Asylverfahren

asylkoordination erwartet von SPÖ Korrektur des Fremdenrechtspakets [18.10.2006]
Dem Fremdenrechtspaket 2005 hat die SPÖ trotz zahlreicher kritischer Stimmen auch aus den eigenen Reihen zugestimmt. In der Praxis hat – wie ein in Arbeit befindlicher Wahrnehmungsbericht der NGOs zeigt – sich erwiesen, dass die neuen Gesetze zu zahlreichen Härten führen, die es zweifelhaft machen, ob diese Bestimmungen mit der österreichischen Verfassung und internationalen Konventionen in Einklang zu bringen sind. Die Bildung einer neuen Regierung soll zum Anlass genommen werden, die Gesetze entsprechend zu korrigieren.
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HANDLUNGSBEDARF BEIM FLÜCHTLINGSSCHUTZ

Dem Fremdenrechtspaket 2005 hat die SPÖ trotz zahlreicher kritischer Stimmen auch aus den eigenen Reihen zugestimmt. Die Voraussetzung für ihre Zustimmungen, nämlich einen humanen und fairen Umgang mit Asylwerbern und Flüchtlingen schien en den Abgeordneten damals gewährleistet.
Die 4 Eckpfeiler sind demnach:
  • Ein modernes Asylgesetz muss allen Punkten der Genf Flüchtlingskonvention und den Menschenrechten entsprechen
  • mit der österreichischen Bundesverfassung im Einklang stehen.
  • rasche und effiziente Verfahren gewährleisten
  • Asylmissbrauch hintanstellen

  • In der Praxis hat - wie ein in Arbeit befindlicher Wahrnehmungsbericht der NGOs zeigt - sich erwiesen, dass die neuen Gesetze zu zahlreichen Härten führen, die es zweifelhaft machen, ob diese Bestimmungen mit der österreichischen Verfassung und internationalen Konventionen in Einklang zu bringen sind.
    Die Bildung einer neuen Regierung soll zum Anlass genommen werden, die Gesetze entsprechend zu korrigieren. Die asylkoordination österreich appelliert, insbesondere die folgenden Regelungen zu ändern:



    ASYLGESETZ

    Zulassungsverfahren

    Das Zulassungsverfahren ist extrem kompliziert und für die Betroffenen nicht durchschaubar und einschüchternd, der Rechtsschutz wird eingeschränkt.

    Das Zulassungsverfahren, welches eigentlich nur der Klärung der Zuständigkeit für die Prüfung eines Asylantrages (Dublin-VO) dienen sollte,   ermöglicht nach dem Asylgesetz 2005 auch die inhaltliche Entscheidung des Asylverfahrens. Zudem ist es verbunden mit einer Einschränkung der Bewegungsfreiheit (Gebietsbeschränkung, Schubhaft).
    Die Zulassungsprüfung ist jedoch keine Sicherheitsfrage, die eine Befragung durch uniformierte Sicherheitskräfte erfordern würde. Asylsuchende werden dadurch vielmehr eingeschüchtert und in ihrer Mitwirkung gehemmt.

    In vielen Fällen sind die Ermittlungen der EAST zur Zuständigkeit eines anderen EU-Staates so mangelhaft, dass vom UBAS der Berufung stattgegeben wird und das Verfahren in die 1.Instanz zurückverwiesen wird. Obwohl das Verfahren damit als zugelassen gilt, wird vom Bundesasylamt - oft ohne die fehlenden Ermittlungen nachzuholen - neuerlich der Antrag wegen Unzuständigkeit zurückgewiesen. Das Bundesasylamt stützt diese Vorgangsweise auf § 28 Abs.1, wonach eine Zulassung einer späteren Zurückweisung nicht entgegensteht. Die exzessive Missinterpretation der vom Gesetzgeber eingeräumten Möglichkeit, bei Auftreten neuer Tatsachen den Antrag zurückzuverweisen, führt zu einem Kräftemessen zwischen Bundesasylamt-EAST und dem UBAS und verlängert die Ungewissheit des Asylwerbers über die Zulassung des Verfahrens.
  • Die Befragung von AsylwerberInnen soll nicht von öffentlichen Sicherheitsorganen, sondern von zivilen Mitarbeitern des Bundesasylamts durchgeführt werden.
  • Es bedarf einer gesetzlichen Klarstellung, dass zugelassene Verfahren als inhaltliche Verfahren zu führen sind.


