Führende VertreterInnen des internationalen Netzwerks Seperated Children in Europe Programme (SCEP) waren extra nach Wien gekommen, um dem derzeitigen Ratsvorsitzenden Wolfgang Schüssel ein druckfrisches Exemplar ihres 'Statement of Good Practice' zu überreichen. Allein, zu einer Übergabe ist es nicht gekommen, weder Schüssel noch Sozialministerin Haubner waren bereit, sich dafür Zeit zu nehmen.
Bei der Pressekonferenz des Netzwerkes, das von Anna Büllesbach als Vertreterin des UNHCR und der OSZE-Sonderbeauftragten gegen Menschenhandel, Helga Konrad, unterstützt wurde, stand allerdings nicht die Kritik an der Ignoranz der österreichischen PolitikerInnen, sondern der Inhalt des in 23 Sprachen übersetzten Grundsatzpapiers im Vordergrund.
Das 'Statement of Good Practice' definiert Standards für den Umgang mit unbegleiteten Minderjährigen auf Grundlage der UN-Kinderrechtskonvention und der entsprechenden Richtlinien des UNHCR. Im Zentrum des Papiers stehen fundamentale Prinzipien wie das Wohl des Kindes, das Diskriminierungsverbot und das Recht auf Partizipation. Die vorgelegten Standards, für deren Umsetzung sich die Mitglieder des Netzwerkes stark machen, beziehen sich auf Fragen wie die Behandlung von Kindern als Opfer von Menschenhandel, Übernahme von Vormundschaften, Familienzusammenführungen, Altersfeststellung, Zugang zu Bildung und Gesundheitsversorgung.
Vertreter des Netzwerks aus Tschechien, Deutschland, Österreich und der Schweiz betonten die Wichtigkeit des vorliegenden Papiers für die Arbeit mit den nationalen Regierungen und Behörden. Denn, wie die Vertreterin des UNHCR Anna Büllesbach betonte, bedarf es nicht nur in den neuen EU-Mitgliedsländern noch viel Bewusstseinsarbeit um die erst 1989 beschlossene UN-Kinderrechtskonvention ins allgemeine Bewusstsein zu heben und auch bei der Neuformulierung von Gesetzen immer das Wohl des Kindes als zentrale Prämisse zu bedenken.
Leider gäbe es, wie die Leiterin des Seperated Children in Europe Programme, Jyothi Kanics, feststellte, in der Praxis nach wie vor mehr schlechte als gute Beispiele. Eines dieser negativen Beispiele liefern die jüngsten gesetzlichen Entwicklungen in Österreich, die, wie Heinz Fronek von der asylkoordination österreich berichtete, dazu führen, dass auch minderjährige Flüchtlinge zunehmend in Schubhaft genommen werden. Es handelt sich dabei allerdings um eine EU-weite Entwicklung. Besonders kritisiert wurde in diesem Zusammenhang die Praxis abgelehnte AsylwerberInnen, auch wenn sie noch minderjährig sind, ohne weitere Prüfung der Lebensumstände, die sie dort erwarten, in ihre Herkunftsländer abzuschieben. 'Einfach zurückschicken ist zu wenig', meinte auch OSZE Sonderbeauftragte und Exministerin Helga Konrad. Sie forderte ein verpflichtendes 'Risk Assessment' (Risikoprüfung), bei dem festgestellt werden soll, ob die Kinder daheim eine stabile Situation erwarte, ansonsten sei eine Rückführung nicht mit dem in der UN-Konvention geforderten Wohl des Kindes in Einklang zu bringen. Konrad wies auch auf die besondere Gefährdung unbegleiteter Minderjähriger hin, Opfer von Menschenhandel zu werden.
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