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Afghanische Flüchtlinge von der Welt vergessen [Gabriele Rasuly-Paleczek, asylkoordination aktuell 1/2001]
In Afghanistan herrscht Hunger und Krieg. Die Zahl der Flüchtlinge ist in den letzten Monaten um Hunderttausende angewachsen. Die Nachbarländer sind nicht mehr bereit weitere Flüchtlinge aufzunehmen, Tausende wurden repatriiert. Dies alles geschieht ohne Aufschrei der Weltöffentlichkeit.
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Im Gegensatz zur Ära des Kalten Krieges, als regelmäßig über Afghanistan berichtet wurde und das Land im Zentrum der Aufmerksamkeit stand, scheint Afghanistan aus dem Bewußtsein der Weltöffentlichkeit verschwunden zu sein. Wenn überhaupt noch über Afghanistan berichtet wird, dann in Zusammenhang mit der "bin-Laden-Affaire" oder besonders spektakulären Auswüchsen des Taleban-Regimes. Ein makaberes Beispiel dafür ist der jüngste Medienrummel, der weltweit rund um die seitens der Taleban angedrohte - und partiell bereits umgesetzte - Zerstörung der beiden 1500 Jahre alten monumentalen Buddha-Statuen von Bamiyan (Zentral-Afghanistan) entfaltet wurde.
Die humanitäre Katastrophe, auf die Afghanistan zusteuert, findet dagegen wenig bis kaum Beachtung. Die UNO und die wenigen bezüglich Afghanistan noch aktiven Hilfsorganisationen klagen seit Monaten über ein großes Desinteresse an der Situation in und um Afghanistan. Dringend benötigte Spendengelder fließen nicht mehr und selbst dramatische Entwicklungen, wie die derzeitige Dürre und Hungersnot in Afghanistan, die neuerlichen kriegerischen Auseinandersetzungen, die gravierenden Menschenrechtsvergehen oder die schwierige Lage der Internally Displaced Persons (IDPs) und Flüchtlinge werden in der internationalen Medienberichterstattung kaum mehr wahrgenommen.

Die politische Lage in Afghanistan
Die politische Lage Afghanistans ist derzeit durch die folgenden Konfliktfelder geprägt: 1) durch einen Machtkampf zwischen den Taleban und den verschiedenen, in der United Front of Afghanistan zusammengeschlossenen Oppositionsgruppen, 2) durch Konflikte zwischen dem Taleban-Regime und der internationalen Staatengemeinschaft, allen voran der UNO und den USA, 3) durch das Streben des Taleban-Regimes nach internationaler Anerkennung und 4) schließlich durch regionalpolitische Auseinandersetzungen.

Obwohl es den Taleban in den letzten Jahren gelungen ist einen Großteil des Landes unter ihre Kontrolle zu bringen (derzeit kontrollieren sie rund 95 Prozent des afghanischen Staatsgebietes), sind sie ihrem ursprünglichen Ziel, eine endgültige Befriedung Afghanistans zu erreichen, bislang nicht näher gekommen. Immer wieder kommt es zum Ausbruch von Kampfhandlungen. Eine neuerliche Eskalation der Gewalt begann im Sommer 2000, als die Taleban versuchten, die letzten, noch nicht von ihnen eroberten Regionen (ganz NO-Afghanistan, einzelne Distrikte Zentral- und NW-Afghanistans und einzelne Gebiete nördlich von Kabul) endlich einzunehmen. Schon in den Jahren 1998 und 1999 hatten die Taleban versucht, diese Gebiete zu erobern.
Seit Juli 2000 liefern sich Taleban und Opposition in den nordost-afghanischen Provinzen Takhar, Kunduz und Baghlan nun schwere Kämpfe. Bislang konnte keine der beiden Kriegsparteien eine Entscheidung zu ihren Gunsten herbeiführen.

Weiter Massaker an Hazara
Ein zweites Zentrum der militärischen Auseinandersetzungen ist, wie schon in den vergangenen Jahren, das von der schiitischen Minderheit der Hazara bewohnte Zentralafghanistan. Hier versuchen die Oppositionstruppen (vor allem die Kämpfer der schiitischen Hezb-e Wahdat) seit einiger Zeit, zuvor an die Taleban verloren gegangene Gebiete zurückzuerobern.
Ähnlich wie in NO-Afghanistan wechseln auch hier die Fronten ständig hin und her. Wie schon in früheren Jahren, so kam es im Verlauf der Gefechte zwischen den Taleban und der Opposition auch 2000 erneut zu Massakern an den Hazaras. Laut Berichten der UNO und der Organisation Human Rights Watch wurden Ende Dezember 2000 150 bis 300 männliche Hazara durch Soldaten der Taleban ermordet.
Verstärkte Kampfhandlungen werden seit mehreren Monaten auch wieder aus der Region nördlich von Kabul, vor allem aus dem Gebiet des Shomali-Tales, gemeldet. Auch hier haben in den letzten Jahren mehrfach Gefechte stattgefunden, die gleichfalls von keiner Seite zu ihren Gunsten entschieden werden konnten. Selbst in Kabul, das unter strikter Kontrolle der Taleban steht, kommt es immer wieder zu Bombenattentaten (zuletzt im Februar 2001)