  • Viele Anträge werden in der EAST bereits inhaltlich geprüft und abgewiesen.

    Dies scheint problematisch, weil aufgrund der 20tätigen Entscheidungsfrist allenfalls erforderliche Ermittlungen unterbleiben. Die AsylwerberInnen können wegen der generellen Gebietsbeschränkung während Zulassungsverfahrens oder der verhängten Schubhaft Unterstützung durch unabhängige Rechtsberatung und rechtliche Vertretung schwer erlangen.
    Bei der Frage der aufschiebenden Wirkung einer Berufung gegen die mit der Ablehnung verbundene Ausweisung kommt es zu unterschiedlichen Vorgangsweisen. Es ist nicht nachvollziehbar, in welchen Fällen die aufschiebende Wirkung vom Bundesasylamt aberkannt wird.
    Da bei Anträgen von Schutzsuchenden aus dem Kosovo aufschiebende Wirkung häufig aberkannt wird, bei anderen Herkunftsländern diese Praxis nicht auftritt, liegt der Verdacht nahe, dass hier eine diskriminierende Behandlung einer spezifischen Gruppe eingeschlagen wurde.

    Die inhaltliche Abweisung eines Antrags bereits im Zulassungsverfahren scheint auch als Sanktion gegenüber jenen AsylwerberInnen angewandt zu werden, deren Angaben zum Reiseweg so vage sind, dass andere EU Staaten die Übernahme der Zuständigkeit verweigern.

  • Im Zulassungsverfahren soll ausschließlich die Zuständigkeit Österreichs für die Prüfung des Asylantrags geklärt werden, die Prüfung der Fluchtgründe soll durch die Außenstellen des Bundesasylamtes erfolgen - zur Wahrung des Grundsatzes eines fairen Verfahrens für jeden, der/die in Österreich um Schutz ersucht.
  • Im Sinne eines effizienten Rechtsschutzes und sparsamer Verwaltung müssen Berufungen aufschiebende Wirkung haben.


  • Im Zulassungsverfahren ist keine frei gewählte Rechtsberatung möglich.
    Bevollmächtigte Vertreter werden aus dem Verfahren gedrängt.

    Da aufgrund der eingeschränkten Bewegungsfreiheit von AsylwerberInnen der Zugang zu unabhängiger Rechtsberatung und Information eingeschränkt ist, wird ihnen ein vom BMI bestellter Rechtsberater zugeteilt.
    Unter den verschärften Bestimmungen der Schubhaft wird deutlich, dass ihre Tätigkeit reibungslos ins System der Zurückschiebung passen soll: es gibt keine Kontinuität der Berater, Beratungsgespräche finden unmittelbar vor der Einvernahme statt, so dass für ausführliche Beratung und allenfalls notwendige Recherche keine Zeit bleibt. Anträge der Rechtsberater während der Einvernahme werden reglementiert und oft überhaupt ignoriert. Für allfällige Rechtsmittel haben sie kein Mandat.
    Bei unbegleiteten minderjährigen AsylwerberInnen sind sie hingegen per Gesetz Vertreter im Asylverfahren, haben aber kein Mandat für ein allenfalls parallel laufendes fremdenrechtliches Verfahren. Eine Anwesenheit während der polizeilichen Befragung vor der Überstellung in die EAST ist gesetzlich nicht vorgesehen. Die rechtliche Vertretung geht nach Zulassung und Zuweisung in eine Betreuungsstelle an den Jugendwohlfahrtsträger über.
    Die Etablierung der Rechtsberatung verdrängt bevollmächtigte Vertreter aus dem Verfahren. Diese erfahren von Ladungen nur dann, wenn der Asylwerber dem ausdrücklich zustimmt. Diese Verdrängung ist mit den österreichischen Verfahrensgrundsätzen nicht vereinbar.

