Asylverfahren | Archiv

Die Zukunft der Schubhaft [Heinz Fronek, asylkoordination aktuell 1/2001]
Am 7. und 8. Juni 2001 wurde vom Bundesministerium für Inneres in Kooperation mit verschiedenen NGOs in Wien eine Fachtagung zum Thema "Zukunft der Schubhaft" abgehalten.
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Anwesend waren VertreterInnen der Polizei, des Ministeriums und verschiedener NGOs. Die ReferentInnen kamen aus Österreich, Deutschland und der Schweiz. Höhepunkt der Tagung war das Referat von Ernst Rohner, dem Leiter des Flughafengefängnisses Zürich-Kloten, der über den Vollzug der Schubhaft in der Schweiz berichtete.

Eidgenössische Schubhaft Standards ...
Nicht dass die Schweiz als Musterland in Sachen Menschenrechte einzustufen wäre. Einsperren ohne strafrechtlich relevantes Delikt und ohne gerichtliche Verurteilung und das noch über lange Monate ist dort genauso üblich wie hierzulande. Im Gegenteil, die Eidgenossen können Illegalisierte sogar über noch längere Zeiträume in Gefängniszellen festhalten. Gravierende Unterschiede zeigen sich aber, was den Vollzug der fremdenrechtlichen Zwangsgewalt betrifft.
In den Worten von Rohner hörte sich dies etwa so an: "Wenn wir Menschen ohne Aufenthaltsrecht aufgrund des gesetzlichen Auftrags einsperren müssen, dann sind wir verpflichtet darauf zu achten, dass die damit verbundenen Einschränkungen so gering wie möglich sind."
Dieser Satz könnte natürlich ebensogut von einem seiner österreichischen Kollegen stammen. Die im Folgenden von Rohner geschilderten Regelungen bezüglich Besuch, Kommunikation, Bewegungsfreiheit, Taschengeld, Beschäftigungsmöglichkeit und anderen in einem Schubhaftgefängnis essentiellen alltäglichen Dingen zeigen aber, dass es dem Schweizer mit dem Gesagten ernst ist. Bei einer/einem unvoreingenommenen ZuhörerIn würden die Schilderungen der eidgenössischen Regelungen kaum besonderes Aufsehen erregen, erst wenn man sie mit den Haftbedingungen in Österreich vergleicht, gewinnen sie an Bedeutung.

... und österreichischer Substandard
Im Vorfeld der Schubhafttagung wurden anhand von Fragebögen die derzeitigen Gegebenheiten in österreichischen Schubhaftanstalten erhoben. Die Ergebnisse zeigen, dass die Standards in den untersuchten Schubhaftanstalten erheblich variieren. Die Einschränkungen, denen die Inhaftierten unterworfen werden, sind mannigfaltig und oft durch nichts zu legitimieren.

Hygiene
Während es in der Schweiz selbstverständlich ist, dass die Duschen zumindestens an Wochentagen jederzeit frei zugänglich sind, ist dies in Österreich nur in Ausnahmefällen möglich. In einem Drittel der Schubhaftanstalten ist Duschen nur zweimal in der Woche erlaubt, in einer Anstalt gar nur einmal. Erniedrigend sind die Bedingungen, unter welchen die Gefangenen ihre Notdurft verrichten müssen. In fast allen PGHs sind die Toiletten im Zellenbereich untergebracht, wobei Sicht- und Geruchsschutz keinesfalls selbstverständlich sind. Die Toiletten sind teilweise nur notdürftig durch Vorhänge oder Mauern vom übrigen Zellenbereich abgetrennt, nur in Ausnahmefällen gibt es mechanische Entlüftung.
Auch was den Verbleib von persönliche Gegenständen beim Häftling betrifft, handelt der schweizerische Vollzug wesentlich großzügiger. Der Großteil der Kleidung und Effekten verbleibt beim Häftling. In der Zelle befindet sich standardmäßig ein Radiogerät. Ebenso kann ein TV Gerät gegen die Gebühr von einem Franken pro Tag genutzt werden. Mit dem TV Gerät können Sender aus den meisten Heimatländern der Gefangenen empfangen werden.

