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Asylstatistik 2004 - Mehr positive Asylentscheidung trotz strengerer Gesetze [Anny Knapp, asylkoordination, 03.03.05]
Die Anzahl der Asylanträge ist 2004 um 24 % auf 24.676 zurückgegangen. Österreich ist somit keine Ausnahme beim EU-weiten Trend abnehmender Antragszahlen. Dabei sind geringere Antragszahlen aus den meisten Herkunftsländern von Flüchtlingen festzustellen.
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[n.b. Die im Artikel verwendeten Daten basieren auf der ersten Jahresstatistik 2004 des BMI, die in der Folge - geringfügig - korrigiert wurden. Für diese korrigierten Zahlen vergleichen Sie bitte die aktualisierte Asylstatistik.]

Während bei einigen Hauptherkunftsstaaten wie etwa der Russischen Föderation nur ein leichter Rückgang auf 6184 um 6 Prozent stattfand, ist der Rückgang bei Indien (um 35 % auf 1.842 Anträge), Afghanistan (um 68 % auf 757), Türkei (um 61% auf 1.113), Armenien (um 62 % auf 414), Ukraine (um 10 % auf 425), Iran (um 65% auf 347), Bangladesch (um 63 % auf 331) oder Irak (um 84 % auf 284) stärker ausgefallen. Zunahmen gab es bei Serbien Montenegro (um 12 % auf 3.840), Moldau (um 15 % auf 1.350) und Georgien (14 % auf 1.734).

In 50 Prozent der im Jahr 2004 abgeschlossenen Asylverfahren wurde Asyl gewährt (4.913), 4.955 Anträge wurden zurück- oder abgewiesen. Eine positive Entscheidung erhielten 2.744 Staatsangehörige der Russischen Föderation. Die Anerkennungsquote beträgt 93 Prozent, wobei angenommen wird, daß 95 % der Antragsteller Tschetschenen sind. Ähnlich hoch (86%) ist die Asylquote bei Flüchtlingen aus Afghanistan, 722 erhielten Asyl. Positiv endete das Verfahren auch für 405 Iraner (78 %), für 309 Flüchtlinge aus Serbien und Montenegro (31 %), 119 Iraker (60%), 96 türkische Staatsangehörige (13 %), 52 Georgier (12 %) und 51 Staatsangehörige der DR Kongo (76%). Insgesamt erhielten 167 AsylwerberInnen aus Schwarzafrika Asyl (18 %).

Die Verschärfungen der Asylnovelle 2003 schlagen sich auch in der Anerkennungsquote nieder. Während die Asylquote bei den vor 1.5.2004 gestellten Anträgen, die nach dem alten Gesetz zu Ende geführt werden, 54 Prozent beträgt, wurden nach dem neuen Gesetz nur 23 Prozent positiv. Insgesamt sind beim Bundesasylamt seit 1.5.04 306 rechtskräftige positive Entscheidungen ausgefertigt worden. Das Berufungsverfahren wurden bis Jahresende nur bei 68 Verfahren abgeschlossen, 2 davon mit der Asylgewährung.

Die Drittstaatsklausel hat seit dem Beitritt der Nachbarstaaten zur EU keine Bedeutung. Zurückweisungen wegen Drittstaatssicherheit gab es nur in 1.Instanz, davon betrafen 44 Entscheidungen die alte Rechtslage, 4 wurden nach der neuen Rechtslage getroffen.

Zugenommen hat im abgelaufenen Jahr die Anzahl der Dublin-Entscheidungen. 665 Zurückweisungen wegen Zuständigkeit eines anderen EU-Staates wurden seit der geänderten Rechtslage getroffen, weitere 240 betrafen ältere Anträge. Von den insgesamt 961 Zurückweisungen wurden nur 71 (7 %) in 2. Instanz rechtskräftig.
Seit Mai 2005 haben die österreichischen Asylbehörden 4013 Anfragen zur Prüfung der Zuständigkeit an andere EU Staaten gestellt, vorwiegend an die Slowakei (1.797), Polen (532), Deutschland (347), Tschechien (301 und Ungarn (293). Bei 66 Prozent der Anfragen übermittelten die ersuchten Staaten ihre Zustimmung. In 418 Fällen erfolgte daraufhin auch eine Überstellung. Diese eher geringe Zurückschiebungsquote von 16 % läßt sich vermutlich darauf zurückführen, daß bei traumatisierten Asylsuchenden rechtswidrigerweise Dublin-Verfahren geführt wurden. Auch die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs, daß im Berufungsverfahren aufschiebende Wirkung erteilt werden kann, dürfte sich dabei ausgewirkt haben oder der Umstand, daß manche AsylwerberInnen untertauchten.
Umgekehrt erhielt Österreich bis Ende November 2004 2.081 Anfragen anderer EU-Staaten.
Bei 4.252 der Asylsuchenden (17 Prozent) wurde bei der erkennungsdienstlichen Behandlung festgestellt, daß sie bereits in dem seit Beginn 2003 eingerichteten Eurodac-Fingerabdrucksystem erfaßt sind.