  • Unabhängige Rechtsberatung durch NGOs und rechtliche Vertretung muss in jedem Stadium des Verfahrens gewährleistet sein.
  • Bei allen unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen soll die gesetzliche Vertretung durch den Jugendwohlfahrtsträger ab Asylantragstellung sowohl in asyl- als auch fremdenpolizeilichen Verfahren erfolgen.


  • ASYLG/FPG

    Schubhaft

    während der Zulassungsprüfung
    Exzessive Schubhaftverhängung über AsylwerberInnen.

    Die von den NGOs befürchtete exzessive Verhängung von Schubhaft unmittelbar nach der Ankunft in Österreich ist Realität geworden. Systematisch werden, wenn von den Sicherheitsorganen angenommen wird, dass der Antrag wegen Unzuständigkeit zurückzuweisen sein wird, die Asylsuchenden in Schubhaft genommen.
    Allein im Zeitraum Jänner bis August wurden 1903 AsylwerberInnen inhaftiert, bei jedem zweiten aufgrund der verfassungsrechtlich bedenklichen   Ziffer 4 des § 76 Abs.2.   Dabei unterbleibt regelmäßig die Abwägung der Interessen, weil den Asylsuchenden generell unterstellt wird, sie würden untertauchen, um fremdenpolizeilichen Maßnahmen wie etwa die Zurückschiebung in einen Dublin-Staat zu verhindern.
    Obwohl die Betroffenen mit ihrem Schutzersuchen sich an die zuständigen Behörden wenden und das ihre dazu beitragen, um einen geordneten Aufenthalt in Österreich zu erreichen, werden sie monatelang in Schubhaft gehalten. Die
    fremdenpolizeichlichen Behörden als auch die UVS der Länder legitimieren diesen höchst problematischen Freiheitsentzug mit ?Sicherungsbedarf" und der ?Gewährleistung eines geordneten und kontrollierten Fremdenwesens/Zuwanderung".

    Nach Zulassung
    Schubhaft trotz Aufenthaltsrecht

    Schubhaft wird auch dann fortgesetzt, wenn das während des Zulassungsverfahrens eingeleitete Ausweisungsverfahren eingestellt und das Verfahren zugelassen ist. Es ist wohl kaum jemanden verständlich zu machen, warum die Schubhaft fortgesetzt wird, obwohl ein Aufenthaltsrecht erteilt wurde.

    Schubhaft trennt Familien und retraumatisiert Folteropfer

    Das Gelindere Mittel wird zwar angewendet, humanitäre Erwägungen spielen dabei aber keine Rolle, eher trifft genau das Gegenteil zu, wenn das Gelindere Mittel für AsylwerberInnen mit kleinen Kindern angewendet wird, volljährige Familienangehörige aber inhaftiert werden und durch die räumliche Trennung Besuche oft unmöglich sind. Diese Praxis ist nicht neu, Besorgnis erregend ist das Ausmaß sowie die Tatsache, das auch besonders verletzliche Gruppen Opfer dieses Systems werden. Traumatisierte Flüchtlinge werden ebenso inhaftiert und von ihrer Familie getrennt wie Minderjährige. Damit wird bewusst das Risiko einer Retraumatisierung in Kauf genommen.

    Minderjährige vor Schubhaft nicht geschützt


    Seit Jahresbeginn wurden mehr UMF inhaftiert. Ursache sind Altersfeststellungen durch die Fremdenpolizei oder die Asylbehörde, bei denen Minderjährige für volljährig erklärt werden, meist ohne Beiziehung eines Gutachters. Der Jugendwohlfahrtsträger wird von über 16jährigen und bei angenommener Volljährigkeit nicht über die Inhaftierung verständigt.