Kontakte nach draussen
Einen weiteren wesentlichen Faktor für die Lebensqualität der Schubhäftlinge stellen die Besucherregelungen dar. Die Gefängnisleitung in Zürich-Kloten ist bemüht den Eingeschlossenen soviel Privatsphäre wie unter den gegebenen Umständen möglich zu erlauben.
In Österreich sind die Kontakte zu Angehörigen rigide limitiert, in sieben Schubgefängnissen dürfen die Häftlinge pro Woche maximal 30 Minuten lang Besuch empfangen, und sind dabei streng überwacht, in 12 von 15 Schubgefängnissen behindern Trennscheiben den Kontakt zwischen Besuch und Gefangenen. Im Gegensatz dazu erfolgt in Zürich-Kloten die Abwicklung des Besuchs ohne Trennscheibe und ohne Anwesenheit von Wachpersonal; die Gefangenen dürfen mindestens eine Stunde pro Woche Besuch empfangen.
Die Kontrolle des Besuchs erfolgt nur mittels Magnetbogen und Handdetektor zum Erkennen von Metallgegenständen. Natürlich, so gibt Rohner verschmitzt lächelnd zu, wird es schon vorgekommen sein, dass Alkohol oder Haschisch auf diesem Weg in die Anstalt reingeschmuggelt worden ist. Zu Problemen habe dies aber noch nie geführt.
Die Benutzung des Telefons ist im Gruppenvollzug in Zürich-Kloten ständig und unüberwacht möglich, mittellose Häftlinge erhalten eine Telefonwertkarte im Wert von 5,- Franken. Wie in allen anderen zuvor genannten Punkten gibt es auch hierzu in Österreich keine verbindlichen Standards. In fast allen PGHs werden die Häftlinge, die Telefonwertkarten gekauft oder von der Sozialbetreuung erhalten haben, von Beamten zum Telefon gebracht und beim Telefonieren beaufsichtigt. Die Überwachung bringt mit sich, dass nur zu bestimmten Zeiten Häftlinge zum Telefon geführt werden. Das Telefonieren kann den Häftlingen ohne Angabe von Gründen von die Beamten untersagt werden.

Alltag: Arbeit statt Leere
Zermürbend für die Eingeschlossenen ist das oft monatelange Warten ohne sinnvolle Beschäftigung. Während es im Gefängnis Zürich-Kloten für den Großteil der Häftlinge die Möglichkeit gibt einer bezahlten Beschäftigung nachzugehen, fehlen tagesstrukturiernde Massnahmen in Österreich gänzlich. Nur in seltenen Ausnahmefällen werden Schubhäftlinge zu Hausarbeiten herangezogen.
Da eine Arbeitsvermittlung in Zürich-Kloten in den ersten Tagen oft nicht möglich ist, erhalten die Festgehaltenen vom ersten Tag an ein tägliches Taschengeld von 6 Franken. Gehen sie später einer Arbeit nach, wird diese je nach Tätigkeit mit 20 bis 30 Franken pro Tag abgegolten.
Dieses Geld ist besonders für mittellose Schubhäftlinge von zentraler Bedeutung, da sie sich so Lebensmittel, Rauchwaren, Telefonwertkarten und Hygieneartikel selbst kaufen können.
Während in der Schweiz jede Einschränkung im Haftalltag sehr genau begründet werden muss, ist dies in Österreich genau umgekehrt. Fehlendes Personal, die fehlenden räumlichen Voraussetzungen oder das fehlende Budget werden regelmässig als Begründung für zahlreiche Einschränkungen akzeptiert. So verzögerte sich der Beginn des Gruppenvollzugs im Schubhaftgefängnis Linz um mehr als ein halbes Jahr nur deswegen, weil kein Budget für die Anschaffung von zwei Überwachungskameras vorgesehen war.
Auch in Zürich-Kloten gab es vor einigen Jahren ähnlich katastrophale Zustände wie in österreichischen Schubgefängnissen. Aufgrund einer politischen Entscheidung musste die Anstalt aber innerhalb von wenigen Wochen völlig neu strukturiert werden. Wäre dies nicht passiert, hätte sie geschlossen werden müssen. Die Umstellungen haben sich gelohnt, nicht nur für die Schubhäftlinge, sondern auch für die dort dienstversehenden Beamten.
Natürlich stellt auch der "humanste" Vollzug der Schubhaft einen massiven Eingriff in die Grundrechte eines Menschen dar. Daher müssen in erster Linie Bemühungen unternommen werden, die Schubhaft - wo immer dies möglich ist - zu vermeiden. Die konstant hohen österreichischen Zahlen - im letzten Jahr wurden 14.329 Menschen in Schubhaft genommen - belegen im erschreckenden Ausmaß, dass dies nicht der Fall ist.
Positiv zu vermerken bleibt, dass sich das Innenministerium, Behörden und NGOs zusammengesetzt und offen diskutiert haben - allerdings nur über die Standards der Schubhaft. Zu wünschen bliebe, auch intensiv gemeinsam über die Eingrenzung der Schubhaft zu reden. Eine weiter Fachtagung könnte dann unter dem Titel: "Zukunft ohne Schubhaft" stehen.

[Heinz Fronek - asylkoordination aktuell 3/2001]