Asylverfahren

„Massiver Rückschritt bei der Gewährung internationalen Schutzes“ - Presseaussendung der asylkoordination zum neuen Asylgesetz [23.03.2005]
Die asylkoordination österreich kritisiert die Änderungen des Asylgesetzes als massiven Rückschritt bei der Gewährung internationalen Schutzes.
back   Übersicht Asylverfahren


Der Entwurf für ein neues Asylgesetz fokussiert auf die beschleunigte Abwicklung der Verfahren. Dafür werden "Standardsituation" vorgegeben, wodurch die Gefahr besteht, daß die für die Feststellung der Schutzbedürftigkeit erforderliche Einzelfallprüfung unterbleibt. Beispielsweise wird nach einem Abgleich der Fingerabdrücke per Eurodac von einem unzulässigen Antrag ausgegangen, die Behörde kann in diesem Fall ohne weitere Ermittlungen den Antrag zurückweisen. Oder es wird die aufschiebenden Wirkung einer Berufung ausgeschlossen, wenn beispielsweise der Antrag erst nach einem dreimonatigen Aufenthalt gestellt wird. Auch den verkürzten Entscheidungsfristen, wenn ein Anträgen in Schubhaft oder Haft oder bei vorliegenden Aufenthaltsverbot, gestellt wird, liegt die Annahme zugrunde, daß keine zeitaufwendigeren Ermittlungen erforderlichen sein werden.

Der Verfahrensablauf wird durch eine Reihe von Sonderregelung unüberschaubar, erfordert ein systematisches und fehlerfreies System der Information und Kommunikation der beteiligten Sicherheitsorgane, Fremdenpolizeilichen Behörde und Asylbehörden.

Die zahlreichen "Sonder- und Nebenverfahren" erhöhen den Bedarf an Informationsaustausch der Behörden. Die geplante personelle Aufstockung beim Bundesasylamt wird also weitgehend für behördeninterne Kommunikation benötigt. Ein Teil der zusätzlichen MitarbeiterInnen wird nur mit der Zu- oder Aberkennung der aufschiebenden Wirkung beschäftigt sein und mit Verfahren mit verkürzten Entscheidungsfristen. Auch die stärkere Inanspruchenahme der Sicherheitsbehörden am Beginn des Asylverfahrens, bei der Zustellung von Bescheiden und für Festnahmen erfordert einen höheren Personaleinsatz. "Für die Qualität der Verfahren wird durch dieses Gesetz nichts gewonnen" kritisiert die asylkoordination österreich. "Viele Sonderregelungen verletzten die Rechte der Flüchtlinge und sind nicht verfassungskonform," so die Sorge von Anny Knapp. Mit den AsylwerberInnen wird "verfahren", ohne daß sie Einblick in die Abläufe und Kompetenzen gewinnen können. Informationsblätter können diesen grundlegenden Mangel an Transparenz und Verständlichkeit nicht wett machen.

In vielen Bereichen reichen Annahmen der Behörde aus, um für den Antragsteller nachteilige und großteils unverhältnismäßige nachteilige Folgen auszulösen. So reicht die Annahme am Ende der ersten Einvernahme, daß der Antrag nicht von Österreich geprüft oder aber abgelehnt werden wird für die Verhängung von Schubhaft. Die Annahme, daß AsylwerberInnen, die nicht binnen 3 Tagen ihren Meldeverpflichtungen nachkommen, sich dem Verfahren entziehen und daher festzunehmen sind. Im Stadium der Berufung gilt die Berufung als zurückgezogen, wodurch die Entscheidung erster Instanz rechtskräftig wird. Angenommen wird, daß AsylwerberInnen eine Berufung nach einer Abschiebung auch vom Ausland aus einbringen können und Adressänderungen den österreichischen Asylbehörden binnen drei Tagen bekannt geben können. Diese Bestimmungen setzen voraus, daß AsylwerberInnen in der Lage sind, einen rechtlichen Beistand zu beauftragen oder die volle Härte der Verletzung von Mitwirkungspflichten entsprechend einschätzen zu können. Nach den Erfahrungen der NGOs entsprechen diese Annahmen nicht der Realität und Lebenserfahrung von AsylwerberInnen.