UNO Sanktionen und Druck der USA
Im Vordergrund der internationalen Probleme des Taleban Regimes steht die "bin-Laden Affaire" und der damit in Zusammenhang stehende Vorwurf, dass Afghanistan eines der gefährlichsten Zentren des internationalen Terrorismus darstelle. Seit Jahren verweigern die Taleban, die - vor allem von den USA - geforderte Auslieferung bin-Ladens, der als einer der Organisatoren und Finanziers islamistischer Terrorgruppen gilt. Ende 2000 führte der Konflikt um bin-Laden zur Verhängung neuerlicher Sanktionen des UN-Sicherheitsrates. Diese beinhalten u.a. die Schließung aller Taleban-Büros im Ausland, ein Reiseverbot für Repräsentanten des Taleban-Regimes sowie das Einfrieren von Geldern der Taleban auf ausländischen Konten.
Nicht betroffen von den UN-Sanktionen sind jedoch humanitäre Hilfeleistungen für die Bevölkerung Afghanistans, deren Überleben zu einem erheblichen Teil von ausländischen Hilfslieferungen abhängt.[Rund 1/3 der afghanischen Bevölkerung wird gegenwärtig durch ausländische Hilfsorganisationen ernährt.] Die UN-Sanktionen, die Mitte Jänner 2001 in Kraft traten, haben mittlerweile zu einem massiven Konflikt zwischen der UNO und den Taleban geführt hat. U.a. haben die Taleban das politische Büro der UNO in Kabul geschlossen und die seit Jahren seitens der UNO betriebenen Friedensgespräche abgebrochen.
Ein weiterer Konfliktpunkt aus der Sicht der Taleban ist die ihnen seitens der internationalen Staatengemeinschaft nach wie vor verweigerte Anerkennung als offizieller Regierung Afghanistans. Obwohl die Taleban mittlerweile fast das gesamte Staatsgebiet Afghanistans kontrollieren und eine eigenständige Verwaltung geschaffen haben, gilt der von ihnen 1996 entmachtete Prof. Rabbani nach wie vor als offizieller Präsident Afghanistans und vertritt das Land z.B. bei der UN-Generalversammlung. Bislang haben lediglich Pakistan, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate das Taleban-Regime anerkannt.

Angst der Nachbarstaaten
Regionalpolitisch sorgen die militärischen Konflikte innerhalb Afghanistans für Unruhe bei den Nachbarstaaten. Insbesondere die nördlichen Nachbarn Afghanistans, Tadschikistan und Uzbekisten, fürchten ein Einsickern islamistischer Kräfte und versuchen daher ihre Grenzen besser zu kontrollieren.
Eine besondere Rolle kommt dabei den russischen Grenztruppen zu, welche die G.U.S. Aussengrenze sichern sollen. Ihre Zahl ist in der letzten Zeit, vor allem im Abschnitt der afghanisch-tadschikischen Grenze, wo es seit einigen Monaten zu fast ständigen militärischen Auseinandersetzungen zwischen den Taleban und der Opposition kommt, erhöht worden. Obwohl der Afghanistan-Konflikt seitens der Nachbarstaaten als destabilisierender Faktor betrachtet wird und daher alle ein Interesse an der Beilegung des Konfliktes bekunden, sind einzelne der Nachbarstaaten direkt in den Konflikt involviert. So gilt Pakistan als wichtigster Verbündeter der Taleban, während Russland und Indien als Verbündete der Opposition eingestuft werden.[Pakistan soll nicht nur die Taleban politisch und militärisch stützten, sondern mit eigenen Truppen auch direkt in die Kämpfe verwickelt sein.]

Die humanitäre Lage in Afghanistan
Die humanitäre Lage in Afghanistan hat sich in den letzten Monaten dramatisch verschlechtert. Infolge einer der schwersten Dürreperioden seit 30 Jahren ist ein großer Teil der Ernten und Viehbestände der afghanischen Bauern vernichtet worden. In manchen Regionen sind bis zu 80 Prozent des Viehs verendet und weniger als 25 Prozent der üblichen Ernteergebnisse erzielt worden. Mehr als die Hälfte der afghanischen Bevölkerung (ca. 12 Millionen Menschen) sollen unmittelbar von der Dürre betroffen sein. Vielerorts begann die Bevölkerung, nachdem sie die letzten Nahrungsreserven und das Saatgut für die nächste Pflanzsaison aufgezehrt hatte, auf der Suche nach Nahrung in andere Landesteile zu ziehen.
In einzelnen Regionen, wie z.B. im Westen Afghanistans, entstanden bereits riesige IDP-Lager. Allein im Gebiet von Herat leben derzeit zwischen 80.000 und 100.000 IDPs, die in den letzten Monaten aus den von der Dürre besonders betroffenen Nachbarprovinzen zugewandert sind. Viele der Displaced Persons (täglich kommen rund 50 Familien hinzu) kommen völlig erschöpft und mittellos an. Ihre wenigen Habseligkeiten haben sie oft verkauft, um die Reise in die Camps finanzieren zu können. In den Lagern selbst finden sie sich in einer prekären Situation wieder. Hier fehlt es an allem, an Zelten, Decken, Brennmaterial, Nahrung und ärztlicher Versorgung. [Oft teilen sich drei Familien ein Zelt, das eigentlich nur für die Unterbringung einer Familie vorgesehen ist] Mitte Jänner 2001 sind innerhalb einiger weniger Tage zwischen 150 und 500 IDPs, vor allem Kinder und Frauen, an den Folgen von Kälte und Unterernährung gestorben. Erst danach kamen erste Hilfemaßnahmen in Gang. [Die UNO und einige NGOs hatten bereits seit Monaten auf die krisenhafte Sitution in den IDP Lagern von Herat aufmerksam gemacht.]
Wie dramatisch die Ernährungslage mittlerweile ist, zeigen eine Reihe von Surveys internationaler Organisationen, wie z.B. eine Studie der Organisation "Ärzte ohne Grenzen" über die Ernährungslage afghanischer Kinder in der Stadt Mazar-e Sharif (N-Afghanistan). Aus dieser Erhebung geht hervor, dass bereits 48 Prozent der untersuchten Kinder chronische Unterernährung und fast 25 Prozent schwere Unterernährung aufwiesen.
Insgesamt schätzt die UNO, dass, wenn nicht bald massive internationale Hilfe eintrifft, in den nächsten Monaten bis zu einer Million Afghanen verhungern könnten.

