das Bundesasylamt
Eisenstadt praktiziert dies extensiv, bei einer Ablehnung nach
§ 6 Asylgesetz werden viele der Fremdenpolizei übergeben,
welche dann die Inschubhaftnahme veranlasst.
Abgesehen von der Sinnlosigkeit dieser Maßnahme - wird
doch auch das sogenannte Schnellverfahren nicht in 2 Monaten
abgewickelt und eine Abschiebung ist solange nicht zulässig
- widerspricht sie der im Fremdengesetz geforderten Verhältnismäßigkeit
und verfehlt auch regelmäßig ihren einzigen Zweck,
die Abschiebung zu sichern.
Rechtlich ist die Abweisung nach § 6 selten argumentierbar,
am ehesten noch bei völliger Unglaubwürdigkeit des
Herkunftsstaates.
Nicht argumentierbar ist es jedoch, bei grundsätzlicher
Glaubwürdigkeit des Asylwerbers offensichtliche Unbegründetheit
anzunehmen, wenn:
- Der Asylwerber von einer Sekte verfolgt wird
- Der Asylwerber der Gefahr der Todesstrafe ausgesetzt ist
- Der Asylwerber trotz Verfolgung eine inländische Fluchtalternative
hätte
- Der Asylwerber nicht vom Staat, sondern von anderen starken
Gruppen im Staat verfolgt wird
- Das Verfahren in 1. Instanz bereits ein halbes Jahr gedauert
hat
- Im Verfahren 1.Instanz bereits 3 Interviews stattgefunden
haben
Tatsächlich wird § 6 AsylG oft als "Strafe"
fürs (unterstellte) Lügen verwendet - die Asylbehörden
haben jedoch keine Straflegitimation; § 6 ist nur anwendbar,
wenn ein Asylantrag offensichtlich unbegründet ist, also
wenn keine Erhebungen nötig sind.
Nichtsdestotrotz ist der Unabhängige Bundesasylsenat mit
der Aufhebung solcher Bescheide zurückhaltend. Dies zum
Teil mit merkwürdiger Begründung, wie etwa der (wie
ein Mitglied des Senats sinngemäß zu mir sagte),
das Bundesasylamt wäre verärgert über eine Aufhebung
des Bescheids.
Es bleibt zu hoffen, dass der Verwaltungsgerichtshof hier eine
andere Linie vertritt und strenger die Voraussetzungen des §
6 AsylG prüft. Vorläufig ist erkennbar, dass er zumindest
bei der Gewährung von Verfahrenshilfe in diesen Verfahren
großzügig ist.
Illegalisierte Afrikaner
Normalerweise folgt dem rechtskräftig negativ abgeschlossenen
Asylverfahren und dem daraus resultierenden illegalen Status
die Schubhaft und, daran anschließend, die Abschiebung.
Im Falle afrikanischer Asylwerber ist eine Abschiebung aus folgenden
Gründen des öfteren nicht möglich:
- das jeweilige Herkunftsland stellt kein Heimreisezertifikat
aus
- keine der verkehrenden Fluglinien ist bereit, Schubhäftlinge
an Bord zu nehmen,
- es besteht keine Flugverbindung mit dem entsprechenden Land,
- Asylwerber geben ihr wahres Herkunftsland nicht bekannt u.ä.m.
Diese faktische Nichtabschiebbarkeit bedeutet ein Leben in Illegalität.
Versuche, solchen Menschen zu einem legalen oder zumindest halb-legalen
(in Form eines Abschiebungsaufschubes) Status zu verhelfen,
scheitern häufig. Meiner Erfahrung nach macht hier die
klassische Verfahrensverzögerung noch am meisten Sinn.
Solange das Verfahren noch im Laufen ist, bestehen geringe Chancen
auf einen legalen Job, auf einen Platz in einem der Flüchtlingsheime
und eine kleine Hoffnung auf irgendeine Form der Legalisierung.
