Asylverfahren | Archiv

Vom Leben als AsylwerberIn in Österreich [Christoph Riedl, asylkoordination aktuell 4/2001]
Schlechte oder gar keine Versorgung, de facto Arbeitsverbot, endlose Verfahren und ein schwieriger Zugang zu rechtlicher Beratung prägen das Leben von AsylwerberInnen. Trotzdem werden AsylwerberInnen immer wieder zur Zielscheibe von Diffamierungen und rassistischer Ausritte.
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Sie sind Terroristen, sie dealen, sie vergewaltigen, sie stehlen, sie sind kriminell, in jedem Fall aber sind sie faul, arbeiten nichts und liegen uns ohnehin schon schwer gebeutelten Steuerzahlern auf der Tasche.
Zu wem passt diese Beschreibung? Zu den "Asylanten", wie sie mittlerweile vom Innenminister abwärts gerne tituliert werden, natürlich.
Wer hat bloß dieses schreckliche Wort erfunden? "Asylant". Wahrscheinlich existiert dieses Wort gar nicht, sonst müßte sich vom Wortstamm "Asyl" ja auch ein Verb ableiten lassen: "asylieren" zum Beispiel, oder gar ein Adjektiv: "Der kommt mir heute aber asylisch vor!"
Obwohl der "Asylant" so praktisch ist, auch durch seine Unschärfe, weil man ja nie weiß, wer jetzt gemeint ist, ein Asylwerber oder ein anerkannter Konventionsflüchtling, wollen wir ihn aus dem Rest der folgenden Ausführungen verbannen.
Was wir derzeit erleben ist eine nie dagewesene Verhetzung, betrieben durch die einschlägig bekannten Medien und die einschlägig bekannten Politiker. Der Gleichsetzung von Flüchtlingen und Kriminellen durch Haider in der ZIB 2 folgt nur noch ein erbärmlicher Rettungsversuch von Frau Turnherr: "Sie werden aber schon zugestehen, dass nicht alle Flüchtlinge kriminell sind".
Hier wird die denkbar schwächste Gruppe, jene die den Schutz der Gesellschaft am dringendsten brauchen würde, den Hyänen zum Fraß vorgeworfen und das Volk ist begeistert.
Dabei lautet der Auftrag welcher der Regierung durch die Genfer Flüchtlingskonvention auferlegt ist, die Flüchtlinge zu schützen und nicht die Inländer - schon wieder so ein Wort - vor ihnen zu beschützen.
Das ist auch gar nicht notwendig, denn AsylwerberInnen sind vermutlich weitaus weniger gefährlich, als eine vergleichbare Gruppe ÖsterreicherInnen, die man unter ähnlichen Bedingungen halten würde.


Versorgung: Desolates Lager, abgetakelte Sommerfrischen oder die Freiheit der Straße.
In einem mit winzigen Zellen versehenen speziellen Reisebus, der anstatt der Fenster nur über winzige Schlitze verfügt, in dem es nach Fäkalien stinkt, weil die Asylwerber schon einmal gezwungen sind auf ihrer mehrstündigen Reise vom jeweiligen Aufgriffsort an der Grenze quer durch Österreich, ihre Notdurft in einer Ecke zu verrichten, wird jener Ort erreicht, der zum Synonym für Österreichs Flüchtlingspolitik geworden ist: Traiskirchen.
Abgemildert wird diese Fahrt im fast fensterlosen Arrestantenbus, in dem es im Sommer brütend heiß wird nur durch das beherzte Eingreifen mancher Gendarmen, die, weil dafür kein Budget vorhanden ist, aus eigener Tasche bezahlte Getränke für die AsylwerberInnen bereitstellen.

Flüchtlingslager Traiskirchen Der Großteil der AsylwerberInnen Österreichs wird zu Beginn in diesem absolut desolaten "Flüchtlingslager" untergebracht. Hier fehlt es an allem: Hygiene, Intimsphäre, Beschäftigung, Sozialbetreuung, nichts davon wird hier gewährleistet.
Vielen fällt es schwer zu glauben, dass sie mit der Unterbringung in Traiskirchen eigentlich das große Los gezogen haben. Denn nur ein Drittel der Asylsuchenden wird aufgenommen und die landen beim kleinsten Verstoß gegen die Hausordnung auf der Straße.
Wer versucht in ein anderes europäisches Land weiterzugehen und zurückgeschickt wird, landet auf der Straße. Und auf der Straße landen heißt tatsächlich auf der Straße zu stehen. Kein Zugang zu Sozialhilfe, kein Zugang zu medizinischer Versorgung, nichts, rein gar nichts. Die Republik Österreich überantwortet Asylwerber dem Hunger- und Erfrierungstod. Wären da nicht die karitativen Organisationen, die das zu verhindern suchten, wären schon viele auf der Straße gestorben.
Hat man also dieses große Los gezogen und darf in Traiskirchen bleiben, wird man oft schon nach kurzer Zeit in eine Pension verlegt. Meist abgeschieden, irgendwo im Grünen. Sehr erholsam. Nicht selten abgetakelte Sommerfrischen, für die sich sonst keine Gäste mehr interessieren.
Doch was vielleicht unserem Erholungsbedürfnis entspricht, ist für AsylwerberInnen eine Katastrophe. Keine Möglichkeit sich selbst zu versorgen und zu kochen, eine Küche die dem fremden Gaumen oft schwer zugänglich ist und wieder: Keine Beschäftigung.
Denn was Herr Haider in einem jüngsten Ausritt gegen "Asylanten", die schon Jahre von der Sozialhilfe leben und nicht arbeiten würden, vergaß: Asylwerber haben nur in Ausnahmefällen Zugang zum Arbeitsmarkt, weil ein sehr strenges Ausländerbeschäftigungsgesetz dies verhindert.