Die Situation in den Kriegsgebieten
Noch viel katastrophaler als die Lage der IDPs in West-Afghanistan ist die Situation Zehntausender IDPs in den Kriegsgebieten, allen voran in den NO-afghanischen Provinzen Kunduz, Takhar und Baghlan.
Hier ist die Bevölkerung seit dem Wiederaufflammen der Kämpfe im Jahr 2000 mehrfach aus ihren Dörfern und Städten vertreiben worden bzw. aus Furcht vor dem Krieg in andere Gebiete der Region geflohen. Sie tat dies nicht zum ersten Mal. In manchen Gebieten leben die Leute seit mehreren Jahren praktisch ständig auf der Flucht. Ebbten die Kämpfe ab, so kehrten sie in ihre Dörfer zurück, setzten ihre Häuser in Stand und versuchten ihre Landwirtschaften weiter zu betreiben.
Seit dem Sommer 2000 erreichten die Kämpfe jedoch eine Intensität und Permanenz, die Zehntausende veranlasste, ganz aus der Region zu fliehen. Am Beginn der Kampfhandlungen versuchten viele, wie in den Jahren zuvor zunächst in die Nachbarregionen auszuweichen und dort bei Verwandten und Bekannten Unterschlupf zu finden.
Als die Front sich immer mehr ausdehnte, begaben sich rund 150.000 an die tadschikisch-afghanische Grenze, um gegebenenfalls nach Tadschikistan fliehen zu könnten. Da diese Fluchtalternative aufgrund der Weigerung Tadschikistans, Flüchtlinge aufzunehmen, sich nicht realisierte, wandten sich viele Flüchtlinge in die Bergregionen der nach wie vor von der Opposition kontrollierten Teile NO-Afghanistans (Provinz Badakhshan und Teile der Provinz Takhar) oder versuchten nach Pakistan zu gelangen.
In der Provinz Badakhshan und in den noch nicht von den Taleban eroberten Distrikten der Provinz Takhar halten sich gegenwärtig rund 98.000 IDPs auf. Auch ihre Lage ist äußerst prekär. Einerseits weil ganz NO-Afghanistan ebenfalls zu den von der rezenten Dürre besonders betroffenen Gebieten zählt und Nahrungsmittel lokal nur in geringem Umfang zur Verfügung stehen und andererseits Hilfslieferungen nur schwer zu den IDPs gelangen können. Zahlreiche Verbindungswege werden durch die Taleban kontrollieren, die Hilfskonvois internationaler Organisationen nicht durchlassen.
Die Region selbst ist eine der ablegensten Gegenden Afghanistans und weist nur wenige mit Autos befahrbare Transportwege auf. Gegenwärtig können die IDPs lediglich über Tadschikistan erreicht werden. Dieser Verbindungsweg ist jedoch sehr langwierig und politisch problematisch, da sich Tadschikistan immer wieder zögerlich in Bezug auf die afghanischen Flüchtlinge und IDPs zeigt.
Dies wird beispielsweise an Hand der Haltung der tadschikischen Regierung gegenüber einer Gruppe von 10.000 bis 13.000 afghanischen IPDs deutlich, die seit Herbst 2000 auf mehreren sumpfigen Inseln und Halbinseln im Amu Darya (Grenzfluss zwischen Afghanistan und Tadschikistan) lagert. Diese Flüchtlinge befinden sich in einer besonders schwierigen Lage. Einerseits leben sie nicht weit von der Front entfernt (ca. 1-2 km) und wurden in den letzten Monaten auch immer wieder von den Taleban beschossen. Anderseits haben sie kaum eigene Ressourcen, um sich längerfristig in ihrem Zufluchtsort einzurichten. Die meisten hausen in selbstgefertigten Erdlöchern und Schilfunterständen, meist ohne Decken. Die wenigen Nahrungsmittel, die sie auf ihrer überstürzten Flucht mitnehmen konnten, haben sie längst aufgebraucht.
Zahlreiche Flüchtlinge leiden zudem an Krankheiten, wie Malaria, Typhus und Tuberkolose oder an Kriegsverletzungen etc.. Erst nach langwierigen Verhandlungen erlaubte die Regierung Tadschikistans Hilfslieferungen seitens der UNO, einiger NGOs und der iranischen Botschaft in Duschambe. Diese Lieferungen können jedoch nicht regelmäßig stattfinden. Die mehrfache Bitte der Vereinten Nationen, wenigstens Schwerkranke zur medizinischen Versorgung von der Insel wegbringen zu dürfen, blieben bislang unbeantwortet.
Zermürbt durch die jahrelangen Kriegshandlungen und die Dürre hat ein Teil der Bevölkerung NO-Afghanistans seit Oktober 2000 auch versucht nach Pakistan zu gelangen.[Die Einwohner der Region können infolge der fortgesetzten Kampfhandlungen nur selten durch internationale Organisationen mit Hilfsgütern versorgt werden. Außerdem soll ein Teil der ohnehin spärlichen Ernten im Verlauf der Kämpfe vernichtet worden sein.] Für viele war es das erste Mal, dass sie ins Ausland flohen.[Selbst in der Zeit der sowjetischen Besatzung und des Widerstandskampfes gegen das kommunistische Regime waren die meisten in der Region geblieben.] Schon der Weg dorthin war für viele nicht einfach. Oftmals mußten sie große Geldsummen bezahlen, um innerhalb Afghanistans weiterreisen zu können oder waren Schikanen und Misshandlungen ausgesetzt. In einzelnen Fällen sollen sie auch an der Flucht aus Afghanistan gehindert worden sein.
In Pakistan selbst, so sie überhaupt über die Grenze kamen, waren sie mit neuen Schwierigkeiten konfrontiert. Viele fanden sich in Behelfscamps wieder, wo es weder Unterkunft, noch Verpflegung, medizinische Betreuung oder Nahrungsmittelhilfe gab (daran hat sich bislang auch noch kaum etwas geändert).

