Der Fall Waldhäusl – Anti-Integration im System Niederösterreich
„Das ist eine Schande für Österreich.“ (Reinhard Künzl, ÖVP-Bürgermeister von Drasenhofen.)

Landesrat Gottfried Waldhäusl hat Ende 2018 Schlagzeilen gemacht, als er jugendliche Asylwerber in einem „Straflager“ bei Drasenhofen internieren ließ. Damals forderte asylkoordination Obfrau Anny Knapp „Waldhäusl muss nach seinen wiederholten Entgleisungen sofort die Verantwortung für die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge entzogen werden.“ Beweismittel gegen Waldhäusl und die für die Internierung der Jugendlichen zuständige Beamtin wurden bei der Staatsanwaltschaft eingebracht, in der Hoffnung, „dass zumindest die österreichische Justiz sich nicht von Waldhäusl auf der Nase herumtanzen lässt.“

Lange hat es gedauert bis im Mai 2021 das Landesverwaltungsgericht NÖ zur Entscheidung kam, dass die Internierung der Jugendlichen rechtswidrig war. Daraufhin erhob die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) Anklage gegen Waldhäusl und die Beamtin. Der erste Termin vor dem Landesgericht St. Pölten (angesetzt für Ende November) musste wegen Covid-19 abgesagt werden.
Jetzt ist die Verhandlung für Mittwoch den 2. Februar am Landesgericht St. Pölten anberaumt. Wie immer die Verhandlung ausgeht, sie ist nur ein Grund von vielen, warum „Waldhäusl entlassen“ seit Jahren nicht nur eine Forderung der asylkoordination, sondern auch von zahlreichen NGOs und Vertreter*innen der Zivilgesellschaft aus ganz Niederösterreich ist.
Aus Anlass der Gerichtsverhandlung gegen Landesrat Waldhäusl wird diese Forderung nun gemeinsam mit #ZusammenHalt NÖ von der asylkoordination erneut bekräftigt – untermauert von den folgenden Dossier-Seiten, die das anti-integrative Wirken des „standhaften Sicherheitslandesrats“ im speziellen System Niederösterreich eindrucksvoll dokumentieren. Das Dossier wurde von #zusammenHalt NÖ und den asylKOORDINATEN Anfang 2022 mit akribischer Sorgfalt erstellt. 

Asyl – und Integrationslandesrat Gottfried Waldhäusl
Die Liste ist lang

                                                             
„Zum Schutz dieser Jugendlichen haben wir einen Zaun errichtet, damit nicht jeder hier auch eindringen kann.“ (FPÖ-Landesrat Gottfried Waldhäusl 2018)

Landesrat Waldhäusl / FPÖ ist in der NÖ Landesregierung u.a. für Tierschutz, Sicherheit, Veranstaltungswesen, aber auch für Asyl, Integration und Grundversorgung zuständig. Zumindest für die Asyl- und Integrations-Agenden ist er jedoch völlig ungeeignet. Er ist kein Integrations- sondern ein Integrations-Verhinderungs-Landesrat. Gemeinsam mit Landeshauptfrau Mikl-Leitner, die zu seiner inakzeptablen Amtsführung meist schweigt, ist Waldhäusl vielmehr verantwortlich für systematische Desintegration und für zahlreiche Menschenrechtsverletzungen.

Wieso? Das soll im Folgenden kurz angerissen und im Anhang erläutert und belegt werden – durch Erfahrungs- und Medienberichte, aber vor allem durch Waldhäusls dokumentiertes Verhalten bzw. durch seine eigenen Aussagen in Presseaussendungen.

Einige der wiederkehrenden Vorwürfe und Fakten:
(zu jedem Punkt finden Sie im Anhang zahlreiche Belege aus Medien und Zitate aus Presseaussendungen des Büros von LR Waldhäusl)
  • LR Waldhäusl hat eine nachweislich negative, teilweise menschenverachtende Grundeinstellung Geflüchteten und Migrant*innen gegenüber.
     
  • Er betrachtet sie nicht als hilfesuchende Menschen, sondern als drohende Gefahr, als illegale Eindringlinge, die unser Land „überfluten“, die Sicherheit in NÖ gefährden, die zu „Land unter“ führen wird und gegen die an den Grenzen „Dämme“ gebaut werden müssen.
     
  • Er schmiedet und veröffentlicht mehrstufige Notfallpläne und schürt in der Bevölkerung dadurch Ängste vor einem imaginären Feind, der uns demnächst zu überrollen droht.
     
