Kindeswohl? Immer noch ein Fremdwort!
Bündnis „Gemeinsam für Kinderrechte“ –
Zivilgesellschaft fordert Ende der Abschiebung gut integrierter Kinder
Wien, 13. November 2022 – Fast zynisch mutet es an, dass genau ein Jahr und vier Monate nach der Präsentation des Berichts der Kindeswohlkommission das Innenministerium die Abschiebung eines gut integrierten Kindes beabsichtigte. „Ich bin entsetzt, dass es immer noch Fälle gibt, in denen ein Kind, das sechs Jahre in Österreich gelebt hat, einfach so aus seinem Leben gerissen werden soll. Es hat entgegen aller Beteuerungen immer noch nicht genug Sensibilisierung gegeben, dass solche Abschiebungen nicht mehr geplant werden,“ zeigt sich Irmgard Griss, Vorsitzende der ehemalige Kindeswohlkommission des Justizministeriums, hiervon entrüstet.

Stundenlang wurde der 7-jährige Noe mit seiner Mutter am Freitag in Wien angehalten, um in das für ihn unbekannte Georgien abgeschoben zu werden. Davor gab es eine Ladung zur weiteren Bearbeitung des Bleiberechtsantrages. Völlig überraschend wurden Noe und seine Mutter bei diesem Behördentermin festgenommen – eine unnötige Traumatisierung eines Kindes, das in Österreich zu Hause ist. Solche Handlungen setzt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, ohne auf das Kindeswohl zu achten. Der Anwalt Wilfried Embacher, Mitinitiator des Bündnisses „Gemeinsam für Kinderrechte“, der auch die abgeschobenen Kinder Tina und Husein vertritt, hat mittlerweile den Fall des Jungen übernommen. Als er noch auf dem Weg zur Familie ins Anhaltezentrum war, wurde die Abschiebung kurzfristig abgesagt. Die zivilgesellschaftlichen Proteste waren innerhalb weniger Stunden so laut geworden, dass das Innenministerium die Abschiebung vorläufig aussetzte.
Entscheidend wird nun sein, wie weiter über ein Bleiberecht des Buben entschieden wird. Anwalt Embacher sagt: „Wegen der starken sozialen Verwurzelung von Noe ist eine Abschiebung unzulässig. Zudem ist der Junge bereits in der 2. Klasse und ein sehr guter Schüler. Bei der Kindeswohlprüfung sind einerseits die Auswirkungen der Abschiebung zu beachten und andererseits würde er in seiner schulischen Entwicklung an den Beginn zurückgeworfen werden, weil er eine andere Sprache völlig neu erlernen müsste. Er spricht ausschließlich Deutsch. Von den psychischen Auswirkungen, die eine Abschiebung mit sich bringen würde, ganz zu schweigen.“

Das Bündnis „Gemeinsam für Kinderrechte“ betreibt – mangels staatlicher Institutionalisierung – ein zivilgesellschaftliches Monitoring in Fällen abschiebegefährdeter Kinder. Seit der Abschiebung des 13-jährigen Husein aus Salzburg am 15. Februar 2022 wurden dem Bündnis 42 gefährdete, gut integrierte Kinder aus 25 Familien gemeldet, die tagtäglich zittern, ob sie in ihrer Heimat Österreich bleiben dürfen. Michael Häupl, Präsident der Volkshilfe Wien, der sich ebenfalls für das Bündnis engagiert, sagt: "Wie schon die Kindeswohlkommission festgestellt hat, steht das Kindeswohl über dem Fremdenrecht. Wir fordern den Stopp von Kinderabschiebungen und die Einbindung von betreuenden NGOs und der regionalen Behörden im Rahmen der Bleiberechtsentscheidungen."
 


Rückfragen:
Katharina Glawischnig, Koordinatorin des Bündnisses „Gemeinsam für Kinderrechte“
glawischnig@asyl.at, 0650/5009515
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