Die Situation der afghanischen Flüchtlinge in den Nachbarländern
Flüchtlinge aus Afghanistan stellen weltweit nach wie vor die größte Flüchtlingspopulation dar. Obwohl seit dem Sturz des kommunistischen Regimes im April 1992 viele der vormals mehr als 6 Mill. Flüchtlinge inzwischen auf eigene Initiative oder im Rahmen verschiedener Repatriierungsprogramme nach Afghanistan zurückgekehrt sind, leben noch immer rund 3 Milluonen im Exil. Die Mehrzahl der afghanischen Flüchtlinge hält sich in den Nachbarstaaten Iran und Pakistan auf. Nur einige Zehntausend leben in Westeuropa und den USA.
Insgesamt kam es schon bald nach der Machtergreifung der Mujaheddin infolge des Aufflammens militärischer Auseinandersetzungen zwischen den neuen Machthabern (v.a. zwischen 1994 und 1995) und verursacht durch die Eroberungszüge der Taleban (ab dem Frühjahr 1995) zu einer Verlangsamung der Rückkehr afghanischer Flüchtlinge und zum Einsetzen neuer Fluchtbewegungen. Vor allem in den letzten Monaten ist es zu einem neuerlichen Exodus aus Afghanistan gekommen. Wie schon in den 80iger Jahren, so richtet sich auch jetzt der Flüchtlingsstrom auf die beiden Nachbarstaaten Iran und Pakistan. Täglich versuchen Tausende afghanische Flüchtlinge über die Grenze zu gelangen.
Im Gegensatz zur Ära des Kalten Krieges, als die Flüchtlinge problemlos aufgenommen wurden und zahlreiche internationale Organisationen sich um die Betreuung der Flüchtlinge kümmerten, sind diese heute nirgendwo mehr willkommen, weder in den reichen Staaten des Westens noch in den mit eigenen ökonomischen Problemen konfrontierten Nachbarstaaten Iran und Pakistan.

Schwindende Aufnahmebereitschaft
Auch die internationale Staatengemeinschaft hat sich längst von Afghanistan abgewandt. Während die beiden Nachbarstaaten Iran und Pakistan in den 80iger Jahren noch Millionen afghanischer Flüchtlinge beherbergt haben, beginnt sich auch dort nun - wie schon zuvor in Europa - eine Politik der "Aushöhlung des Asylrechts" durchzusetzen.
Afghanische Flüchtlinge werden nun als ökonomische und politische Bürde betrachtet und für eine Reihe von Problemen (Anstieg der Gewalt und Kriminalität, Drogenhandel, hohe Arbeitslosenraten etc.) in den Aufnahmeländern verantwortlich gemacht. Ihre Fluchtgründe - Angst vor Verfolgung und Krieg - werden umgedeutet zu ökonomisch motivierter Zuwanderung und die Flüchtlinge und Asylwerber als illegale Immigranten stigmatisiert. Mit verstärkten Grenzkontrollen, verminderten Hilfsangeboten und vielfältigen administrativen Schikanen versuchen nun die Nachbarstaaten, potentielle Flüchtlinge am Kommen zu hindern bzw. zu einer Rückkehr in die Heimat zu veranlassen.