  • Er zweifelt Entscheidungen österreichischer Gerichte an, z.B. die Rechtmäßigkeit der Gewährung von „humanitärem Bleiberecht“, und fordert stattdessen „Neue Humanität für die eigenen Leute“.
     
  • Er verbreitet Unwahrheiten über Leistungen der öffentlichen Hand. So behauptet er z.B., dass Menschen ohne echten Asylgrund aus humanitären Beweggründen mit hohen Beträgen „durchgefüttert“ würden.
     
  • Er sieht in Geflüchteten bloß einen Kostenfaktor und rühmt sich, wenn er im Asyl- oder Integrationsbereich wieder Geld einsparen konnte.
     
  • Seine Abteilung schikaniert wissentlich Asylwerber*innen, selbst wenn es sich um alte und kranke schutzbedürftige Menschen handelt.
     
  • Er diffamiert Konvertiten als Pseudochristen, kriminalisiert Asylwerber und unterstellt ihnen, gar nicht arbeiten, sondern es sich in der „sozialen Hängematte“ gemütlich machen zu wollen.
     
  • Er verweigert Asylwerber*innen Integrationsmaßnahmen, wie die Finanzierung von Deutschkursen, verlangt aber von ihnen nach positivem Abschluss ihrer Verfahren, dass sie sprachlich sofort fit für den Arbeitsmarkt sind.
     
  • Da Asylberechtigte auf Grund ihrer mangelnden Sprachkenntnisse – und oft wegen Diskriminierung aufgrund ihrer Herkunft – auf dem Arbeitsmarkt anfangs kaum Chancen haben, unterstellt LR Waldhäusl ihnen immer wieder Arbeitsscheu und Sozialmissbrauch.
     
  • Er kürzt wichtigen Einrichtungen, wie dem von der Diakonie geleiteten interkulturellen Psychotherapiezentrum JEFIRA nach 15 Jahren die Subvention und gefährdet dadurch dessen Weiterbestehen.
     
  • Tierwohl vor Menschenwohl ? LR Waldhäusl scheinen Tiere offenbar ein größeres Anliegen zu sein als geflüchtete Menschen. So gründete er eine „NÖ Tierschutz-Hotline“, die rund um die Uhr 365 Tage im Jahr erreichbar ist. Der Anruf bei der Hotline ergab, dass es eine entsprechende „NÖ Hotline für Menschen“ im Amt der NÖ Landesregierung nicht gibt.
     
  • LR Waldhäusl diffamiert wiederholt in seinen Presseaussendungen Kolleg*innen aus anderen Parteien bzw. Bundesländern und blockiert systematisch Beschlüsse von Landesflüchtlingsreferent*innen-Konferenzen.
     
  • LR Waldhäusl hat bis heute kein NÖ Integrationskonzept und jährliche Fortschrittsberichte vorgelegt, sondern beruft sich noch immer auf jenes aus dem Jahr 2008. Bis heute ignoriert er die im September 2021 in einem Resolutionsantrag von Frau Mag. Kollermann/NEOS gestellte Forderung, ein aktualisiertes Konzept vorzulegen.
                         
Das System Niederösterreich
„Ich glaube, der Mann ist überfordert.” (Christian Konrad, ehemaliger Flüchtlingskoordinator der Regierung)
 
Es war von Anfang an höchst fragwürdig, warum gerade LR Waldhäusl, der im NÖ Landtag schon früher für seine negativen und menschenverachtenden Einstellungen zu Asyl und Integration bekannt war, gerade die Asylagenden anvertraut wurden. Und die meisten Befürchtungen, die bereits im Vorfeld geäußert worden waren, haben sich leider bewahrheitet.

Schweigen oder halbherzige Reaktionen der Landeshauptfrau zu unsäglichen Äußerungen und Aktionen von LR Waldhäusl 

Seit Jahren hört man von Landeshauptfrau Mikl-Leitner kaum ein Wort der Kritik an Landesrat Waldhäusl, zu seinen unsäglichen Äußerungen, Vergleichen oder Handlungen. Nur wenn die öffentliche Empörung zu groß wird, oder sogar ausländische Medien über eine Waldhäuslsche Entgleisung berichten (Drasenhofen oder Borkenkäfer-Sager), findet es die Landeshauptfrau für angebracht, sich kritisch zu äußern. Oft bleibt es jedoch bei halbherziger Kritik.