Bei Anträgen, die als offensichtlich unbegründet abgelehnt werden, setzt sich der Trend zur Bedeutungslosigkeit dieses Spezialverfahrens deutlich fort: in 113 Verfahren kam es zu negativen Entscheidungen, - im Jahr 2003 waren es noch 215 - bei denen nun die aufschiebende Wirkung der Berufung beantragt werden muß. 76 Verfahren wurden allerdings bereits in 1.Instanz rechtskräftig entschieden.

Den Status subsidiärer Schutz wegen Schutzgründen der Europäischen Menschenrechtskonvention nach negativem Ausgang des Asylverfahrens haben die Asylbehörden in 947 Fällen zuerkannt, somit endeten weitere 17 Prozent der rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren mit Schutzgewährung. Die Gesamtquote für Asyl und subsidiären Schutz beträgt 60 Prozent, läßt man die wegen Unzuständigkeit nicht inhaltlich geprüften Verfahren außer Betracht, kommt man sogar auf 65 Prozent.

Das Groß der Verfahren wurde ohne inhaltliche Entscheidung beendet. So galten rund 8.300 Verfahren zu Jahresende 2004 als eingestellt, weil der Asylwerber sich nicht gemeldet hatte. Eine Fortsetzung des Verfahrens ist innerhalb von 3 Jahren möglich. 5318 im Ausland gestellte Anträge wurden gegenstandslos, weil die Asylgewährung als nicht wahrscheinlich angenommen wurde. 90 Prozent davon betrafen Anträge, die vor der Gesetzesänderung gestellt wurden, denn seit dem 1.5.2004 können nur mehr enge Familienangehörige den Asylstatus vom Ausland aus beantragen. Dazu gab es 56 positive Entscheidungen. In den Papierkorb entsorgt wurden die rund 5.000 Anträge afghanischer Asylsuchender, 124 Anträge von Iranern und 91 Russischer Staatsbürger.
Abgeschafft wurde auch die Möglichkeit, einen Asylantrag zurückzuziehen. Bis die Novelle in Kraft trat, machten 1.188 Antragsteller von diesem Recht Gebrauch. Danach haben 557 Asylwerber einen möglicherweise negativen Bescheid vermieden, indem sie im Rahmen der Rückkehrberatung ausgereist sind.

Der 'Rucksack' offener Verfahren konnte im Jahr 2004 nicht abgebaut werden. Bei den Verfahren nach der alten Rechtslage reduzierte er sich zwischen Jahresende 2003 und Ende 2004 um rund 6000 auf 27.000. Von den seit Mai rund 15.800 neuen Anträgen sind etwa 9700 zu Jahresende offen. Die Anzahl der offenen Verfahren hat sich also gegenüber dem Vorjahr trotz der durch die Asylnovelle erwarteten Beschleunigung und rückläufiger Antragszahlen auf 36.600 erhöht.

Trotz der zahlreichen Schwierigkeiten und Unzulänglichkeiten, die die Asylnovelle 03 mit sich gebracht hat, fanden die Flüchtlinge noch überwiegend Schutz in Österreich. Daß zwei von drei Anträgen positiv beschieden wurden, sollte Rufer nach Verschärfungen zur Bekämpfung eines vermeintlichen Asylmißbrauchs verstummen lassen. Allerdings zeigen die Zahlen zum Dublin-Verfahren, daß der Ausschluß von einem Verfahren in Österreich stark zunimmt und Österreich sich auf dem Weg zu einem Netto-Exporteur von Flüchtlingen befindet - doppelt so viele Flüchtlinge sollen in andere EU-Staaten geschoben werden, als wir von anderen zurückbekommen. Zahlen aus unseren Nachbarländern zeigen, daß die Chancen auf Asyl dort jedoch gering sind: In der Tschechischen Republik endeten nur 140 Asylanträge bei knapp 4800 Entscheidungen positiv, in der Slowakei 7 von 1.241 (ohne Dezember), in Ungarn wurde bei 1.080 Entscheidungen in 149 Fällen Asyl und 177 subsidiärer Schutz gewährt, in Slowenien gab es bis September 34 positive und 237 negativen Entscheidungen.





Anny Knapp, asylkoordination Österreich