    Schubhäftlingen werden Grundrechte vorenthalten

    Der Rechtsschutz ist völlig unzureichend. Eine obligatorische Haftprüfung erst nach 6 Monaten Freiheitsentzug stellt Schubhäftlinge schlechter als Personen, die einer Straftat verdächtigt werden. Auch die Haftstandards sind deutlich niedriger als in der Strafhaft. Die Praxis der Fremdenpolizei und die Entscheidungen von Unabhängigen Verwaltungssenaten zeigen eine Verwahrlosung im Umgang mit Grundrechten, der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und die verfassungsrechtlich gebotene Interessensabwägung findet in den Verfahren oft keinerlei Berücksichtigung.
    Eine Überprüfung der Haft durch den UVS kann ein Flüchtling nur dann beantragen, wenn es gelingt, mit einer NGO oder einem Anwalt Kontakt herzustellen. Bei über 50 Prozent der Schubhaftplätze besteht von Seiten der vom BMI mit der Sozialbetreuung beauftragen Organisation keine Kooperation mit NGOs, rechtliche Unterstützung wird daher nicht vermittelt. Ohne diese kann keine Haftprüfung beantragt werden, weil diese in Deutsch verfasst sein muss.

    Die systematische Schubhaftverhängung bei AsylwerberInnen verstößt auch gegen die EU Aufnahme-Richtlinie. Die darin definierten Mindeststandards werden AsylwerberInnen in Schubhaft vorenthalten, z.B. Zugang von NGOs die rechtlichen Beistand geben, die Wahrung der Familieneinheit, etc
  • Schubhaft darf generell nicht auf Asylsuchenden angewandt werden. Schubhaft kann nur die allerletzte Möglichkeit sein, um eine Ausreiseverpflichtung durchzusetzen. Minderjährige und andere besonders verletzliche Personen dürfen generell nicht in Schubhaft genommen werden.


  • Neuerungsverbot

    Das Neuerungsverbot steht im Widerspruch zu den Grundsätzen eines fairen und rechtsstaatlichen Verfahrens .

    Ein zweitinstanzliches Verfahren, in dem alle Aspekte der Fluchtgeschichte geprüft werden, ist nach dem Asylgesetz 2005 nur dann gewährleistet, wenn in der Berufung Verfahrensmängel der erster Instanz aufgezeigt werden können.
    Wegen der nicht sichergestellten rechtlichen Beratung und Unterstützung im erstinstanzlichen Verfahren sowie fehlendem freien Rechtsbeistand für das Berufungsverfahren werden die Chancen und Rechte von Schutzsuchenden bedenklich eingeschränkt.
    Dies wiegt umso schwerer, als auch der Zugang zu den Höchstgerichten eingeschränkt ist (Ablehnungsrecht). Da die im Asylverfahren zu prüfenden Fragen verfassungs- und völkerrechtlich geschützte Bereiche berühren, ist ein zweiinstanzliches Verfahren mit voller Ermittlungs- und Prüfungskompetenz erforderlich.
    Allein der Tätigkeitsbericht des UBAS für 2004 und 2005 unterstreicht die immense Bedeutung des Berufungsverfahrens: in den 6417 Berufungsverfahren zur Gewährung des Asylstatus wurde in 3841 Fällen der Berufung stattgegeben, das entspricht einer Behebungsquote von 60 Prozent!
    Die hohe Stattgebungsquote bei Berufungen macht ein grundlegendes Problem offensichtlich: Entscheidungen erster Instanz sind durch fehlende Ermittlungen gekennzeichnet, der UBAS ist faktisch die alleinige Tatsacheninstanz. Gleichzeitig erfolgen in regelmäßig kurzen Zeitabständen Gesetzesänderungen, zu deren Auslegung höchstgerichtliche Erkenntnisse erforderlich werden.
    Die Einrichtung eines Asylgerichtshofs würde die Erhebung, Überprüfung und Bewertung der Fluchtgründe wegen des systematischen Versagens der ersten Instanz quasi auf eine Instanz beschränken, deren Entscheidung kaum mehr anfechtbar wäre. Dies ist sowohl wegen der oft diametral gegenläufigen Entscheidungspraxis mancher UBAS-Mitglieder bedenklich, aber auch, weil in Asylrechtsfragen kompetente NGOs vermutlich durch gerichtlich bestellte Verfahrenshelfer verdrängt würden, die in der Regel nicht über das erforderliche Spezialwissen verfügen.

  • Wiederherstellung des zweiinstanzlichen Asylverfahrens mit voller Prüfungskompetenz
  • Beibehaltung der Überprüfung des Verwaltungsverfahrens durch VwGH und VfGH


  • ASYLGESETZ und EU-Recht

    Dublin-VO - Verantwortung der Mitgliedsstaaten

    Die Dublin-Verordnung schiebt die Verantwortung für Flüchtlinge an die Staaten mit EU-Außengrenzen ab und führt zu unzumutbaren Härten für die Betroffenen.

