asylkoordination fordert schnelle Entscheidungen und ausreichende Unterstützung der Zivilgesellschaft
10. Mai 2022  
 
Von den knapp 6 Millionen in die EU geflohenen Menschen aus der Ukraine haben bisher ca 65.000 in Österreich Schutz gesucht und sich registrieren lassen. Die Frage ihrer Versorgung und ihr Zugang zu sozialen Rechten ist aber auch 2,5 Monate nach Kriegsausbruch vollkommen ungeklärt. „Bund und Länder und vor allem das Innenministerium spielen Beamtenmikado: Wer sich als erster bewegt, verliert. Ausbaden müssen dieses unwürdige Verantwortungspingpong wieder einmal Menschen auf der Flucht,“ kritisiert Lukas Gahleitner-Gertz, Sprecher der asylkoordination österreich.

Heute treffen der Innenminister und die für die Versorgung von Flüchtlingen zuständigen Landesrät*innen in Wien zusammen, um endlich die Entscheidungen über die Versorgung der ukrainischen Vertriebenen zu treffen. Geklärt wurde bisher wenig. „Das liegt am vollkommen kaputten Grundversorgungssystem für Schutzsuchende in Österreich“, so Gahleitner-Gertz, „in den letzten Jahren wurde es mit zahlreichen Schikanen versehen, um Menschen auf der Flucht das Leben schwer zu machen.“ Nun werde offenbar, dass Österreich mit diesem System nicht in der Lage ist, die groß angekündigte „unbürokratische Hilfe für Kriegsflüchtlinge“ leisten zu können.

Schutzsuchende werden schikaniert
Jetzt wird deutlich, was Flüchtlings-NGOs seit Jahren kritisieren: Mit den in der Grundversorgung eingesetzten Mitteln ist keine menschenwürdige Versorgung von Schutzsuchenden möglich. Jahrelang waren die Tagsätze von max. € 21 pro Person und Tag für organisierte Quartiere und ca. € 400,- im Monat für privat Wohnende eingefroren, und die jüngst beschlossenen minimalen Erhöhungen werden noch nicht überall ausbezahlt.

Das dysfunktionale und unterfinanzierte System ist zudem nicht darauf ausgerichtet, Menschen aus der Grundversorgung den Einstieg in den Arbeitsmarkt zu ermöglichen: Sobald mehr als 110 Euro verdient werden, verlieren die Menschen den Anspruch auf Grundversorgungsleistungen. Gleichzeitig ist aber nicht zu erwarten, dass Ukrainier*innen sofort soviel verdienen können, um sich etwa eine Wohnung auf dem freien Markt leisten zu können. „Die schikanöse und missgünstige Zuverdienstgrenze muss ersatzlos für alle Grundversorgungsbezieher*innen gestrichen werden. Außerdem muss eine rasche Überführung in das System der Mindestsicherung nach spätestens drei Monaten ermöglicht werden. Dazu braucht es jetzt keine Lippenbekenntnisse, sondern die Zurverfügungstellung ausreichender finanzieller Mittel,“ fordert Gahleitner-Gertz.

Außerdem braucht es jetzt bei der großen Zahl von geflüchteten Frauen mit Kindern Angebote für Kinderbetreuung und Unterstützung privater Quartiergeber. „Der Staat weiß, dass er es ohne die Zivilgesellschaft nicht schafft. Die Zivilgesellschaft ist zur Hilfeleistung bereit. Jetzt darf sie nicht im Regen stehen gelassen werden. Es braucht vor allem finanzielle Unterstützung. Dies nicht zu tun, wäre äußerst kurzsichtig, weil dann spätestens im Sommer die schutzsuchenden Menschen in die organisierten Quartiere drängen, von denen es nicht genug gibt.“

Koordination greift nicht
Allein die Einrichtung eines Flüchtlingskoordinators reicht nicht, dieser muss auch mit entsprechendem Mandat ausgestattet und handlungswillig sein. Bisher ist eine Koordination zwischen Arbeitsmarktservice, zivilgesellschaftlichen Akteuren und der Gesundheitskasse nicht wahrnehmbar. Genau diese braucht es aber, um vor allem den vielen Geflüchteten, die einen erhöhten Betreuungs- oder Pflegebedarf haben, eine Perspektive geben zu können. Die Flüchtlinge aus der Ukraine brauchen Zugang zu sozialen Leistungen wie Familienbeihilfe, Pflegegeld und Kinderbetreuungsgeld – genauso wie auch die Gruppe der subsidiär Schutzberechtigten, die bisher davon ausgeschlossen waren.

„Bei der unrühmlichen Hilfe-vor-Ort-Aktion in Griechenland ist Österreich kläglich gescheitert. Der Innenminister und die Landesrät*innen müssen nun zeigen, dass sie zumindest Hilfe-im-Ort zustande bringen. Das sind sie den vielen ehrenamtlich tätigen Helfer*innen, die dem Staat hier aus der Patsche helfen, eindeutig schuldig,“ so Gahleitner-Gertz abschließend.
 
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