Iran: Repatriierung und Hetze gegen "Illegale"

Gegenwärtig leben zwischen 1,4 Mill. (laut UNHCR) und 2,1 Mill. (laut iranischen Angaben) afghanischer Flüchtlinge im Iran. Nur ein kleiner Teil von ihnen, ca. 25.000 bis 30.000, lebt in 30 Flüchtlingscamps, die von der iranischen Regierung unterhalten werden. Der Großteil der afghanischen Flüchtlinge war ursprünglich in die lokalen Gemeinden integriert und erhielt staatlich subventionierte Lebensmittel und Gesundheitsversorgung und konnte staatliche Schulen besuchen. Bedingt durch die ökonomische Krise im Iran leben viele der Flüchtlinge heute in schwierigen wirtschaftlichen Verhältnissen. Ihren Lebensunterhalt verdingen sie sich oftmals in schlecht bezahlten Jobs, als Erntearbeiter oder in der Teppichproduktion.
Seitens der iranischen Öffentlichkeit wird zunehmend Kritik an der großen Zahl afghanischer Flüchtlinge geübt. Sie werden für die zweistellige Arbeitslosenrate verantwortlich gemacht und des Drogenhandels und anderer krimineller Aktivitäten beschuldigt. Außerdem wird ihnen vorgeworfen, keine Steuern zu zahlen. Der iranische Staat seinerseits begann sich zusehends über die hohen Kosten für die Flüchtlinge zu beklagen und nach einer Lösung des Flüchtlingsproblems zu suchen.
Im Vordergrund der rezenten iranischen Flüchtlingspolitik steht die verstärkte Repatriierung afghanischer Flüchtlinge. Anlässlich des Besuchs der UN Hochkommissarin für Flüchtlingsfragen im Februar 2000 wurde zwischen dem UNHCR und der iranischen Regierung ein Abkommen über die freiwillige Repatriierung afghanischer Flüchtlinge erzielt. Dieses Abkommen, das im April 2000 in Kraft trat, sah vor, dass über einen Zeitraum von sechs Monaten ca. 200.000 Flüchtlinge nach Afghanistan zurückkehren sollten. Obwohl das Repatriierungsprogramm als inadäquat und schlecht geplant kritisiert worden ist und einzelne Afghanen Proteste gegen ihre Repatriierung eingelegt haben, sind im abgelaufenen Jahr 183.000 Afghanen nach Afghanistan zurückgekehrt.
Dennoch scheint den iranischen Behörden die Rückkehr nicht rasch genug von statten zu gehen. Auffällig ist dabei die nun auch seitens der iranischen Behörden verwendete Diktion gegenüber afghanischen Flüchtlingen. So soll laut Pressemitteilungen der oberste Richter des Iran, Ayatollah Mahmud Hashemi-Shahrudi, am 7.Jänner 2001 in einem Rundschreiben erklärt haben, dass Zweideutigkeiten im Gesetz kein Grund seien, die Verfolgung von Fällen illegaler Immigranten zu verzögern. Gleichzeitig soll Shahrudi davor gewarnt haben, dass die "illegale und heimliche Präsenz fremder Staatsbürger für die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährlich sei."
Inzwischen sollen in einzelnen iranischen Provinzen bereits umfangreiche Maßnahmen zur Verringerung der Flüchtlinge/"illegalen Einwanderer" laufen. So sollen in der südost-iranischen Provinz Sistan, die einen besonders hohen Anteil von Afghanen aufweist, laut Aussage des dortigen Gouverneurs bis Mitte Februar 2001 alle illegalen Immigranten identifiziert werden. In der Provinz Khorasan (NW-Iran) soll die Polizei alle Afghanen, die in der Provinz leben, zur Rückkehr in die Heimat aufgefordert haben.
Auch die Grenzüberwachung ist in der letzten Zeit verstärkt worden. Bereits im Juli 2000 war mit der Errichtung eines elektronischen Überwachungssystems entlang der 945 km langen Grenze zu Afghanistan begonnen worden. Seit in Kraft treten der verschärften iranischen Asyl-und Einwanderungspolitik häufen sich nun Berichte von Polizeirazzien und Massenverhaftungen afghanischer Flüchtlinge. Laut Berichten der iranischen Nachrichtenagentur IRNA vom 25.Februar 2001 sind in der Stadt Yazd beispielweise 100 "illegale afghanische Immigranten" verhaftet worden, die nach einem Gerichtsverfahren nach Afghanistan deportiert werden sollen. Weitere 111 Afghanen, die illegal über die iranisch-afghanische Grenze gekommen waren, sollen ebenfalls in Haft genommen worden sein. Mittlerweile zeigt sich auch die UNO besorgt über die steigende Zahl von Verhaftungen und Deportationen afghanischer Staatsbürger im Iran.