Für die asylkoordination gehen auch die Schubhaftbestimmungen viel zu weit. "Wir befürchten, daß es zu systematischen Menschenrechtsverletzungen kommen wird". Denn bei jedem Eingriff in die Persönliche Freiheit muß eine Interessensabwägung durchgeführt werden. Dazu ist eine ausführliche Befragung unter Einbeziehung ausreichend qualifizierter DolmetscherInnen erforderlich. Durch die Vorgabe von Standardsituationen für die Schubhaftverhängung besteht die Gefahr, daß diese Einzelfallbeurteilung unterbleibt. Erfahrungsgemäß ist es für die Betroffenen äußerst schwierig, ein Rechtsmittel gegen die Verhängung der Schubhaft aus der Haft zu ergreifen. Die mögliche unbefristete Schubhaft ist verfassungsrechtlich ebenso bedenklich wie der Vorschlag Zwangsernährung bei Schubhäftlingen durchzuführen.
Auch traumatisierte Flüchtlinge werden nicht vor Schubhaft geschützt, obwohl jedem klar sein muß,. daß die Bedingungen der Haft sich jedenfalls belastend auf den psychischen Zustand von Häftlingen auswirken. Die Haft wäre bei Folteropfern, traumatisierten Flüchtlingen und Opfern von Misshandlungen nur dann menschenrechtskonform vollziehbar, wenn eine psychologische und psychiatrische Betreuung gewährleistet wäre. In keinem der Polizeilichen Anhaltezentren gibt es eine adäquate und professionelle psychische Betreuung.

Die asylkoordination plädiert dafür, die Schutzbestimmung für traumatisierte Flüchtlinge und Folteropfer, die durch die Novelle 2003 eingeführt wurde, beizubehalten und ihren Antrag zuzulassen. Sie in andere Staat zur Prüfung des Antrags zurückzuschieben kann Retraumatisierung auslösen und wäre jedenfalls menschenrechtlich bedenklich.

Die Änderung des Asylgesetzes unterläuft auch Bestimmungen der Genfer Flüchtlingskonvention und der Menschenrechtskonvention. "Wir befürchten, daß Flüchtlingen mit ernsthaften Gründen der Flüchtlingsstatus oder subsidiärer Schutz verweigert wird mit der Begründung, sie würden Schutz in ein Innerstaatlichen Fluchtalternative finden." Auch Fluchtgründe, die nach Verlassen des Herkunftsstaates entstanden sind, finden nicht mehr ausreichend Berücksichtigung.

Der Entwurf für ein neues Asylgesetz enthält zahlreiche Abweichungen von allgemeinen Verfahrensbestimmung, die in vielen Fällen nicht notwendig sind und nur zu zusätzlichen Verfahren für die Behörden und für die Betroffenen zu massiven Einschränkungen führen, ihre Rechte wahrzunehmen. Dazu zählt insbesondere die "Gebietsbeschränkung", die Asylsuchende daran hindern wird, sich an NGOs oder Anwälte zu wenden. Die Komplexität und teilweise Intransparenz der Bestimmungen bewirkt, daß Flüchtlinge mehr denn je Unterstützung brauchen, um Einspruch gegen Entscheidungen oder Maßnahmen zu erheben. Der rechtliche Beistand wird aber auch durch die Zustellung von Entscheidungen durch die Fremdenpolizei ausgeschaltet; bis eine Kopie der Einscheidung bei einem Anwalt einlangt, ist der Flüchtling möglicherweise schon abgeschoben.

Wenn es nicht zu wesentlichen Entschärfungen kommt, wäre damit ein Schlußstrich gezogen unter eine langjährige Tradition Österreichs als Asylland.




Anny Knapp, asylkoordination Österreich
Laudongasse 52/9
1080 Wien
Tel: 01-5321291/15
knapp@asyl.at