Asylwerber mit ungeklärtem Herkunftsland
Aufgrund der Aussichtslosigkeit des Asylverfahrens gibt es Asylwerber,
die ein anderes Heimatland als ihr wahres angeben. Der Grund
hierfür ist evident: Die Menschen haben kein Vertrauen
zu den österreichischen Behörden und glauben, dass
sie mit ihren wahren Fluchtgründen nicht Asyl bekommen;
wenn sie bezüglich des Herkunftsstaats lügen, dann
erweist sich wenigstens die Abschiebung für die Fremdenpolizei
als schwer durchführbar. So haben sie zumindest den Schutz,
Österreich nicht unfreiwillig bzw. zwangsweise verlassen
zu müssen.
Das Asylverfahren ist in solchen Fällen allerdings aussichtslos:
Meist wird in der zweiten Instanz ein Sachverständiger
aus dem jeweils angegebenen Herkunftsland beigezogen und es
stellt sich schnell heraus, dass wahrscheinlich die angegebenen
Gründe nicht zutreffen, was aber nicht ausschließt,
dass der Asylwerber in seinem wirklichen Heimatland sehr wohl
verfolgt wird.
Die Asylbehörden sind jedoch nach einem Erkenntnis des
Verwaltungsgerichtshof verpflichtet, die tatsächliche Bedrohungssituation
im behaupteten Herkunftsland unabhängig von der Glaubwürdigkeit
zu prüfen. Käme man also zu der Rechtsmeinung, eine
Abschiebung in das angegebene Land sei niemandem zuzumuten -
egal ob er von dort stammt oder nicht, etwa weil eine extreme
Gefahrenlage, Bürgerkrieg oder Hungersnot herrscht, oder
die medizinische Versorgung einer schweren Krankheit dort nicht
gewährleistet ist - dann müsste man Schutz vor Abschiebung
in dieses Land gewähren, mit der Folge, dass diesen Menschen
eine befristete Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz
zukäme.
Bei einigen negativen Entscheidungen des Unabhängigen Bundesasylsenats
zu Sierra Leone hat der Verwaltungsgerichtshof diese aufgehoben
(VwGH 99/20/0465) mit der Begründung, dass eine besondere,
extreme Gefährdungslage auch von Amts wegen zu berücksichtige
sei. Ein Hoffnungsschimmer für eine Legalisierung - für
Behörden vermutlich eine unfassbare Vorstellung: jemanden
mit einer Aufenthaltsberechtigung zu belohnen, der lügt.
Unverständlich bleibt mir der Umgang mit diesen Menschen
in Österreich und zwar nicht nur von Behördenseite.
Selbst bei NGOs ist man oft "böse" auf diese
Menschen. Warum? Die Unwahrheit wird oft gesagt, weil man zuwenig
aufgeklärt und informiert ist und sich erwartet, mit einer
anderen als der wahren Geschichte besser voran zu kommen. Welchem
Österreicher ist diese Verhaltensweise fremd. Von einem
humanistischen Weltbild ausgehend, sollte die Würde des
Menschen nicht verletzt werden, die Integrität der Person
nicht angegriffen werden. Zu lügen ist eine Entscheidung,
die jeder für sich getroffen hat; ob sie gut oder schlecht
ist, ist eine andere Frage, die aber nicht von Außenstehenden
beantwortet oder beurteilt werden kann und soll.
Inhaltlich bedenkliche Entscheidungen
In vielen afrikanischen Ländern sind staatliche Strukturen
noch wenig ausgebildet, es herrscht kein Meldewesen und keine
technisierte staatliche Überwachung.
Dies wird von den Asylbehörden als Argument herangezogen,
man könne jederzeit eine andere Identität annehmen
und untertauchen (genau das, was man hierzulande so schlimm
findet) und hätte somit eine inländische Fluchtalternative.
Abgesehen davon, dass dieses Konzept bei staatlicher Verfolgung
ein Widersinn per se ist, vertritt UNHCR die Linie, dass das
Prinzip der inländischen Neuansiedlung nur in Ausnahmefällen
zum Tragen kommen soll. Den Asylbehörden obliege es, im
Einzelfall einen konkreten Ort zu nennen, wo ein Leben in Sicherheit
und Würde möglich ist. Zurzeit wird es oft umgekehrt
praktiziert: der Asylwerber müsste glaubhaft machen, dass
er an keinem anderen Ort im ganzen Land sicher ist.