Pakistan: Grenzblockaden und Deportationen
Auch in Pakistan hat sich die Lage der rund 2,1 Millionen afghanischen Flüchtlinge in der letzten Zeit deutlich verschlechtert. [Von den rund 2,1 Mill. afghanischer Flüchtlinge leben ca. 1,2 Mill in Lagern, die Mehrzahl davon in Grenzprovinzen zu Afghanistan. Der Rest verteilt sich auf verschiedene Städte im Land.] Besonders betroffen davon sind die seit September 2000 in großer Zahl nach Pakistan strömenden Flüchtlinge. Insgesamt sollen in den letzten Monaten rund 170.000 neue Flüchtlinge, die meisten davon aus den Kriegsgebieten NO-Afghanistans nach Pakistan gekommen sein.
Wie der Iran, so verfolgt auch Pakistan eine zunehmend restriktive Asyl- und Flüchtlingspolitik. Insgesamt konzentriert sich diese, wie die iranische, auf die Verhinderung des Zuzugs neuer Flüchtlinge und auf die Verringerung der schon im Land lebenden afghanische Flüchtlinge. Letzerem Ziel dient einerseits die forcierte Repatriierung afghanischer Flüchtlinge und andererseits die Identifikation und Deportation afghanischer Asylwerber und Flüchtlinge. Auch die pakistanische Regierung betrachtet die afghanischen Flüchtlinge heute in erster Linie als "illegale Immigranten" und Wirtschaftsflüchtlinge.
Im November 2000 schloss die pakistanische Regierung mit dem Hinweis, sich keine weiteren afghanischen Flüchtlinge mehr leisten zu können, die Grenzen des Landes. Dennoch gelang es täglich hunderten afghanischen Flüchtlingen nach Pakistan zu kommen. Insbesondere seit Jänner 2001 ist der Influx afghanischer Flüchtlinge stark angestiegen. Allein zwischen Mitte und Ende Jänner 2001 sollen rund 70.000 Flüchtlinge ins Land gekommen sein. Um diesem Influx neuer Flüchtlinge Herr werden zu können, hat die pakistanische Regierung mittlerweile ihre Grenzblockaden verschärft.
Seit Ende Jänner 2001 dürfen Pressemitteilungen zufolge nur mehr solche Afghanen nach Pakistan einreisen, die gültige Reisepapiere besitzen und eine Aufenthaltsberechtigung für Pakistan vorweisen können (den meisten afghanischen Flüchtlingen fehlen diese Papiere). Um den Grenzübertritt neuer afghanischer Flüchtlinge zu verhindern, scheinen die pakistanischen Behörden auch mit den Taleban zusammenzuarbeiten.
Laut Berichten von Associated Press vom 25.Jänner 2001, die einige Tage später vom Taleban Botschafter in Pakistan bestätigt wurden, sollen die Taleban entsprechend einer Vereinbarung mit den pakistanischen Behörden erstmals versucht haben, Flüchtlinge an der Reise nach Pakistan zu hindern, indem sie bereits in Kabul in Richtung Pakistan fahrende Reisebusse kontrollierten. Jene, die keine gültigen Papiere hatten, durften die Reise nicht antreten. Auch an der pakistanischen-afghanischen Grenze sollen die Taleban, u.a. unter Zuhilfenahme von Schlagstöcken, versuchen, die Flüchtlinge am Passieren der Grenze zu hindern. Jene, die dennoch durchkommen, werden von den pakistanischen Behörden gewaltsam auf die afghanische Seite der Grenze zurückgedrängt.
Schon früher sollen einzelne Flüchtlingsgruppen von den Taleban an der Flucht nach Pakistan gehindert worden sein. So berichtet z.B. die pakistanische Zeitung Dawn am 20.November 2000, dass eine Reihe afghanischer Uzbeken, die aus dem Kriegsgebiet in NO-Afghanistan geflohen waren, von den Sicherheitskräften der Taleban in Torkham gestoppt wurden und nach Jalalabad (in SO-Afghanistan) zurückgeschickt wurden.
Im Gegensatz zu den Flüchtlingen früherer Perioden, die in relativ gut ausgestatteten Siedlungen und in den städtischen Zentren Pakistans leben, stehen den neu Ankommenden lediglich Behelfsunterkünfte (meist aus Plastikplanen gezimmerte Unterstände), in einem mittlerweile völlig ausgelasteten Lager zur Verfügung. In diesem Camp gibt es weder sanitäre Anlagen noch sauberes Trinkwasser oder medizinische Versorgung. Die unzureichenden Bedingungen in diesem Lager, welches von der UNO inzwischen als "Todeslager" bezeichnet wird, haben Mitte Jänner 2001 infolge eines Kälteeinbruchs zum Erfrierungstod zahlreicher Kinder, Frauen und alter Menschen geführt.
Während es der UNO Anfang des Jahres noch gelungen war, einen Großteil der damals in diesem Camp lebenden Neuankömmlinge in ein anderes Lager umzusiedeln, verweigert die pakistanische Regierung der UNO nun die Einrichtung neuer Camps.
Auch der Versuch der UNO, die neuen Flüchtlinge als solche zu registrieren und Erhebungen unter den Flüchtlingen über die Gründe für ihre Flucht durchzuführen, sind von den pakistanischen Behörden abgelehnt worden. Aus der Sicht Pakistans, aber auch der Taleban, handelt es sich bei den neuen Flüchtlingen um illegale Einwanderer und Wirtschaftsflüchtlinge, die wegen der Dürre in Afghanistan und den Auswirkungen der UN-Sanktionen , nach Pakistan gekommen sind. [Die Sanktionen des UN Sicherheitsrates traten erst im Jänner 2001 in Kraft und beziehen sich auch nicht auf das humanitäre Engagement der internationalen Organisationen, die nach wie vor ungehindert in Afghanistan agieren können.] Presseberichten und NGO-Dokumentationen zufolge ist der Großteil der neuen Flüchtlinge jedoch vor dem Krieg geflohen. Die überwiegende Mehrzahl von ihnen stammt aus den vom rezenten Krieg besonders betroffenen Gebieten NO-Afghanistan und setzt sich zu 2/3 aus Uzbeken und Tadschiken zusammen. 25 Prozent sind Paschtunen.
Darüber hinaus haben die pakistanischen Behörden mit der Deportation afghanischer Flüchtlinge - aus der Sicht Pakistans "illegaler Immigranten", begonnen. Seit Ende Jänner 2001 sollen laut offiziellen pakistanischen Angaben und Pressemitteilungen bereits mehrere tausend Afghanen deportiert worden sein. Bisher unveröffentlichten Informationen zufolge soll ein Teil der Deportierten direkt den Taleban übergeben und von diesen an die Kriegsfront in NO-Afghanistan verbracht worden sein, um auf der Seite der Taleban zu kämpfen. Auch die UNO hat inzwischen mehrfach ihre Sorge über die Deportation afghanischer Flüchtlinge aus Pakistan zum Ausdruck gebracht. Kürzlich sollen die pakistanischen Behörden sogar 100.000 alteingesessene Flüchtlinge zur Rückkehr nach Afghanistan aufgefordert haben. [Das Grundstück ihrer Siedlung, die in den 80iger Jahren entstanden ist, wird Pressemitteilungen zufolge für die Errichtung eines neuen Wohnviertels für pakistanische Staatsbürger benötigt.]
Insgesamt hat sich in der pakistanischen Öffentlichkeit eine in Ansätzen bereits seit Anfang der 90iger Jahre bestehende negative Haltung gegenüber den afghanischen Flüchtlingen weiter verfestigt. Sie werden für die wirtschaftlichen Probleme des Landes, die hohe Arbeitslosigkeit und Kriminalität und den ausufernden Drogenhandel verantwortlich gemacht.[In der pakistanischen Presse wird dies meist unter dem Begriff Kalashnikov-Kultur der Afghanen abgehandelt, worunter die Gewaltbereitschaft der afghanischen Gesellschaft subsummiert ist. In den 80iger Jahren waren Kalashnikovs die bei den Mujaheddin beliebteste Waffe.] Zahlreiche afghanische Flüchtlinge - alteingesessene und neuankommende - klagen mittlerweile über Schikanen und Belästigungen und fühlen sich in Pakistan nicht mehr sicher. Immer wieder kommt es zu Übergriffen sowohl von den Pakistanis selbst wie auch von Seiten verschiedener afghanischer politischer Gruppierungen. In neuerer Zeit sollen vor allem die Taleban wieder begonnen haben, die Flüchtlingslager zu infiltrieren, um Sympathisanten der Oppositionsbewegung ausfindig zu machen.