Nur sehr selten zieht Frau Mikl-Leitner Konsequenzen und trifft schließlich Entscheidungen, so wie bei der Schließung des „Straflagers“ von Drasenhofen, die sie anordnete.
Dass aber die darauffolgende Anklage Waldhäusls wegen des Verdachts des Amtsmissbrauchs Grund genug sein sollte, Waldhäusl zum Rücktritt zu bewegen oder ihm zumindest die Asyl- und Integrationsagenden zu entziehen, kam der Landeshauptfrau nicht in den Sinn.
Sogar der Tiroler FPÖ Chef Markus Abwerzger forderte damals den Rücktritt seines niederösterreichischen Parteikollegen Waldhäusl und meinte gegenüber der Tiroler Tageszeitung: „Anklage bedeutet für mich Rücktritt ohne Ausrede und Rechtfertigung“.
Jedoch Mikl-Leitners Schweigen vermittelt eine beredte Botschaft: Ist Waldhäusl vielleicht ein willkommener Erfüllungsgehilfe, der die restriktive niederösterreichische Asylpolitik vollzieht, die man selbst gutheißt? Wie könnte sonst das Schweigen der Landeshauptfrau erklärt werden? Jedenfalls gilt auch hier: Wer zu Missständen so hartnäckig schweigt, macht sich mitschuldig.

Landeshauptfrau Mag. Mikl-Leitner – von Kommunikationsunwilligkeit bis hin zur totalen Gesprächsverweigerung
 
Trotz zahlreicher Versuche der Initiative #zusammenHaltNÖ und anderer niederösterreichischer Vereine, seit mehr als zweieinhalb Jahren bei der Landeshauptfrau Mag. Mikl-Leitner einen Gesprächstermin zu erhalten, um anstehende Probleme – u.a. auch mit dem Ressort Waldhäusl – zu besprechen, wurde ein Termin vom Büro der Landeshauptfrau bisher systematisch verweigert, mit dem Hinweis, Frau Mikl-Leitner habe keine Sprechstunden und keine Sprechtage.
Frau Mikl-Leitner versuchte anfangs, solch ein Gespräch an Beamt*innen zu delegieren, doch dabei wurde rasch klar, dass manche Probleme nicht auf Beamtenebene zu lösen sind und politischer Entscheidungen bedürfen. Und ab dann begann die Blockade durch die Landeshauptfrau. LHF Mikl-Leitner war nicht bereit, über Themen zu sprechen, die in ihrer alleinigen Kompetenz liegen, obwohl sie das vorher zugesagt hatte.
 
So geht es übrigens nicht nur Initiativen und Vereinen, die sich mit Menschenrechtsthemen befassen und sich um Geflüchtete kümmern, sondern auch Umweltinitiativen, wie ein Beispiel von zwei Bürgerinitiativen aus dem Dunkelsteiner Wald zeigt (siehe Anhang II /2).
 
Eine Internetrecherche und Telefonumfrage in den anderen Bundesländern ergab, dass NÖ völlig anders als das restliche Österreich agiert und dass nirgendwo sonst den Landesbürger*innen ein Gespräch mit den Landeshauptleuten so dezidiert verweigert wird wie in NÖ.
Außerdem kritisieren Ehrenamtliche, dass E-Mails und sogar eingeschriebene Briefe an die Landeshauptfrau, aber auch an fast alle Landtagsabgeordnete ihrer Fraktion, entweder unbeantwortet bleiben, oder nicht auf die gestellten Fragen, Ersuchen bzw. Kritik eingegangen wird. Falls doch eine Antwort kommt, stammt sie häufig nicht vom Büro der Landeshauptfrau, sondern vom Büro der VPNÖ. Das ist eine grobe Missachtung der Zivilgesellschaft, die seit Jahren Arbeiten verrichtet, die eigentlich Aufgabe der Behörden wären.
Auf Protestschreiben an Frau Mikl-Leitner mit der Aufforderung, LR Waldhäusl seine Agenden zu entziehen, bekommt man die stereotype Antwort, die Landeshauptfrau könne Waldhäusl nicht abwählen, das könne nur seine Partei, die FPÖ, tun.
Eine „Abwahl“ wurde jedoch nicht verlangt. Das könnte die Landeshauptfrau tatsächlich nicht tun. Sie könnte jedoch einem Landesrat, der sich als ungeeignet herausstellt, die Agenden Asyl und Integration entziehen und anderen, menschlich und fachlich besser geeigneten Landesrät*innen übertragen. Ihr Vorgänger Erwin Pröll hat gezeigt, dass es möglich ist, Agenden neu zu vergeben.
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