    Derzeit wird die Dublin-Verordnung von der Europäischen Kommission evaluiert. Kritische Berichte wurden von UNHCR, dem Europäischen Flüchtlingsrat ECRE, amnesty international und Seperated Children in Europe Programm erstellt. Durch die Dublin-VO kommt es weniger zu einem burden-sharing innerhalb der EU als zu einem burden-shifting. Durch das Fehlen einheitlicher Verfahrensstandards besteht die Gefahr des refoulements. Es erscheint auch in Hinblick auf die Genfer Konvention bedenklich, daß aufgrund stark divergierender Anerkennungspraxen der Mitgliedsstaaten Flüchtlinge in einen Staat verwiesen werden, in dem sie aller Wahrscheinlichkeit nach nicht den Flüchtlingsstatus und die damit verbundenen Rechten zugesprochen erhalten, sondern einen subsidiären oder humanitären Status zweiter Klasse oder auch keinen Schutz erhalten. Deutlicher Handlungsbedarf wird auch bei der Familienzusammenführung festgestellt, hier bedarf es der Anpassung des Familienbegriffs an Art.8 EMRK und der Berücksichtigung verschiedener Formen des Aufenthaltsrechts von Angehörigen.

    Die Priorität der effektiven Umsetzung der Dublin-VO hat in die Rechtssprechung auch des UBAS Eingang gefunden. Obwohl auch im Dublin-Verfahren amtswegig zu ermitteln ist, beschränkt sich die EAST auf äußerst allgemein gehaltene Feststellungen, der Großteil des Bescheides ist die Wiedergabe der Zuständigkeitskriterien der EU-Verordnung, ohne daß alle im jeweiligen Asylverfahren anwendbar wären. Der Einsatz von Textbausteinen hat schon so um sich gegriffen, daß diese mit der konkreten Situation des Asylwerbers oft überhaupt nichts zu tun haben   Es ist auch kein Fall bekannt geworden, bei dem die EAST der Berufung aufschiebende Wirkung zuerkannte.

    AsylwerberInnen sind im zwischenstaatlichen Dublin-Verfahren nicht mehr als eine Ware, die irgendwohin wieder zurückgeschickt wird. Parteienstellung kommt ihnen - abgesehen von der Zustimmung zur Familienzusammenführung - nicht zu, Akteneinsicht wird vorenthalten.

    Für MitarbeiterInnen von NGOs ist nicht nur die Übernahme einer Vertretung und das Einlegen eines Rechtsmittels aufgrund der Schubhaft oder der Unterbringung von sog. Dublin-Fällen in den Bundesbetreuungsstellen Reichenau und Bad Kreuzen schwierig (erhöhter Zeitaufwand, Dolmetscher), zusätzlich bedarf es oft Interventionen, um eine Abschiebung vor der Entscheidung des UBAS zu unterbinden.

    Die allgemeine Kritik am Dublin-System zeigt sich an vielen Beispielen in Österreich: Flüchtlingsfamilien müssen über mehrere EU Staaten verstreut leben, gerade erst volljährig gewordene Kinder oder Geschwister müssen um Aufnahme in einem anderen Land ersuchen, ohne daß die Flüchtlingsfamilien derzeit eine Aussicht auf Übersiedelung nach Abschluß des Asylverfahrens haben.

    Bedenklich ist auch die Weiterverfolgung der Überstellung in den zuständigen Staat, wenn diese aus gesundheitlichen Gründen nicht durchgeführt werden kann. Anstatt der für Opfer von Folter und Gewalt geforderten speziellen Behandlung werden traumatisierten Flüchtlingen Medikamente verabreicht, die sie soweit ruhigstellen sollen, daß eine Überstellung unbedenklich erscheint.