Uzbekistan und Tadschikistan: Geschlossene Grenzen
Während Iran und Pakistan ihre Grenzen zumindest bis zu den jüngsten Grenzblockaden für afghanische Flüchtlinge offen ließen und nach wie vor mehrere Millionen afghanischer Flüchtlinge beherbergen, zeigen die nördlichen Nachbarn Uzbekistan und Tadschikistan wenig Bereitschaft Flüchtlinge aufzunehmen. Unter dem Verweis auf ihre eigene schwierige ökonomische Lage und die Sorge, dass mit den Flüchtlingen auch islamistische Rebellen ins Land kommen könnten, versuchen beide Staaten den Aufenthalt von Flüchtlingen aus Afghanistan auf ihrem Territorium zu verhindern.
Uzbekistan, das nicht einmal Uzbeken aus Afghanistan aufnimmt, gesteht zumindest jenen Asylwerbern, die seitens des UNHCR-Büros in Taschkent als Flüchtlinge anerkannt werden (gegenwärtig etwa 2000 Personen) ein Aufenthaltsrecht zu, was diese vor einer Deportation nach Afghanistan bewahrt. Finanzielle Unterstützung gibt es für diese anerkannten Flüchtlinge jedoch weder seitens des UNHCR noch der uzbekischen Behörden.
Viele, auch die anerkannten Flüchtlinge, befinden sich in einer schwierigen finanziellen Lage. In Uzbekistan dürfen sie nicht legal arbeiten, ihre Kinder dürfen keine öffentlichen Schulen besuchen und ihre Wohnungen etc. müssen sie, wie alle anderen Ausländer in Uzbekistan, in Dollar bezahlen, über die nur die wenigsten verfügen. Da Uzbekistan diese Flüchtlinge nicht aufnehmen will, eine Rückkehr nach Afghanistan für die meisten nicht in Frage kommt, ist UNHCR auf der Suche nach aufnahmebereiten Dritt-Ländern. Diese ist in Anbetracht der geringen Zahl aufnahmewilliger Länder (im Moment nur USA, Kanada, Australien und einige skandinavische Länder) jedoch sehr mühsam. Bis zur Wiederansiedelung können bis zu 3 Jahre vergehen. In der Zwischenzeit sind die Flüchtlinge auf sich selbst gestellt.
Tadschikistan hat bislang jede Aufnahme von Flüchtlingen abgelehnt. Selbst die Bitte der UNO, jene 10.000 bis 13.000 Flüchtlinge, die seit einigen Monaten auf den versumpften Inseln und Halbinseln im Amu Darya Fluss unter erbärmlichen Bedingungen leben [- im Frühjahr droht mit dem Anstieg des Flußwassers in Folge der Schneeschmelze eine Überschwemmung des derzeitigen Zufluchtsortes - ] vorübergehend an die tadschikische Grenze bringen zu dürfen, um sie dort besser betreuen zu können, ist bislang von den tadschikischen Behörden abgelehnt worden. [Anzumerken wäre hier, dass zehntausende tadschikische Flüchtlinge, die vor dem Bürgerkrieg in ihrer Heimat geflohen waren, in den 90iger Jahren in Nordost-Afghanistan als Flücthlinge gelebt hatten.]