Verfahren: Erstentscheide schleißig, Berufungsinstanz und Rechtsberater überlastet.
Doch was am schwersten wiegt: Die Asylverfahren dauern unheimlich lange, vor allem deshalb, weil in der ersten Instanz vergleichsweise wenig als Konventionsflüchtlinge anerkannt werden. So landen die meisten Fälle beim völlig überlasteten Unabhängigen Bundesasylsenat, (UBAS) der dann, nicht selten wieder ganz von vorne zu ermitteln beginnt, weil die Qualität der erstinstanzlichen Ermittlungen oft nicht ausreicht um darauf aufzubauen. So dauern die Verfahren doppelt lang: Weil zu wenige, die den Flüchtlingsschutz verdienen in der ersten Instanz anerkannt werden und weil die zweite Instanz sich nicht auf ihre Rolle als "Überprüfungsinstanz" konzentrieren kann, weil sie ständig selbst aufwändig ermitteln muß.
Aufgrund dieser Verhältnisse gibt es nur wenige Asylverfahren, die innerhalb eines Jahres durch beide Instanzen gebracht werden.
Doch um überhaupt in die zweite Instanz vorzudringen, braucht es eine fundierte Rechtsberatung und jemanden, der die Berufung schreibt.
Wenn man weit abseits in der schönen österreichischen Landschaft sitzt ist es schwierig zu einer Rechtsberatung zu gelangen. Wie soll man auch wissen welcher Brief nun wichtig ist und welcher weniger, wie sich Berufungsfristen berechnen lassen, wo die nächste Beratungsstelle ist und wie man die Fahrt dorthin finanzieren soll? Wer es nicht rechtzeitig zur Beratungsstelle schafft, dessen Asylverfahren ist zu Ende. Wenn das Asylverfahren erst einmal beendet ist, bleibt wieder nur die Straße. Es ist zwar unmöglich jemanden beispielsweise nach Afghanistan oder in den Irak abzuschieben, doch ein Dach über dem Kopf und eine warme Mahlzeit wäre schon zuviel für diese Menschen. Unabschiebbar leben sie dann in Österreich, können nicht mehr vor und zurück. Wieder wird jegliche Existenzsicherung verweigert.
Doch selbst wenn die AsylwerberInnen es schaffen rechtzeitig mit dem negativen Bescheid in Händen eine Beratungsstelle aufzusuchen, ist das noch lange kein Gewähr für eine gute Beratung oder ein gutes Rechtsmittel. Denn österreichweit stehen den AsylentscheiderInnen der Behörden nur eine Handvoll hauptamtlicher und ständig heillos überlasteter RechtsberaterInnen gegenüber.
Staatlich finanziert sind in diesem Bereich nur die FlüchtlingsberaterInnen nach dem Asylgesetz. Für Traiskirchen werden hier insgesamt 16 Stunden pro Woche abgegolten obwohl ca. die Hälfte der österreichweit gestellten Asylanträge über diese Außenstelle des Bundesasylamtes läuft. (Im Jahr 2000 gab es 18.0000 Asylanträge, heuer werden es etwas mehr werden.)
Fast alle Flüchtlingsberatungsstellen finanzieren sich daher recht und schlecht aus Spendengeldern oder arbeiten mit ehrenamtlichen HelferInnen.
Wie der Rechtsschutz für die sprach- und rechtsunkundigen AsylwerberInnen gewährleistet werden soll, interessierte bislang niemanden.
Sollten die Pläne des Innenministers auf Beschleunigung der Asylverfahren Wirklichkeit werden, muß jedenfalls noch größeres Augenmerk auf den Rechtsschutz der AsylwerberInnen und die Qualität der Entscheidungen gelegt werden.
Die Behörden wären aber auch ohne die geplante Asylreform nicht daran gehindert gewesen schneller zu entscheiden. In Wirklichkeit handelt es sich hier ja um ein Ressourcenproblem und nicht um ein Problem für das man ein neues Asylgesetz schreiben müßte.

[Christoph Riedl - asylkoordination aktuell 4/2001]