    Die Zuständigkeitsregelungen der Dublin-Verordnung müssen soweit angepaßt werden, daß dem Schutz von unbegleiteten Minderjährigen und anderen besonders verletzlichen Gruppen (Gebrechlichen, AlleinerzieherInnen, Traumatisierte und Folteropfer) sowie der Wahrung der Familieneinheit im Sinne der EMRK höhere Bedeutung zukommt.

    Solange die EU Staaten kein System einheitlicher Standards zur Wahrung der Rechte des Flüchtlings aus der Genfer Flüchtlingskonvention haben, sollte das Dublin-System ausgesetzt werden.

    Mehr Transparenz im zwischenstaatlichen Verfahren zur Zuständigkeitsklärung und Berücksichtigung besonderer Gründe bei der Zuständigkeit


    GRUNDVERSORGUNG

    Keine bundeseinheitliche Grundversorgung und fehlender Rechtsanspruch.

    Das System der Grundversorgung hat zwar unzweifelhaft deutliche Verbesserungen bei der Versorgung und Betreuung von Asylsuchenden und Menschen die aus rechtlichen und faktischen Gründen nicht abgeschoben werden können mit sich gebracht, seit der Einführung im Mai 2004 sind jedoch zahlreiche Mängel und Schwierigkeiten zu Tage getreten. Das föderale System erfordert einen hohen administrativen Aufwand, die Verteilung in die Länder erfolgt nicht reibungslos und wenn sich kein Platz findet, bleiben die AsylwerberInnen auf der Strecke - sie werden aus der Betreuung des Bundes nach 14 Tagen abgemeldet und keiner Länderbetreuung zugewiesen. Auch Zusammenführung von Familien, für Angehörige von Kranken oder für Asylsuchende, die einen Ausbildungsplatz erhalten haben, fehlt es an der dafür nötigen Flexibilität. Die von den Ländern erlassenen Gesetze zur Grundversorgung divergieren, sodaß von einem einheitliches System nicht einmal auf der rechtlichen Ebene gesprochen werden kann, dazu kommen noch unterschiedliche Praxen. Die in der Grundversorgungsvereinbarung festgelegten Leistungsbeträge machen das System auch unflexibel was die unterschiedlichen Kosten je nach Standort und Standards betrifft. So können etwa in Wien Betreuungseinrichtung nicht kostendeckend mit einem maximalen Tagsatz von 17€ geführt werden.
    Weiters ist die diskriminierende Bemessung des für den Lebensunterhalt und die Wohnungskosten erforderliche Unterstützung von grundversorgten Personen im Vergleich zu hilfsbedürftige ÖsterreicherInnen bedenklich. Während bei der Sozialhilfe die Unterstützung zum Lebensunterhalt zwischen 380 und 500 € beträgt, erhalten AsylwerberInnen nur 180 €, auch bei den Mietkosten (max 110 für Einzelperson, 220 für Familien) ist das Grundversorgungssystem so starr, daß das System der Heimunterbringung zementiert wird. Gerade für Familien mit Kindern wird damit die Integration blockiert

  • Die Grundversorgung aller AsylwerberInnen und effektiver Rechtsschutz ist sicherzustellen.
  • Evaluation der Grundversorgungsvereinbarung Bund-Länder
  • Anhebung der Unterstützungsleistungen auf Sozialhilfe-Richtsätze


  • NAG

    Drittstaatsangehörige österreichischer StaatsbürgerInnen

    Angehörige von ÖsterreicherInnen wurden illegalisiert, ÖsterreicherInnen sind gegenüber EU-BürgerInnen schlechtergestellt.