Manchmal wird bestritten, dass das Asylrecht auch vor nicht-staatlicher
Verfolgung schützt, etwa vor kriminellen Banden, Sekten,
politische Gruppierungen, denen der Staat macht- und hilflos
gegenübersteht. Besonders häufig kann man diese Argumentation
in negativen Entscheidungen zu Verfolgung durch Sekten in Nigeria
finden. Bei der mitglieder- und einflussreichsten, der Ogboni-Sekte,
kann davon ausgegangen werden, dass dieser 10 Prozent der nigerianischen
Bevölkerung angehören. Eine Schutzwilligkeit oder
-fähigkeit des Staates ist nicht gegeben: Mitglieder soll
es bis in die höchsten Regierungskreise geben, die Polizei
ist ebenfalls unterwandert.
Manchmal bekommt man beim Lesen negativer Entscheidungen, die
immer wieder die selben falschen Textbausteine enthalten, den
Eindruck, dass es nur darum geht, zu vermeiden, dass Afrikaner
eine positive Asylentscheidung bekommen, egal mit welcher Begründung.
Latenter und offener Rassismus bei Asylbehörden und Fremdenpolizei
Aus vielen Erzählungen von Betroffenen geht hervor, dass
sowohl die Asylbehörden, als auch die Fremdenpolizei vielfach
jeden Schwarzen Menschen unterstellen zu lügen. Dies äußert
sich in mannigfacher Weise: viele afrikanische Klienten erzählen,
dass sie während ihres Interviews vor dem Asylamt angeschrien
oder sonst abschätzig und menschenunwürdig behandelt
wurden.
Besonders schikanös - auch was die Abweisung von Asylanträgen
als offensichtlich unbegründet betrifft - ist ein Beamter
des Bundesasylamts Linz. Der Asylantrag eines Nigerianers, der
wegen eines ihm unterstellten Terroranschlags auf eine Pipeline
mit der Todesstrafe bedroht wird, wurde hier als offensichtlich
unbegründet beurteilt; und das nach einem halben Jahr Asylverfahren
in 1.Instanz, drei Einvernahmen und zwei verschiedenen Anfragen
an die österreichische Botschaft in Lagos. Die Anfragebeantwortungen
der Botschaft enthielten im übrigen Informationen höchst
zweifelhaften Ursprungs und leicht widerlegbare Behauptungen.
Auch kann man in Linz noch englische Formulare finden, in denen
als verkürzte Berufungsfrist in den Schnellverfahren zwei
Tage (im Gegensatz zur jetzigen Frist von zehn Tagen) angegeben
sind; eine Regelung, die vor mehr als zwei Jahren vom Verfassungsgerichtshof
als verfassungswidrig aufgehoben wurde.
Kein offener Rassismus herrscht am Unabhängigen Bundesasylsenat,
wo ein respektvollerer Umgang mit Afrikanern gepflegt wird,
rechtlich ist jedoch auch dort für die meisten nichts zu
gewinnen.
Ausblick
Asylweber aus Afrika leiden generell unter einem strukturellen
Rassismus, es wird Zeit diesen Zustand zu überwinden. Das
reiche Europa sollte sich seiner Verpflichtungen aus einer Jahrhunderte
andauernden rassistischen Kolonialpolitik bewusst werden und
die sinnlose Abschottungspolitik beenden. Je höher die
Mauern um Europa gebaut werden, um so höher wird der Druck
gegen diese Mauer. Eine Lösung muss, neben der Bekämpfung
der politischen und ökonomischen Fluchtursachen, in einer
grundsätzliche Änderung der Einwanderungspolitik der
Europäischen Union liegen, die für Schutz- und Arbeitssuchende
eine legale Einreise- und Aufenthaltsmöglichkeit bietet.
Vorläufig sollten all jene legalisiert werden, die durch
die restriktive Asyl- und Fremdenpolitik der letzten Jahre in
die Illegalität gedrängt worden sind und ein menschenunwürdiges
Leben führen müssen.
[Julia Kux - asylkoordination aktuell 1/2001]
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