Die Flüchtlingspolitik der UNO
Auch die Flüchtlingspolitik der UNO erweist sich für viele afghanische Flüchtlinge als problematisch. Die UNO, allen voran das UNHCR, befinden sich hier in einem Dilema. Einerseits ist die UNO bei zunehmender Ressourcenverknappung mit einer stetig wachsenden Zahl von Flüchtlingen konfrontiert, anderseits gibt es immer weniger Länder, die eine offene Haltung zu Flüchtlingen einnehmen und diese beherbergen wollen. Vielfach wird gefordert, dass die UNO die Flüchtlinge möglichst rasch repatriiert.
Um rückkehrwillige afghanische Flüchtlinge jedoch mit den für einen Neubeginn notwendigen Ressourcen auszustatten, über welche die wenigsten Flüchtlinge selbst verfügen, fehlen der UNO aber die Mittel. Erschwerend kommt die Unsicherheit in Afghanistan selbst und der Terror des Taleban-Regimes hinzu, sodass viele Afghanen, trotz der sich verschärfenden Lage in Pakistan vor einer Rückkehr in die Heimat zurückschrecken. Dies wiederum bringt die UNO in Konflikt mit den Aufnahmeländern, die auf eine rasche Rückführung der Flüchtlinge drängen, und - in neuerer Zeit - sich auch zunehmend weigern, neue Flüchtlinge ins Land zu lassen, was wiederum, wie die derzeitige Situation der jüngsten Flüchtlingswellen in Pakistan illustriert- zu gravierenden Probleme bei der Betreuung der Flüchtlinge führt.
Insbesondere Pakistan und das Taleban-Regime haben in der jüngsten Zeit die Flüchtlingspolitik der UNO heftig kritisiert. Einerseits werfen sie der UNO eine zu schleppende Abwicklung der Repatriierungsprogramme und eine nur mehr mangelhafte Unterstützung der noch in Pakistan lebenden afghanischen Flüchtlinge vor.[Seit mehreren Jahren beschränken sich die Maßnahmen der UNO auf die Bezahlung von Lehrern für die Schulen der Flüchtlinge und verschiedene Impfprogramme. Auch viele NGOs haben, meist bedingt durch versiegende Spendengelder, ihre Tätigkeit in Pakistan stark eingeschränkt oder überhaupt aufgegeben.] Andererseits behaupten beide, dass die UNO Politik, allen voran die UN-Sanktionen, das Flüchtlingsproblem erst geschaffen hätte.

Während in Afghanistan gegenwärtig rund 500.000 IDPs in meist nur schlecht ausgestatteten Camps auf Hilfe warten, weitere Hunderttausende von jeglicher Hilfe abgeschnitten sind und im Laufe der nächsten Monate zu verhungern drohen, scheint sich die Welt noch immer lediglich um das Schicksal der beiden Buddha-Statuen zu kümmern. Afghanistan und seine Menschen scheinen vergessen. Kein Aufschrei wegen der Dürre, wegen des fortgesetzten Krieges, wegen der Massaker an ethnischen und religiösen Minderheiten, der Diskriminierung der afghanischen Frauen. Dafür Appelle und Pressemeldungen über einige - zugegebenermaßen bedeutende Kulturschätze. Haben die Taleban mit ihrer Antwort auf die Entrüstung, die ihr Vorhaben international ausgelöst hat, nicht vielleicht recht, wenn sie lakonisch feststellen: "Der Welt scheinen ein paar alte Steine wichtiger als die Menschen Afghanistans"?

Quellen:
Literaturrecherche in den wichtigsten internationalen und regionalen Zeitschriften und Nachrichtenagenturen (wie z.B. BBC, Agence France Press, Associated Press, Irna, Itas-Tass, Dawn, The News Jang) sowie in diversen UNO und NGO Webseiten, allen voran in der Webside des Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (OCHA).

http://www.reliefweb.int/ocha_ol/index.html
http://www.unhcr.ch/statist/00trends/text.pdf
http://www.afghan-network.net/News/
http://www.afghan-web.com/aop/
http://www.db.idpprojet.org

[Gabriele Rasuly-Paleczek - asylkoordination aktuell 1/2001]