    Im Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz wurde die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für Drittstaatsangehörige an die Voraussetzung geknüpft, daß der Antrag vor Einreise im Herkunftsstaat gestellt wird und der Lebensunterhalt gesichert sein muß. Ehegatten von ÖstereicherInnen dürfen erst dann eine Beschäftigung aufnehmen, wenn ihnen die Niederlassungsbewilligung erteilt wurde. Zahlreiche AsylwerberInnen, die während der oft Jahre dauernden Asylverfahren geheiratet haben, stellt die neue Gesetzeslage vor eine unlösbare und bedenkliche Situation. Jene, die bereits im Jahr 2005 einen Niederlassungsantrag gestellt haben und zu diesem Zweck ihren Asylantrag zurückgezogen haben, wurden ?illegalisiert", zahlreiche Anträge wurden 2005 von den Fremdenpolizeilichen Behörden nicht mehr erledigt oder nicht mehr angenommen, nach dem neuen Gesetz erfüllen sie jedoch entweder die Voraussetzung der Antragstellung im Herkunftsland oder/und das Unterhaltskriterium nicht.
    Da eine ausreichende Information der Betroffenen unterblieben oder - noch schlimmer - in etlichen Fällen auch falsche Informationen erteilt wurden, ist Antragstellern aus 2005 nach der alten Rechtslage die Niederlassung zu erteilen.
    Die neue Rechtslage stößt aber auch auf Bedenken, weil sie eine gleichheitswidrige Behandlung von EU Bürgern vorsieht. Während Drittstaatsangehörige von EU-BürgerInnen, die in Österreich leben, eine Niederlassung erteilt wird, wird diese den Gatten von ÖsterreicherInnen   nur unter den beschriebenen Voraussetzungen erteilt. Diese Benachteiligung von ÖsterreicherInnen muß saniert werden.

  • Das Recht auf Familienleben von ÖsterreicherInnen mit einem Drittstaatsangehörigen darf nicht durch schikanöse und gleichheitswidrige Bestimmungen untergraben werden.


  • FAMILIENBEIHILFE und KINDERBETREUUNGSGELD GESTRICHEN

    Familienbeihilfe und Kinderbetreuungsgeld für subsidiär Schutzberechtigte gestrichen

    Subsidiär Schutzberechtigte haben seit 1.1.2006 keinen Anspruch mehr auf Familienbeihilfe und Kinderbetreuungsgeld, weil für den Anspruch eine Aufenthaltsberechtigung nach §§ 8 und 9 NAG gefordert wird. Eine Ausnahmeregelung in § 3 Abs.3 FLAG wie für Asylberechtigte fehlt, soda ss subsidiär Schutzberechtigte, die nach einem Jahr freien Zugang zum Arbeitsmarkt wie Asylberechtigte haben, gleichheitswidrig vom Bezug ausgeschlossen sind. Etliche Familien, die aufgrund ihres Erwerbseinkommens Grundversorgungsleistungen nicht mehr in Anspruch nehmen (können), sind dadurch existentiell bedroht und müssen unter Umständen wieder Unterstützung aus der Grundversorgung oder Sozialhilfe in Anspruch nehmen.
    Die Streichung der rückwirkenden Ansprüche für anerkannte Flüchtlinge stellt eine Verletzung der Genfer Konvention dar. Die darin definierten Rechte stehen Flüchtlingen nicht erst ab der Zuerkennung des Flüchtlingsstatus zu. Die rückwirkende Auszahlung erleichterte vielen Familien die Integration. Nun haben sie für die Anmietung, Adaption und Ausstattung einer Wohnung, die spätestens 4 Monate nach der Zuerkennung des Flüchtlingsstatus notwendig ist, kein Geld.   
  • Gleichstellung von subsidiär Schutzberechtigten mit Asylberechtigten
  • Rückwirkende Auszahlung der Familienbeihilfe für Schutzberechtigte


  • STAATSBÜRGERSCHAFTSGESETZ:
    Verschärfungen der Einbürgerungsbestimmungen


    Die Verschärfungen treffen besonders schutzbedürftige Flüchtlingen und langjährig subsidiär Schutzberechtigte, selbst wenn sie ein hohes Maß an Integration erreicht haben. Ältere Flüchtlinge, Behinderte, Kranke oder alleinstehende Flüchtlingen mit minderjährigen Kindern können einen Zeitraum von 3 Jahren, in dem sie aus eigenen Mitteln ihren Unterhalt bestritten haben, wohl nie erreichen, damit bleibt ihnen die Staatsbürgerschaft und die volle Integration in die österreichische Gesellschaft verwehrt. Der Nutzen dieser Ausgrenzungspolitik ist fraglich.
  • Erleichterung der Einbürgerung für Schutzberechtigte und Berücksichtigung der besonderen Lebensumstände




  • Anny Knapp
    asylkoordination Österreich
    knapp@asyl.at