Die asylkoordination österreich schließt sich den Empfehlungen der Kindeswohlkommission an und fordert deren rasche Umsetzung.
 
(WIen, 13. Juli 2021) „Wir bedanken uns bei der Kindeswohlkommission für ihre umfassende Arbeit. Jetzt sind die Behörden und die Politik am Zug,“ so Lisa Wolfsegger, Expertin für Kinderflüchtlinge bei der asylkoordination, in einer ersten Reaktion auf den Bericht und die Empfehlungen der Kindeswohlkommission.

Fluchtwaisen ohne Obsorge
Fluchtwaisen kommen ohne Eltern oder andere obsorgeberechtigte Personen nach Österreich. In der ersten Zeit des Asylverfahrens sind Fluchtwaisen in den Bundesbetreuungseinrichtungen Traiskirchen und Reichenau an der Rax untergebracht. „Diese Lager sind keine geeigneten Orte für Kinder“, betont Wolfsegger, die Betreuung für Kinderflüchtlinge in Erstaufnahmezentrum ist immer noch mangelhaft und es fehlen adäquate Bildungsangebote. Die Kinder sind einerseits isoliert, andererseits verschiedenen Gefahren ausgesetzt. „Am deutlichsten wird dies durch die beunruhigende Tatsache, dass Jahr für Jahr hunderte Kinder in dieser frühen Phase des Asylverfahrens verschwinden“, gibt Wolfsegger ihrer Sorge um das Schicksal dieser Kinder Ausdruck. Auch die Kindeswohlkommission betont die damit verbundenen Gefahren wie Kinderhandel und Ausbeutung.
Die asylkoordination fordert daher ein Maßnahmenpaket, an dessen Spitze die Umsetzung der im Regierungsprogramm festgeschriebenen möglichst raschen Obsorge steht. „Der Umstand, dass für Wochen und Monate niemand die rechtliche Verantwortung für die Kinder übernimmt, ist eine eklatante Gefährdung des Kindeswohls“, betont die asylkoordinations-Expertin. „Die Kinder- und Jugendhilfe muss ab Tag eins die Rolle der nicht vorhandenen Eltern übernehmen.“ Die Kindeswohlkommission sieht hier dringenden Handlungsbedarf.
Weiters fordert die asylkoordination eine Clearingphase, noch bevor Fluchtwaisen einen Asylantrag stellen. Die Kinder- und Jugendhilfe als Rechtsvertretung müsste dabei mit den Kindern abklären, welche Perspektiven es für sie in Österreich oder einem anderen EU-Land gibt. Insbesondere sei zu klären, ob es Familienangehörige in anderen EU Ländern gibt und wie die Kinder mit diesen zusammengeführt werden können. „So kann auch verhindert werden, dass die Kinder die Hilfe von Schleppern in Anspruch nehmen, um zu ihren Verwandten zu kommen.“

Kindgerechte Asylverfahren
Die asylkoordination österreich hat gemeinsam mit UNICEF 2019 eine Studie zur Situation von begleiteten Kinderflüchtlingen veröffentlicht. In dieser Studie kamen erhebliche Mängel im Asylverfahren zu Tage. Auf die Bedürfnisse von Kindern wird – wenn diese gemeinsam mit ihren Eltern kommen – meist nicht eingegangen, sie werden selten befragt und falls doch, dann nicht kindergerecht. Außerdem fehlt es an kinderspezifischer Expertise der Entscheider*innen, an Kinderbetreuung oder kindergerechten Settings. „Kinder müssen in jeder Phase des Verfahrens gehört werden, sie sind keine Anhängsel ihrer Eltern, sondern müssen als eigenständige Subjekte behandelt werden,“ betont Wolfsegger. Die asylkoordination unterstreicht daher die Forderung der Kommission nach kindgerechten Asylverfahren und verpflichtenden und regelmäßigen Aus- und Weiterbildungen zu Kinderrechten und Kindeswohlprüfung für alle am Verfahren Beteiligten.

Zweierlei Kinder: Kinder und Kinderflüchtlinge
„Die eklatante Ungleichbehandlung von Kinderflüchtlingen muss ein Ende haben“, spricht Wolfsegger Probleme bei der Unterbringung und Betreuung von Fluchtwaisen an. Die asylkoordination und andere Flüchtlings-NGOs fordern seit Jahren, dass bei den Betreuungseinrichtungen für unbegleitete Kinderflüchtlinge dieselben Standards und Ressourcen wie in Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe zu gelten haben. Nur so sind ausreichende Bildungsangebote und Maßnahmen wie Gewaltprävention und ein produktiver Umgang mit Konflikten möglich. „Wir begrüßen die entsprechenden Empfehlungen der Kindeswohlkommission und erwarten, dass diese jetzt auch eine Chance auf Umsetzung erfahren,“ gibt sich Wolfsegger optimistisch. „Jetzt gilt es, Nägel mit Köpfen zu machen. Wir erwarten, dass es bis Ende 2021 einen klaren Fahrplan für die Umsetzung der Empfehlungen der Kindeswohlkommission gibt.“
 
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